
Probleme schon lange da, nicht erst seit CR7-Abgang
Das Spiel gegen Villarreal ist jetzt fast 24 Stunden her, und ich bin noch immer verwirrt. Ich werde einfach nicht schlau daraus, was mit den Königlichen passiert ist. Nicht erst seit diesem Spiel, nicht erst seit dieser Saison.
Es sind nicht nur die Abgänge von Cristiano Ronaldo und Zinédine Zidane, die dafür sorgten, dass Real Madrid erst neun von 17 Spieltagen für sich entschied und am Donnerstagabend zum dritten Mal die Punkte teilte. CR7 und „Zizou“ gehören zwar auch zu den Gründen, warum es nicht läuft, aber sie waren noch da, als Madrid von den letzten acht Duellen mit Villarreal nur zwei für sich entschied.
Angstgegner Villarreal? Was war dann mit den bitteren Pleiten gegen Betis (0:1), Girona (1:2), Leganés (1:2) und Espanyol (0:1) in der letzten Saison? Auch mit dem Portugiesen und dem Franzosen wurde Real vor genau einem Jahr als tot erklärt. Noch deutlicher: In sieben der letzten zwölf Saisons sammelte Real in der Hinrunde weniger Punkte als in der Rückrunde. Dazu kommen die diesjährigen Blamagen gegen Éibar (0:3), Sevilla (0:3), Moskau (0:3, 0:1), Alavés (0:1) und und und. Und trotzdem kann man in dieser Hinrunde noch einen Punkt mehr holen als 2017/18 unter dem leicht angezählten Zidane.
Keine Frage: Punktverluste gehören zum Fußball dazu, man kann nicht alles gewinnen, auch Barcelona nicht. Aber solche Punktverluste wie die am Donnerstagabend tun besonders weh, weil Real lange gut mitspielte. Leider nur von Rückstand bis Führung, davor und danach war mal wieder Alibi-Fußball angesagt. Dienst nur nach Vorschrift. Marcelo zurück sprinten? Vázquez nicht eigensinnig denken? Ramos mal seine Mitspieler rügen? Solari mal einen Spieler für eine Nichtleistung bestrafen und auswechseln? Denkste!
Mal verlieren die Blancos trotz 30:5 Chancen wie gegen Betis oder Girona, mal gewinnen sie glücklich gegen einen Underdog wie Huesca (1:0), mal müssen sie sich von einem abstiegsbedrohten Gegner wie Villarreal phasenweise vorführen lassen und können sich fast noch über einen Punkt freuen. Aber woran liegt das?
Ja, ich hatte mir Mariano Díaz‘ Verpflichtung anders vorgestellt, doch ist der 25-Jährige dauerverletzt und kann Karim Benzema nicht entlasten. Ja, ich hatte erwartet, dass Gareth Bale und Marco Asensio den nächsten Schritt tätigen, nachdem sie im Sommer noch mit Wechseln liebäugelten, aber dann nach Ronaldos Abgang die große Chance sahen. Ja, ich hätte Eden Hazard oder Kylian Mbappé auch persönlich nach Madrid gefahren, aber die beiden waren nunmal noch nicht zu haben.
Nur Pérez’ Schuld? Nein!
Die Krise nur an Florentino Pérez festzumachen, das will ich nicht. Er ist und bleibt der zweiterfolgreichste Präsident der Klubgeschichte, der den Millionenschuldenberg abbaute, Klub bezüglich Stadion und Trainingsgelände auf die Zukunft vorbereitete, und schlussendlich einen Kader fand, mit dem man in fünf Jahren vier Mal die Champions League gewann. Sportlich war er nie der cleverste, hatten damals schon Verkäufe von Claude Makélélé oder Fernando Redondo weh getan. Wer weiß, wie viel Chelsea vergangenen Sommer für Hazard verlangte? Und wenn 2017 schon 214 Millionen Euro nicht genug waren, um Mbappé zu locken? Was dann: Panikkäufe tätigen? Man hat eigentlich immer noch einen großen Kader, doch sind die Stars selbst schuld für ihre Lage: Marcelo und Ramos haben schon so viele Gegentore verantwortet, Varane und Modrić erholen sich langsam aus ihrem WM-Loch, Kroos macht selten mehr als er muss, und vorne scheitern „BBA“ Szene um Szene. Natürlich braucht es einen Knipser, natürlich könnten ein, zwei Weltklasse-Leute nicht schaden. Aber jetzt im Winter sind Ausnahmekönner à la Kane oder Neymar wohl nicht zu holen. Und Panikkäufe liegen Pérez und Co. fern, zumal man in Madrid schon oft negative Erfahrung mit Wintertransfers machte, so starteten neben den vielen Julien Fauberts und Lucas Silvas sogar Marcelo und Gonzalo Higuaín mehr als dürftig in Madrid.
Primär kann ich mich mit der Strategie, junge Talente für 3,5 bis 45 Millionen Euro zu verpflichten und auszubilden absolut identifizieren. Isco, Casemiro, Asensio, Vinícius, das klingt durchaus nach einer vielversprechenden Zukunft, sodass man auch mal Fehlgriffe wie Illarramendi, Vallejo oder Silva akzeptieren kann. Aber nur auf diese Strategie setzen, sich seine eigenen Superstars zu schaffen? Bale und Asensio können nicht mal ansatzweise die Lücke füllen, die CR7 hinterließ, Bales Zukunft in Madrid scheint ohnehin so unklar zu sein, wie noch nie, was auch sein Berater erstmals bestätigte.
Ich will wieder ein Team sehen, und zwei Galácticos im Sommer
Die Krise liegt nicht nur an Pérez‘ Politik, nicht nur an den Abgängen von CR7 und Zidane, nicht nur an der mangelnden Einstellung von “satten” Stars wie Marcelo oder Ramos, nicht nur am Abschlusspech und Verletzungen. Es ist wie so oft im Fußball ein bisschen was von allem. Ist die Liga bei sieben Punkten Rückstand und noch 21 zu spielenden Partien schon gelaufen? Natürlich noch nicht, aber wenn man sich Barcelonas Souveränität ansieht, wie Spiele auch von der Bank entschieden werden, wie nach Rückschlägen reagiert wird, dann schwindet auch die Hoffnung von mir als Buntmaler. Und trotzdem: Noch sind die Merengues in allen Wettbewerben dabei! Vielleicht kann Real das Alltagsgeschäft LaLiga einfach nicht mehr – nur vier Meisterschaften in den letzten zwölf Jahren zeigen das -, doch auch lindernde Erinnerungen an das Spitzenspiel-Real in Clásicos und Königsklasse gehen mir langsam abhanden. Deshalb: Florentino und Santiago, tut was!
Einen Spieler, den man im Winter holen kann und der einem sofort hilft, sehe ich auch nicht, aber macht doch mal den Stars Feuer unter ihren Hintern. Ich will mehr Konkurrenzkampf sehen, ich will mehr Kampf auf dem Feld sehen, ich will wieder eine Mannschaft sehen, und Spieler, die stolz darauf sind, dieses Wappen zu verteidigen. So wie Marcos Llorente, Vinícius, Sergio Reguilón und Co.! Das ist alles zwar einfach gesagt und garantiert keine Titel, und doch kann man zumindest mit etwas mehr Wille und Zusammenhalt noch mehr aus solchen Partien rausholen – Villarreal, Éibar und Co. haben das bewiesen. Nach so erfolgreichen Jahren könnte ich auch mal mit einer Saison ohne großen Titel leben – solange das Team wieder lebt.
Und dann kann im Sommer der Generationswechsel voran gehen, und meinetwegen auch einer meiner „Lieblinge“ wie Bale oder Modrić gehen, sofern dann auch mindestens zwei dieser vier Namen kommen: Hazard, Mbappé, Kane, Neymar. Der echte Fußball ist nicht wie in FIFA, und doch hat Pérez nicht nur 2009 agiert wie an der Spielekonsole. Mach’s noch mal, Floren!
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