
„Ich fühlte es in diesem Moment“
MADRID. Fällt in Spanien das Wort „Taconazo“, erinnert sich der Großteil der Madridistas wohl an Guti, als dieser in der Saison 2009/10 mit seiner Hackenvorlage auf Karim Benzema Deportivo La Coruñas Defensive bloßstellte. Doch insbesondere die ältere Generation der königlichen Anhänger wird mit Nachdruck darauf verweisen, dass es da noch ein weiteres „Taconazo“ gab, das aufgrund der Wichtigkeit des damaligen Spiels jenes von Guti ein wenig in den Schatten stellt.
Die Rede ist natürlich von Fernando Redondo, der am 19. April 2000 im Viertelfinal-Rückspiel der Königsklasse gegen Manchester United Gegenspieler Henning Berg an der Außenlinie mit einem Hackentrick narrte und anschließend das vorentscheidende 3:0 (Endstand 3:2) durch Raúl vorbereitete und somit letztendlich den Weg ins Halbfinale ebnete. Ohne Frage eines der schönsten (und wichtigsten) Tore der Klubgeschichte. Redondos Erinnerungen an jene legendäre Szene muten da fast schon ein wenig unprätentiös an: „Ich hatte das bereits in der Jugend ein paar mal getan, aber niemals in der ersten Liga, vielleicht im Training. Das war pure Inspiration, ich fühlte es in diesem Moment. Man konnte ja sehen, dass ich innerhalb von Millisekunden entschieden habe, oder?“
Ob dieser Moment genauso viel Aufmerksamkeit erzeugt hätte, wenn Raúl den Ball anschließend nicht im Tor versenkt hätte? Vermutlich nicht: „Natürlich ist eine Aktion weitaus bedeutender, wenn sie mit einem Tor endet. Es kommt aber noch dazu, dass es in der Champions League war und gegen den amtierenden Champion, der zuvor lange nicht verloren hatte. Noch wichtiger als mein Hackentrick war allerdings, dass ich mir diese kurze Pause genommen, meinen Kopf gehoben habe, um Raúl zu sehen, der nur noch einschieben musste. Es war Viertelfinale, wir hatten 0:0 in Madrid gespielt und gewannen in Manchester schließlich 3:2 und warfen sie raus. Als wir in die Kabinen gingen, applaudierten uns die Leute. Wenn Fußball so verstanden wird, ist das wunderschön.“
„Kratzte an meiner Selbstachtung, dass sie mich verkaufen wollten“
Und obwohl Redondo am Ende der Spielzeit 1999/00 gemeinsam mit seinen Kollegen “la Octava”, Reals achten Europapokal in die Höhe stemmen konnte und die wohl prägendste Figur im Spieler der Blancos darstellte, musste er am Ende gehen. Sowohl für Spieler als auch Fans ein überraschender Schritt. Im neuen “Galáctico”-Konzept von Neu-Präsident Florentino Pérez fand sich für den damals 31-jährigen defensiven Mittelfeldakteur jedoch keine Verwendung mehr.
Ob seine Unterstützung für Pérez-Konkurrent Lorenzo Sanz ihm letztlich seinen Platz im Madrider Star-Ensemble kostete? „Das glaube ich nicht. Florentino hatte sich dem Vorhaben verschrieben, zur kommenden Saison Luis Figo zu verpflichten, der viel Geld kostete, und Milan bot drei Millionen Peseten (umgerechnet ca. 18 Millionen Euro; d. Red.). Das war eine Menge Geld für einen 31-jährigen Fußballer. Mit Florentino kam auch ‘Pirri’ als technischer Direktor und er teilte mir mit, dass es ein Angebot von Milan gäbe und der Klub bereit wäre, es zu akzeptieren. Kurz zuvor wollte mich bereits Inter kaufen, doch da antwortete Real noch, dass dies unmöglich sei.“
Dass man ihn trotz starker Saison ziehen lassen wollte, setzte dem Argentinier mental dennoch enorm zu, wie er unumwunden zugibt. Am Ende konnte er sich mit dem neuen Abenteuer in Mailand jedoch ganz gut arrangieren: „Um ehrlich zu sein, kratzte es an meiner Selbstachtung, dass sie mich verkaufen wollten. Auf der anderen Seite war es Milan und dann war da Berlusconi, der mich auf meinem Handy anrief, dass ich gehen solle. In Madrid hatte ich alles gegeben, neben weiteren Titeln zwei Champions-League-Titel und zwei Meisterschaften gewonnen. Die Trainer wählten mich in jener Saison zum besten Spieler der Champions League und ich wusste, dass mir hier niemand meinen Platz streitig machen würde. In diesem Sinne war Milan auch für mich eine Herausforderung.“
„Bin nicht in der Position, um Pérez’ Entscheidungen zu kritisieren“
Groll gegen Pérez hegt Redondo wegen seines Abgangs keinen. Oder er lässt ihn sich zumindest nicht anmerken. Was die Verdienste des Präsidenten rund um den Verein angeht, hebt der 49-Jährige vor allem die wirtschaftlichen Errungenschaften sowie die infrastrukturelle Restrukturierung des Klubs hervor: „Die Modernisierung des Stadions muss man ihm hoch anrechnen. Die Ciudad Deportiva (das Trainingsgelände in Valdebebas) ist ein Vorbild für die ganze Welt, und da lasse ich die Verhandlungen rund um den Verkauf des alten Trainingsgeländes noch außen vor. Ich würde auch die Intention hervorheben, die besten Spieler der Welt nach Madrid zu holen. Er hat alles gewonnen, vier der letzten fünf Champions-League-Titel, was nicht einfach ist.“
„Zidane erinnert mich an Del Bosque“
Von einem neuerlichen Aufwärtstrend unter Zinédine Zidane ist Redondo hingegen felsenfest überzeugt. „Zizou“ könne alleine durch seine unglaubliche Aura jede Menge bewirken: „Zidane erinnert mich an Del Bosque. Bei Real haben wir zwar nicht zusammengespielt, dafür aber bei einigen Legenden-Spielen und er hat eine sehr starke Persönlichkeit. Zidanes Schweigen vermittelt etwas. Sein Blick vermittelt etwas. Ich bin einer derjenigen, der glaubt, dass es Trainer für bestimmte Mannschaften gibt und keine magische Formel dahinter steckt. Ich weiß zwar nicht, wie viel Zidane spricht, aber sein Wirken ist offensichtlich sehr wichtig. Und das weiß ich sehr wohl, weil Del Bosque es mal verraten hat: Als er noch Real trainierte, konnte ein Blick von Zidane eine Situation komplett umkehren. Und ich denke, dass diese Qualität als Trainer besonders gefragt ist.“
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