
Ablehnung gegen Real – da sind sich alle einig
Real Madrid kauft Schiedsrichter. Alle. Ausschließlich. Da ist sich der gemeine Sportfan sicher. Ist doch klar. Das sticht einem ja förmlich durch den Fernseher durch die fettige Brille hinein in die vom Bier verschwommenen Augen. Da sind sie sich einig. Ob man Manchester United oder den FC Arsenal mag – da könne man diskutieren. In der Ablehnung gegen Madrid jedoch sind sie alle vereint, Arm in Arm.
Nun, als Madrid-Fan in Deutschland bin ich es gewohnt, wenig Sympathie entgegengebracht zu bekommen. Außerdem trage ich stets meine rosarote respektive violette Real-Brille, die mir einen verzerrten Blick auf die Welt gibt. Ich habe für jeden Spieler einen peinlichen Spitznamen und tobe zu Hause während Spielen häufig vor dem Fernseher in einem lilafarbenen Real-Umhang (leider wirklich). Ich bin also auf eine Art nicht ernst zu nehmen. Aber damit bin ich immer noch weitaus seriöser und näher an der Wahrheit als das dumme Gefasel über gekaufte Schiris.
Der gekaufte Real-Schiri ist der neue Reptiloid
Zu sagen, dass Real alle Schiedsrichter kauft, befindet sich auf dem gleichen Niveau, wie zu sagen, dass man sein Leben nicht gebacken bekommt, weil einem die bösen Politiker immer morgens Chemtrails ins Müsli rühren. Das ist Verschwörungstheorie. Der gekaufte Real-Schiri ist der neue Reptiloid. „Die Welt ist nicht so, wie ich sie will. Die Welt ist unfair. Die da oben sind Schuld. Ich habe eine einfache Antwort auf die vielschichtige, verworrene Welt. Denn wenn alles richtig wäre, wäre ich der Beste.“ Das ist die Argumentationskette, die da greift. Denn machen wir uns nichts vor: Dass es Betrug im Profisport gibt, ist kein Geheimnis. Es werden Weltmeisterschaften gekauft und Schiedsrichter gekauft. Wer das ignoriert, ist nicht voreingenommen, sondern blind. Aber davon auszugehen, dass Real einfach alle gekauft hätte seit Jahren – denn das würde man ja sehen –, ist eine viel zu einfache Antwort für eine viel zu komplexe Welt. Denn wenn das so einfach wäre, wieso kauft dann nicht der Herr Scheich aus Katar seinem Verein aus Paris mal ein Champions-League-Halbfinale? Muss doch drin sein! Wenn man einen Neymar aus Barcelona loskriegt, sollte das doch aus der Portokasse zu zahlen sein. Wieso verliert dann Real den Clásico aufgrund diverser Fehlentscheidungen? Wieso kauft sich Real nicht häufiger eine Meisterschaft? Wenn das so einfach wäre, dann wären nur zwei LaLiga-Titel in zehn Jahren wirklich eine arme Ausbeute.
Wenn man sich so umhört, scheinen in Deutschland alle gemeinsam für den FC Liverpool, für den großen Außenseiter zu sein. Vor drei Jahren war es Atlético, weil die ja so ein bodenständiger Arbeiterverein sind, in dem Griezmann eine Lohntüte aus Papier mit fünf Euro drin bekommt. Dann war es 2017 Juve, weil Gigi Buffon einen Pokal für sein vermeintliches Abschiedsspiel als Geschenk bekommen sollte. Als ob seine großartige Karriere noch einen Schlussakkord bräuchte. Und jetzt ist es eben Liverpool. Die großen Underdogs! Dass die “Reds” selber bereits fünfmal die Könige von Europa waren – so häufig wie der FC Bayern oder ein gewisser Verein aus Barcelona –, vergisst man gerne. Denn an Jürgen Klopp klebt ja immer noch das „Pöhler-Image“ des einfachen Mannes aus dem Volke, das er einfach nicht verliert. Da kann er noch so viele Werbespots für die Deutsche Vermögensberatung, OPEL, Metylan, Philips und Warsteiner machen und ein höheres Einstiegsgehalt haben als Zinédine Zidane. Dass man meinen könnte, Liverpool sei gegen Manchester City ebenfalls bevorzugt worden, vergisst man auch. Zugegeben: Wer schaut Mané, Salah und Firminho nicht gerne zu? Wer findet die Liverpooler Fans nicht rührend? Und eine kleine Kammer in meinem Herzen gönnt es dieser sympathischen Mannschaft natürlich sehr zu gewinnen.
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Madrid hatte Glück, aber auch Pech
Also seid ruhig alle für Liverpool. Ich verstehe das. Aber erzählt mir nicht das Märchen von den Real-Schiris, ihr Echsenmenschen der Scheiben-Erde! Auch wenn Madrid natürlich mit einer teilweise sehr durchschnittlichen Leistung im Endspiel steht, aber wenn man in fünf Spielzeiten zum vierten Mal im Champions-League-Finale dabei ist nach acht Halbfinals in Serie, wenn man nacheinander den französischen, den italienischen und den deutschen Meister hinter sich lässt, dann ist das kein Glück. Da war Glück dabei, aber auch Pech. Da mag vielleicht sogar irgendwo ein Schiedsrichter Geld von wem auch immer bekommen haben, aber wo und wie, maße ich mir nicht an, zu wissen. Das Geseier von den Madrid-parteiischen Schiedsrichtern ist direkt an die Stelle getreten von „Real Madrid kauft ja einfach die teuersten Spieler weg und dann gewinnen die“, nachdem die Blancos jahrelang gut und clever wirtschafteten, Eigengewächse förderten, junge Spanier verpflichteten und keine Riesentransfers tätigten (mal abwarten, was im Sommer passiert).
Aber der Erfolgreiche wird einfach immer gehasst und die Dauerdominanz von Madrid ist für den Nicht-Fan eine langweilige Geschichte. Das verstehe ich. Aber der Satz dürfte trotzdem nicht heißen. „Ronaldo 94 Millionen. Bale 101 Millionen. Den Schiedsrichter bestechen: unbezahlbar.“ Der Satz müsste lauten: „Asensio 3,5 Millionen. Kroos 25 Millionen. Nacho: 0 Millionen. Zinédine Zidane: unbezahlbar.“ Denn das, das sind die wahren Gründe für den Erfolg.
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