
Seine Real-Karriere hat sich Thibaut Courtois sicherlich ganz anders vorgestellt. Seit seiner Rückkehr nach Spanien im vergangenen Sommer steht der Belgier dauerhaft in der Kritik – nicht nur aufgrund seiner Vergangenheit beim ungeliebten Stadtrivalen.
Auch aus sportlicher Sicht wollten viele Madridistas einen solch verdienten Spieler wie Keylor Navas nicht auf der Bank sehen. Immerhin stehen die Königlichen stets zu jenen Schlussmännern, wenn diese denn Leistungen zeigen und zum Verein stehen.
Doch wirkliche Kontinuität hat Real lange nicht mehr auf der Torhüterposition. Genauer genommen seit dem 24. Januar 2013. Datenfetischisten werden wissen, was an diesem Tag passiert ist: Iker Casillas brach sich die Hand und damit begann das Torhüter-Karussell.
Seither hüteten vier verschiedene Keeper das Madrider Tor. Da sind Luca Zidane und Neuzugang Alphonse Areola aufgrund der bisher wenigen Einsätze nicht eingeschlossen.
Den nicht immer sattelfesten, in entscheidenden Momenten aber verlässlichen Navas sollte Courtois ersetzen. Seine Bilanz in der vergangenen Saison? 35 Einsätze, 48 Gegentore.
Auch in diesem Jahr sieht es nicht besser aus: In bisher neun Partien holte der Belgier zwölf Mal den Ball aus dem Netz. Noch viel alarmierender: Courtois wehrte in dieser Saison gerade einmal elf Schüsse ab.
Von verschiedenen Seiten wird er daher in Frage gestellt und zum Teil scharf kritisiert. Dabei wird aber vielfach nicht auf die Umstände eingegangen. Es wirkt fast so, als würde man sich nur die (wenigen) Zahlen Courtois‘ anschauen und ihn anhand dessen bewerten.
Das ist so natürlich quatsch. Was bei Feldspielern schon eine sehr fragwürdige Art der Bewertung ist, ist bei Torhütern eine nochmal unpräzisere Prozedur. Es sollte viel mehr auf konkrete Fehler eingegangen werden, die gemacht wurden und diese hinterfragt werden.
Dazu zwei konkrete Beispiele, die im Trikot der Königlichen zu Gegentreffern führten.
Haargenau das gleiche Problem hat #Courtois nicht erst seit gestern. Er neigt sehr oft zu diesem “negative step”, wodurch er manche seitliche Schüsse nicht mehr erreicht. Diesen Fehler hat er u.a. schon gegen #PSG gemacht: (https://t.co/lL5k9gYxbM) pic.twitter.com/vKs26TjKph
— Sascha (@SaschaFltr) 21. Oktober 2019
Der belgische Schlussmann hat eine signifikante Schwäche bei seitlichen Schüssen. Hauptgrund dafür ist sein suboptimaler Stand bei Schüssen. Courtois hat seine Füße über Hüftbreite auseinanderstehen, seine Körperform erinnert an ein „A“.
Dadurch ist er zwar bei Schüssen auf den Mann stabiler und hat eine gute Voraussetzung diese zu fangen. Problematisch wird es aber bei angesprochenen seitlichen Schüssen.
Hier kann er aus mittellangen Distanzen keinen Zwischenschritt mehr einbauen, da er sonst zu spät abspringen würde. Die Folge: Er drückt sich nicht mit dem ballnahen Bein ab und macht auch keinen aktiven Schritt in Sprungrichtung.
Er macht einen „negative step“ und beraubt sich damit effektiv an gut einem halben Meter Reichweite. Wenn man an den Treffer gegen Mallorca und das 0:3 gegen Paris denkt, wird man das Gefühl nicht los, dass diese Bälle nicht unhaltbar waren.
Auch im Eins-gegen-Eins mit dem Stürmer, quasi der Königsdisziplin für Torhüter, machte Courtois nicht immer den sichersten Eindruck. Auch wenn es vermessen wäre, selbst von einem eigentlich so starken Keeper wie Courtois zu verlangen, jedes Stürmerduell für sich zu entscheiden, muss Kritik an der Ausführung getätigt werden.
Wenn man als Torhüter den Angreifer so lange wie möglich unter Druck setzen und ihm die Möglichkeiten zum Einschuss nehmen will, muss man vor allem lange „groß bleiben“. Sprich: Nicht zu früh spekulieren oder eine Seite anbieten.
Noch viel wichtiger ist aber, dass der Torhüter nicht auf dem ganzen Fuß steht, sondern sein Körpergewicht leicht nach vorn verlagert. Macht er das nämlich nicht und steht auf der Hacke, setzt er sich bei einem kleinen Wackler auf den Hosenboden und der Stürmer geht vorbei.
Der Real-Keeper geht hier mitunter zu früh herunter und beraubt sich selbst an Körpergröße. Schaut man auf die Kollegen im Camp Nou oder dem Wanda Metropolitano, ist ein deutlicher Qualitätsunterschied zu erkennen.
Courtois macht diese Art von Fehlern schon länger. Bei seitlichen Schüssen ist er enorm Fehleranfällig, weil es ihm augenscheinlich an der richtigen Ausführung mangelt. Man macht es sich leicht, hier einfach den Spieler zu kritisieren. Welche Rolle Torwarttrainer Roberto Vázquez hierbei spielt, wird hingegen nicht hinterfragt.
Es müsste hierbei eine klare interne Analyse der Fehler geben. Courtois tätigte einige solcher Fehler in der Vergangenheit – bei formschwachen Feldspielern wird in der Regel auch der Trainer kritisiert, der den Spieler zum Beispiel nicht richtig einsetzt.
Von jeglicher Schuld absprechen kann man den 27-Jährigen aber nicht. Er wirkt keineswegs wie ein gefestigter Schlussmann, der seinem Team auch mal den Allerwertesten rettet, wie es Keylor Navas mitunter in der Champions League schaffte.
In seinen fast 50 Partien für Königlichen schaffte Courtois es erst zwölf Mal seinen Kasten sauber zu halten.
Sicherlich sind die Umstände, unter denen er zu Real kam, maximal unglücklich. Das Team hatte eine katastrophale Saison hinter sich, er selbst fiel nach der WM 2018 in ein Loch.
Das alles muss man bei der Bewertung, die durchaus kritisch sein darf, mit einbeziehen. Das Torhüterspiel lebt wie kaum ein anderes vom Glück und dem Zufall.
Gerade, wenn ein Keeper mal eine schlechte Phase durchläuft oder aus einer Verletzung kommt, braucht er eine sichere Defensive vor sich, die ihm selbst auch Sicherheit gibt.
Man denke nur an eingangs erwähnten Iker Casillas; dieser war nach seiner Verletzung im Januar 2013 auch nicht mehr derselbe wie vorher und litt oft unter einer mäßigen Vordermannschaft.

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