
Lieber Mateo,
ich hätte es mir eigentlich schon am 26. Mai denken können. Als ich dich nach dem 3:1 gegen den FC Liverpool in den Katakomben des Olympiastadions von Kiew antraf und dir zu deinem dritten Champions-League-Titel in deiner dritten Saison bei Real Madrid gratulierte, kam von dir nur ein müdes, fast schon deprimiertes Nicken zurück. Dein Blick ging zu Boden. Du wolltest mir und den anderen Reportern in der Mixed Zone kein Interview geben. Dass du keine einzige Minute in dem Finale bestritten hattest, wurmte dich einfach zu sehr. Verständlicherweise. Schließlich bist du nicht nur ein überaus talentierter, sondern auch ein überaus ehrgeiziger Fußballer. Andernfalls würdest du nicht mit 24 schon ein Teil des größten Klubs der Welt sein.
Dass du nun, keine vier Wochen später, an die spanische Presse gehst und behauptest, ein Abschied aus Madrid sei das Beste für dich, kann ich aber in keiner Weise nachvollziehen. Erstens wundert mich der Zeitpunkt. Wäre es nicht besser, sich nach dem vielversprechenden Start gegen Nigeria (2:0) und Argentinien (3:0) jetzt voll auf die Weltmeisterschaft mit Kroatien zu konzentrieren anstatt aus dem weit entfernten Russland eine Lawine loszutreten, die das Estadio Santiago Bernabéu erschüttert? Du hast natürlich immer noch kluger gehandelt als der Königsklassen-Partycrasher Cristiano Ronaldo mit seiner Unmutsbekundung in Kiew. Das ist aber kein Kompliment.
Zweitens kann ich nicht ganz verstehen, warum du glaubst, es würde dir woanders besser ergehen. Du bist 24. Auf dem Olymp des Fußballs. Und keineswegs unbedeutend. In einem Finale auf der Bank zu schmoren, ist bitter. Wer mit Luka Modrić, Toni Kroos und Casemiro um einen Platz konkurriert, muss hin und wieder aber auch einmal den Kürzeren ziehen. Nichtsdestotrotz hattest du einen riesigen Anteil an „la Decimotercera“. Du warst im zentralen Mittelfeld stets die erste Alternative von Zinédine Zidane. Im Achtelfinale gegen Paris Saint-Germain und im Halbfinale gegen den FC Bayern durftest du sogar von Anfang an spielen. Und jetzt willst du gehen? Ausgerechnet jetzt, wo die Karten unter Zidanes Nachfolger Julen Lopetegui, einem noch größeren Förderer junger und hungriger Kicker wie dich, noch einmal neu gemischt werden?
Ohne ein persönliches Gespräch mit dem neuen Trainer halte ich deinen Entschluss für übereilt und ehrlich gesagt auch für ein wenig undankbar gegenüber den Verantwortlichen, die dir vor drei Jahren deinen großen Traum erfüllt haben. Du wärst in der vergangenen Saison, erst recht nach deiner wahnsinnig starken Leistung in der spanisch Supercopa gegen den FC Barcelona, sicherlich noch häufiger zum Einsatz gekommen, wenn du dich nicht im Herbst verletzt hättest. Real baute dich in diesen drei Spielzeiten auf, formte dich zu einem besseren Fußballer. Das kannst du nicht leugnen. Und jetzt, wo du auf dem besten Weg bist, endgültig in die Fußstapfen deines großen Vorbilds Modrić zu treten, willst du gehen? Von mir aus – wenn du der Verlierer sein möchtest. Du kannst aber vorher ja mal deinen ehemaligen Mitspieler Álvaro Morata anrufen und ihn um eine Rückmeldung beten. Oder Ángel Di María. Oder Mesut Özil. Oder Robinho. Die haben nämlich auch gedacht, sie würden automatisch immer 90 Minuten lang spielen und sich zu Weltfußballer-Kandidaten entwickeln, wenn sie Madrid den Rücken kehren. Das Ergebnis ist bekannt. Deshalb mein kleiner Rat an dich, lieber Mateo: Übe dich in Geduld. Wer den Thron verlässt, kann nicht gewinnen.
Kerry
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