
Der stille Gewinner der letzten Wochen
MADRID. Toni Kroos und Carlos Casemiro? Nach der verkorksten letzten Spielzeit wie ausgewechselt und ohne Frage die bis dato besten Real-Akteure in dieser Saison. Isco? Urplötzlich aus der vermeintlichen Versenkung wieder aufgetaucht und – auch in Anbetracht der mal wieder angespannten Personalsituation in der Offensive – auf dem besten Weg zurück in die Stammelf. Marcelo? Auch der Brasilianer scheint langsam aber sicher seine Spielfreude wieder zu finden und erinnert an den Marcelo, der in den vergangenen Jahren die Fußballwelt in pure Extase versetzte. Die Liste der vermeintlichen Wiederauferstehungen in Real Madrids Kader unter der Führung von Zinédine Zidane ist lang, dennoch läuft ein Name in den letzten Wochen unter dem Radar: Denn auch Rechtsverteidiger Daniel Carvajal befindet sich seit geraumer Zeit auf dem aufsteigenden Ast und scheint zumindest phasenweise wieder an das Niveau heranreichen zu können, das ihm in der Spielzeit 2016/17 das Prädikat „bester Rechtsverteidiger der Welt“ einbrachte.
Dass „Carvas“ merklicher Aufschwung zwischen all den anderen Personalien möglicherweise ein wenig unterging, mag auch daran liegen, dass der Canterano – anders als beispielsweise Kroos oder Casemiro – einen eher durchwachsenen Saisonstart hinlegte. Tatsächlich weckten die Auftritte zu Beginn der Spielzeit vorrangig schlechte Erinnerungen an die letzten beiden Jahre, in denen „Daniel Düsentrieb“, wie er aufgrund seines Antritts und seiner hohen Endgeschwindigkeit gerufen wird, nie so richtig in Schwung kam.
Raus aus dem Leistungstief
Seit im Oktober 2017 beim spanischen Nationalspieler eine Herzbeutelentzündung diagnostiziert wurde und er zu einer eineinhalb monatigen Pause gezwungen war, befand sich Carvajal permanent auf der Suche nach seiner Form. Imponierte das Madrider Eigengewächs vor seiner Erkrankung durch perfekt getimete Tempoläufe in die Tiefe, ein schier unmenschliches Laufpensum, taktisches Geschick, eine rigorose Zweikampfführung sowie sein gefürchtetes Flankenspiel, schien ihm nach seiner Leidenszeit Vieles von dem, was ihn auszeichnete, komplett abhanden gekommen zu sein. Im Spiel nach vorne agierte Carvajal fortan erschreckend ineffektiv, traf viele falsche Entscheidungen, setzte viele Flanken ins Niemandsland. Gegen den Ball wirkte die Nummer 2 oft übermotiviert, agierte taktisch oft kopflos und legte ein ungewohnt schwaches Stellungsspiel an den Tag.
Daran änderte sich zum Start der Saison zunächst auch wenig – die ersten Partien der neuen Spielzeit fielen vorrangig in die Kategorie „fahrig und durchwachsen“. Doch wie schon bei Kroos oder seinem Pendant auf der linken Seite, Marcelo, scheint Zidane mittlerweile die richtigen Hebel in Bewegung gesetzt zu haben. Die Formkurve beim gebürtigen Madrilenen zeigt steil nach oben, Carvajal agiert auf dem Platz endlich wieder mit jener Dynamik und Selbstverständlichkeit, die ihn insbesondere 2016/17 auszeichneten. Vor allem offensiv läuft es beim 27-Jährigen wieder richtig rund: Neben dem Siegtreffer gegen Alavás (2:1) vor einer Woche steuerte er in 17 Pflichtspielen schon starke fünf Assists bei – zweitbester Team-Wert hinter Karim Benzema (sieben). Ob er seinen persönlichen Rekord von zwölf Torvorlagen aus 2016/17 einstellen kann? Unmöglich scheint dies nicht, doch Priorität hat jetzt erst einmal, die guten Leistungen wieder konstant zu bestätigen.
Odriozola erzeugt kaum Druck – Hakimi in Lauerstellung
Ein mögliches Problem in dieser Hinsicht: Carvajal verspürt kaum Druck auf seiner Position. Konkurrent Álvaro Odriozola zeigt auch im zweiten Jahr an der Concha Espina bislang nur sporadisch gute Ansätze, schaffte es in den letzten Wochen kaum einmal in den Spieltagskader. Verheizen sollte Zidane seinen Stamm-Rechtsverteidiger allerdings auch nicht, schließlich ist Carvajal (leider) sehr anfällig, was muskuläre Verletzungen betrifft.
Kann Zidane Carvajal wieder zu Höchstleistungen treiben?
Für den Moment ist dies allerdings natürlich nur Zukunftsmusik. Denn wie sagt Zidane immer so schön: „Ya nos queda mucho de la temporada (Die Saison ist noch lang genug).“ Natürlich wird es auch die Aufgabe des französischen Cheftrainers sein, die Einsätze seines Rechtsverteidigers entsprechend zu dosieren. Andererseits gilt es an dieser Stelle auch hervorzuheben, dass es Zidane (mal wieder) gelungen ist, einen strauchelnden Spieler zu stabilisieren. Ob Carvajal nun im nächsten Schritt endgültig wieder in leistungstechnische Sphären der Spielzeit 2016/17 vorstoßen und beispielsweise einem Trent-Alexander Arnold den Titel als bester Rechtsverteidiger der Welt wieder streitig machen kann? Mit „Zizous“ Hilfe scheint dies jedenfalls nicht undenkbar.
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