Reportage

Wie geschaffen für Real Madrid

Weil ein Weggang von Iker Casillas oder Diego López mit der Verpflichtung von Keylor Navas immer konkretere Züge annimmt, ist so mancher Madridista nicht sonderlich gut auf den 27-Jährigen zu sprechen. Unbestritten dürfte jedoch sein: Der Costa-Ricaner wird Real sportlich gut tun, was vor allem seiner Persönlichkeit geschuldet ist. REAL TOTAL erklärt, aus welchem Holz der Zentralamerikaner geschnitzt ist und wie der Mensch Keylor Navas tickt.

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Keylor Navas
Die Verpflichtung von Keylor Navas wurde am Sonntagabend offiziell

Nicht jeder heißt Navas-Verpflichtung gut

MADRID. Iker Casillas oder Diego López: Im Zuge der Vorbereitung auf die letzte Saison stellte sich die Frage, welcher der beiden Top-Torhüter zwischen den Pfosten stehen wird. Nun, zwölf Monate später, heißt es zum wiederholten Male: Casillas oder López? Aber nicht, was die Rolle als Nummer eins betrifft. Diesmal spannend: Wer kann seinen Platz im Ensemble Carlo Ancelottis halten? Nach der Verpflichtung von Keylor Navas gilt es als ausgemacht, dass sich einer der beiden verabschieden wird. 77 Prozent der REAL TOTAL-Leser ziehen einen Abgang von López einem von Kapitän „San Iker“ vor. Doch was unzählige Madridistas dem gegenüber noch viel mehr präferiert hätten, wäre schlicht eine unveränderte Besetzung der Torwart-Position. Casillas und López ja, Navas nein.

Entsprechend empfing nicht jeder Fan den neuen Schlussmann aus Costa Rica mit offenen Armen. Als wäre der Druck, den ein jeder Fußballer alleine schon mit der Vertragsunterschrift beim weltberühmtesten Fußballklub aufgebürdet bekommt nicht schon groß genug, muss sich Navas nun nicht nur gegen Casillas oder López durchsetzen, sondern folglich auch im Bernabéu brillieren, um auch den letzten Skeptiker von sich zu überzeugen. Nicht zu unrecht bezeichnete Florentino Pérez den Schritt des 27-Jährigen vom Mittelklasse-Klub UD Levante zum Champions-League-Triumphator als „größte Herausforderung des Lebens“.

Wechsel, zweite Liga, Abstieg – doch Navas bleibt ambitioniert

Eine Herausforderung, vor der Navas aber nicht zurückschreckt. Ganz im Gegenteil. Genau die hat er gesucht. Mehrfach erklärte er seinen Wechsel nicht als simple Karriere-Veränderung, sondern als einen wahr gewordenen Traum. Als er 1994 im Alter von acht Jahren in der costa-ricanischen Heimat bei CD Saprissa mit dem Fußballspielen begann, schlüpfte er in die Rolle eines Reporters und sagte dabei träumerisch: „Wir stehen hier mit Keylor Navas, dem Torwart von Real Madrid.“ Auf die Fragen antwortete er schließlich selbst. „Ich habe damals beide Rollen gespielt“, blickt der heutige Familienvater mit einem Lächeln auf den Lippen zurück.

Weil Real Madrid das Nonplusultra im Weltfußball ist, gab und gibt es solche Rollenspiele sicherlich nicht nur im Hause des Torhüters. Der Klub aus der spanischen Hauptstadt gleicht dem Gipfel, den ein jeder Jugendliche oder Heranwachsende um jeden Preis erklimmen möchte. Was jedoch die Spreu vom Weizen oder den Navas von so vielen anderen trennt, ist die harte Arbeit und endlos wirkende Lernbereitschaft. Die Bereitschaft, sich stetig zu verbessern. Mit jedem Tag, mit jedem Training. Schleifen lässt es „Key“ für gewöhnlich nie. Der Grund: „Ich will eines Tages der beste Torwart der Welt sein, davon träume ich.“ Ein weiterer Traum, den Navas zwar kürzlich erst publik machte, jedoch schon seit mehreren Jahren verfolgt.

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Nach fünf Jahren bei Saprissa wagte er 2010 den Schritt nach Spanien und landete bei Albacete Balompié – in der zweiten Liga. Keine Teilnahme an der Primera División, geschweige denn einem internationalen Wettbewerb. Mit dem Abstieg in die Drittklassigkeit kam es sogar noch schlimmer. Doch das hinderte ihn nicht, an seinen Ambitionen festzuhalten. So fern der Spitzenfußball zu diesem Zeitpunkt für Navas war, so sehr näherte er sich ihm mit der Levante-Zeit ab 2011 dank großem Fleiß, großem Ehrgeiz und gesunder Selbstüberzeugung – und nicht zuletzt dank der Kraft, die er aus seinem Glauben zieht. Navas ist gläubiger Christ.

Gott als Mittelpunkt des Lebens

„Mit Arbeit, Leidenschaft und Gott an erster Stelle sind Träume zu realisieren“, sagt er. Hört man ihn über seine Karriere sprechen, kommt Gott stets zur Sprache. Vor jedem Spiel kniet er auf der Torlinie nieder, streckt beide Arme Richtung Himmel und betet. In Costa Rica widmete man dem Nationalhelden eigens einen Song: „El portero de Cristo“ – „Der Torwart Christi“.

››› Der Song „El portero de Cristo“ zum Anhören

Seine Dankbarkeit gegenüber dem Herrn kann der WM-Teilnehmer nie oft genug aussprechen. Er liebt und schätzt das Leben, was er auch immer wieder mit dem costa-ricanischen Ausdruck „Pura Vida“ untermauert – ob während seiner Vorstellung, in Interviews oder sozialen Netzwerken. Ein Ausdruck, der für ein ganzes Lebensgefühl steht: die Einfachheit des guten Lebens, Demut, Wohlfahrt, Freude, Zufriedenheit, das Glück und den Optimismus. Man könnte meinen, es stammt vom lebensfrohen und bescheiden wirkenden Neu-Madrilenen. Es sind zumindest einmal Charakter-Eigenschaften, die dem Menschen Keylor Navas gleich kommen. Doch es existieren auch andere dieser, die auf den 27-Jährigen zutreffen und ihn mit etwas Bestimmtem eins zu eins zusammenpassen lassen: Real Madrid.

Die Königlichen verstärkt ein nimmersatter Fußballer. Einer, der immer besser werden will, seine volle Leistungsstärke nie erreicht sieht. Während der Präsentation des Keepers machte Pérez in seiner Rede deutlich, dass das Aufgeben in der Welt des Madridismo keinen Platz habe. Der 67-Jährige hätte sich diese belehrenden Worte im Grunde genommen sparen können. Denn dieser Begriff existiert auch für den Tormann nicht. So ist er vom Wesen her, so tickt er seit Jahren. Statt das Handtuch zu werfen, greift er nur dann nach ihm, um sich nach harter Arbeit den Schweiß von der Stirn zu wischen.

Die Fans erwarten das Beste von dir. Vergiss das nicht Florentino Pérez

Luis Llopis: Der Mann, der den Königlichen formte

Gereicht hat es Navas in den vergangenen drei Jahren beim La Liga-Klub aus Valencia Torwart-Trainer Luis Llopis, ein absoluter Förderer des Zentralamerikaners. Der 49-Jährige gilt auf der iberischen Halbinsel als exzellenter Vertreter seiner Zunft und schaffte es, aus dem absoluten hochveranlagten No-Name einen herausragenden und allseits bekannten Schlussmann zu formen. Geht es nach Pérez, sei er bereits einer der besten der Welt. Das Trainingsprogramm passte Llopis verschiedenen Situationen im Wettkampf an (Video). Es sei „sehr intensiv und anspruchsvoll“, wie Navas einmal meinte. Und er lobte ihn im Pressegespräch am Dienstag: „Ich werde ihm immer sehr dankbar sein, es war eine gute Zeit.“ Nachgefragt bei Ilopis, mit welchen Eigenschaften er seinen Schützling definieren würde, bestätigte er den Eindruck, den man auch aus Gesprächen mit dem Keeper ziehen kann: „Keylor ist eine besondere Person. Er gibt alles und ist hochkonzentriert, in jedem einzelnen Training, es ist beeindruckend. Er kommt selbst nach harten Einheiten zu mir und fragt mich nach meinem Rat, was er noch besser machen könnte. Er ist demütig, er will lernen und sich verbessern und überdies ist er eine stets korrekte und aufrichtige Persönlichkeit. Er bezieht alle mit ein und teilt seinen Erfolg mit seinen Mitmenschen. Und noch etwas: Er verteidigt nicht nur das Tor von Levante, sondern er verteidigt mit Stolz das Tor auch für seine Nation. Bei allem Erfolg haben wir einen Keylor erlebt, der bescheiden blieb – dies freut mich sehr.”

Es breche nun eine neue Zeit, ein neues Abenteuer an, so Navas, der insbesondere durch seine Reaktionsschnelligkeit und Stärke auf der Linie besticht. Ein Abenteuer, bei dem er sich in eine noch höhere Sphäre hieven will – trotz seiner fantastischen Leistungen bei der zurückliegenden Weltmeisterschaft in Brasilien und in der vergangenen Spielzeit im Kasten von UD Levante, die er als bester Torwart der Liga BBVA 2013/14 beendete. „Ich hoffe, dass ich das in der nächsten Saison toppen kann“, sagte Navas Ende Mai, als ein Transfer zu den Merengues noch überhaupt nicht zur Debatte stand. Nimmersatt – so ist er eben. Wie geschaffen für Real Madrid.

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von
Filip Knopp

Begleitet den Mythos Real Madrid als Fan seit der Ära der „Galácticos“ und journalistisch bei REAL TOTAL seit Mitte 2011. Erfahrungen auch bei SPORT1 und SPOX, zudem Autor von »111 GRÜNDE, REAL MADRID ZU LIEBEN«.

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