Interview

Varane blickt auf Saison zurück: „Kabine hätte explodieren können“

Hinter Raphaël Varane und Real Madrid liegt eine rabenschwarze Saison. Der Innenverteidiger spricht erstmals offen über die Gründe für das individuelle und kollektive Versagen. Sowohl Paul Pogba als auch Eden Hazard heißt er willkommen.

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Real Madrid's French defender Raphael Varane reacts at the end of the Spanish league football match between Real Madrid CF and FC Barcelona at the Santiago Bernabeu stadium in Madrid on March 2, 2019. (Photo by JAVIER SORIANO / AFP) (Photo credit should read JAVIER SORIANO/AFP/Getty Images)
Varane steht seit 2011 für Real Madrid unter Vertrag – Foto: Javier Soriano/Getty Images

Das eigene Versagen spornt jetzt an

MADRID. Einmal und nie wieder: Das ist der Gedanke, der nach dem Ende einer völlig missratenen Saison durch die Köpfe der Stars von Real Madrid geht. So sehr sie der riesige Erfolg der vergangenen Jahre augenscheinlich satt gemacht hatte, so sehr motiviert sie mit Blick auf die Zukunft jetzt ihr eigenes Versagen. Für Raphaël Varane ist das Katastrophen-Jahr ein Grund, bei den Königlichen zu bleiben. „Nach so einer enttäuschenden Saison zu gehen, wäre traurig. Das wünsche ich mir nicht. Es wäre sehr hässlich. Ich werde bleiben“, gab er in einem Interview mit der spanischen Sportzeitung MARCA zu verstehen.

REAL TOTAL liefert die wichtigsten Aussagen des 26 Jahre alten Innenverteidigers.

„Wir können uns ins Gesicht schauen – keine Scham“

RAPHAËL VARANE über…

…die enttäuschende Saison 2018/19: „Es war eine sehr schwere Saison, vor allem in mentaler Hinsicht. Aber es gibt immer auch positive Dinge. In solchen Momenten sieht man den Charakter und die wahre Männlichkeit, weil sich niemand verstecken kann. Wir kennen uns nach solchen Dinge besser. Die Kabine ist nicht explodiert, obwohl sie hätte explodieren können. Das ist positiv, genauso wie die Rückkehr von (Zinédine) Zidane. Selbst aus so einer Saison gibt es etwas Positives mitzunehmen.“

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Momente einer Debakel-Saison

Keine großen Titel, dafür drei Trainer, etliche Enttäuschungen und jähes Versagen: Real Madrid... weiterlesen

…die nach den vielen Erfolgen womöglich zu große Gelassenheit, zur Debakel-Saison führte: „Ich glaube nicht, dass wir uns ausgeruht haben. Es gibt viele Gründe, aber das ist kein Grund. Wir können im Weltfußball nicht immer ganz oben stehen. Es ist unmöglich, zehn Champions-League-Titel zu gewinnen. Es sind Zyklen. Immer zu gewinnen, ist unmöglich, weil irgendwann auch schwere Momente kommen. Zudem bestreiten wir schon seit vielen Jahren mehr Partien als die anderen. Alle wollen gegen Real Madrid gewinnen, weil das der Gegner ist, den es zu schlagen gilt. Alle erwarten uns und das wirkt sich dann sowohl mental als auch körperlich aus. Es kommt die Rechnung für die Anstrengung, die zum Erfolg führte. Es musste passieren und es ist passiert. Es ist nur menschlich. Meiner Meinung nach können wir uns keinen Vorwurf machen, was den Kampf und Einsatz betrifft. In der entscheidenden Woche gegen Barça im Pokal und Ajax haben wir alles gegeben. Wir können uns alle in unsere Gesichter schauen. Wenn wir den Fans begegnen, verspüren wir keine Scham, weil wir alles gegeben haben. Wir waren nicht in der idealen Form, haben aber zumindest gekämpft.“

…die Woche, in der Real gegen den FC Barcelona und Ajax alle Titel verspielte: „Wir haben uns in der Kabine darüber unterhalten. Es war für alle die härteste Woche in ihren Karrieren. Es gibt Spiele dieser Saison, die man sich noch einmal ansieht und dann sagt man sich: Es ist unglaublich, dass wir sie verloren haben. Aber das muss man aushalten.“

…den Glauben an eine Sieger-Mannschaft ohne Cristiano Ronaldo: „Ja, sicher. Wir waren ja auch sehr gut in die Saison gekommen. Manchmal spielten wir sogar besser als in der Saison zuvor. Die Ergebnisse stimmten aber einfach nicht. Das Negative hat noch mehr Negatives erzeugt und so lief es dann über die gesamte Saison.“

Varane über Horror-Saison: „Wichtige Erfahrung“

…vermeintlich fehlenden Respekt vor dem Team: „Nun, wir sind hier bei Real Madrid. Ich sage den jungen Spielern, die zu uns kommen: ‚Bereite dich vor, denn ein Tag wird sehr schön und der andere der schlimmste.‘ Wir hören Dinge, die so weit von der Realität entfernt sind, dass du sogar darüber lachst. Dass eine Mannschaft, die dreimal die Champions League gewann, unfassbar schlecht sei. Du hörst nicht darauf, denn wir üben für uns selbst und im Kollektiv Selbstkritik. Die starke Psyche, die man bei Real Madrid als Spieler braucht, sieht man auch in solchen Spielzeiten. Die Erfahrung, die man dabei mitnimmt, ist wichtig. Damit das Schiff nicht sinkt, braucht man Erfahrung. Wir kennen jetzt unsere Fehler, die wir nicht wiederholen dürfen. Ich denke, das macht uns stärker und ich hoffe, wir lernen daraus.“

…Julen Lopetegui und Santiago Solari, die beide im Laufe der Saison entlassen wurden: „Ich habe auf menschlicher Ebene gute Erinnerungen an sie. Solari kam in einer schweren Zeit und Lopetegui hatte kein Glück mit den Ergebnissen. Aber wir haben unter ihm sehr gut gearbeitet. Ich habe von beiden gelernt.“

„Zidanes Real Madrid wird sich sehr verändern“

…Zinédine Zidanes Rückkehr nach zehn Monaten: „Uns überraschte sein Abgang. Aber wir hatten die Gründe verstanden. Ich denke, dass seine Rückkehr für den Klub die beste Option war. Es sagt auch viel über den Charakter des Trainers aus, über seine Lust, etwas zu erreichen. Wenn du drei Champions-League-Titel gewinnst und das dann mit einer Rückkehr aufs Spiel setzt, weil du das nicht toppen kannst – das sagt viel über seine Persönlichkeit aus. Sein Real Madrid wird sich jetzt natürlich sehr verändern. Wir müssen uns alle wiederherstellen, dafür ist er wieder da. Wir vertrauen seinem Projekt. Er hat sehr klare Vorstellungen und ist mit viel Entschlossenheit zurückgekehrt. Wir müssen uns weiterentwickeln. Und um einen neuen Zyklus zu beginnen, muss man Veränderungen vornehmen. Das ist klar.“

Real Madrid's French coach Zinedine Zidane talks to Real Madrid's French defender Raphael Varane during the Spanish league football match between Real Madrid CF and RC Celta de Vigo at the Santiago Bernabeu stadium in Madrid on March 16, 2019. (Photo by GABRIEL BOUYS / AFP) (Photo credit should read GABRIEL BOUYS/AFP/Getty Images)
Zidane unterstützte Real 2011 dabei, den damals 18-jährigen Varane nach Madrid zu holen – Foto: Gabriel Bouys/AFP/Getty Images

…seine Form in der Saison: „Ich habe mich zu Beginn schwer getan. Bis zu meiner Verletzung gegen Barça in der Hinrunde war ich nicht ich selbst. Ich fühlte mich nicht gut. Ich hatte keine Zeit zum Pausieren, keine Zeit, um die Saison vorzubereiten. Wir Franzosen wurden von den Weltmeistern von 1998 davor gewarnt, dass es nach dem Titelgewinn für uns schwer wird. Ich weiß, dass es nicht meine beste Saison war.“

…die Frage, ob es für ihn noch Herausforderungen gibt: „Natürlich, ich bin ja noch sehr jung. Ich glaube, dass ich in einem Alter bin, in dem sich die Jugendlichkeit und die Erfahrung treffen. Und ich hoffe, dass man in der nächsten Saison den besten Varane jemals sieht – im Trikot von Madrid. Ich werde jetzt eine Pause einlegen, die ich lange nicht gehabt habe. Und dann werde ich eine komplette Vorbereitungsphase mitmachen. ‚Zizou‘ ist ein Trainer, der mich noch besser machen kann.“

„Leute sagten mir, ich müsse mich besser verkaufen“

…sein Standing: „Ich besitze bereits Verantwortung. Ich bin der vierte Kapitän und seit acht Jahren hier. Meine Art und Weise muss ich nicht verändern. Ich gebe jungen Spielern Ratschläge und habe keine Angst davor, Verantwortung und die Rolle zu übernehmen, die der Trainer oder der Klub mir gibt. Ich bin bei einem großen Verein wichtig.“

…den verpassten Ballon d‘Or 2018: „Ich hatte keine Erwartungen, um ehrlich zu sein. Für mich waren die Aussagen all der Leute, die eine Menge Ahnung vom Fußball haben, der Lohn. Für mich ist das fast schon mehr wert als der Titel, nach dem dich dann alle kritisieren. Ich freue mich sehr für Luka (Modrić), er verdiente es sich. Viele Leute sagten mir: ‚Du musst medial mehr in Erscheinung treten, du musst dich öffentlich besser verkaufen.‘ Aber so bin ich nicht. Ich werde mich nicht verändern, nur damit ich diesen Preis gewinne. Wenn die Leute meinen, ich verdiene mir die Auszeichnung und ich sie dann auch erhalte, wäre das eine Freude. Aber ich werde mich abseits des Platzes zu keinen zusätzlichen Anstrengungen hinreißen lassen. Das hat für mich keinen Sinn.“

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Varane: Pogba und Hazard in Madrid willkommen

…Landsmann Paul Pogba, der als potentielle Mittelfeld-Verstärkung gilt: „Was ich mit ihm bespreche, kann ich nicht preisgeben. Aber jeder große Spieler hat in Madrid einen Platz. Und er ist ein großer Spieler. In Madrid herrscht ein großer Konkurrenzkampf. Es herrscht viel Wirbel. Wir werden im August sehen, wo er ist.“

…Eden Hazard, der vor einem Real-Wechsel steht: „Er ist ein Top-Spieler und auch er kann bei Real Madrid spielen. Er erlebt mit Blick auf sein Alter und seine Qualität den besten Moment seiner Karriere.“

…die starke Verfassung von Karim Benzema: „Man muss sehr gut und mental enorm stark sein, um zehn Jahre lang bei Real Madrid zu spielen – und das auch noch als Stürmer. Er besitzt viel Talent und weiß, was er tun muss, um in Top-Form zu sein. Seine Saison war sehr gut, vielleicht die beste seiner Karriere. Ich habe festgestellt, dass er sich in der Rolle als Leader des Angriffs sehr wohlfühlt. Ich freue mich sehr für ihn.“

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von
Filip Knopp

Begleitet den Mythos Real Madrid als Fan seit der Ära der „Galácticos“ und journalistisch bei REAL TOTAL seit Mitte 2011. Erfahrungen auch bei SPORT1 und SPOX, zudem Autor von »111 GRÜNDE, REAL MADRID ZU LIEBEN«.

Kommentare
Schönes und unberfälschtes Interview von einem unserer wertvollsten Spieler für die Mannschaft. Bin sehr sehr froh dass er verlängert. Er wird sicher auch mit Militao harmonieren. Vamos REAL!
 
Schon interessant , dass einer der ruhigeren Spieler die klarsten Aussagen macht .
Zeigt , dass er sich als Schlüsselspieler von Real Madrid identifiziert und die Herausforderungen ganz bewusst annimmt . Respekt .
 
Die Saison 18/19 vielleicht zu halbherzig analysiert, dennoch sehr gutes Interview.
 
Raffi bester Mann.
 
Varane ist unsere Zukunft. Um ehrlich zu sein, bin ich dennoch enttäuscht, von den Aussagen unserer Spieler und Verantwortlichen. Alle wirken entspannt als wäre eigentlich alles in bester Ordnung. Dabei war die Saison eine Vollkatastrophe. Noch schlimmer, wir sind 2 Jahre in Folge, mit mehr als 15 Punkten Rückstand auf Platz 1, abgeschlagen 3. geworden. Von den jährlichen Demütigungen im Clasico ganz zu schweigen. Wenn wir wirklich eine reelle Chance auf die Meisterschaft haben wollen, dann muss jeder einzelne Spieler komplett brennen, so hart arbeiten wie noch nie in seiner Karriere und über die Schmerzgrenze hinaus gehen. Das sehe ich einfach überhaupt nicht. Sorry, aber die meisten im Club haben wegen der CL-Titel die Realität aus den Augen verloren und das sind 2 Meisterschaften in 10 Jahren.
 

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