
Binnen 79 Sekunden: Zwei Fouls bleiben ungeahndet
BARCELONA. Kann man von einem Gewinner und einem Verlierer sprechen, wenn sich zwei Mannschaften mit einem Unentschieden trennen? Wenn ja, dann war Real Madrid am Mittwoch nach dem 0:0 gegen den FC Barcelona wohl zweifellos der Gewinner – zugleich jedoch irgendwie auch der Verlierer. Mag nach einem Widerspruch klingen, ist aber keiner.
Die Königlichen kontrollierten die Begegnung im Camp Nou über weite Strecken, agierten hochkonzentriert, machten Barça das Leben mit einem oft hohen Pressing schwer. Doch es schien, als würde ihnen an diesem Abend mit dem Schiedsrichtergespann um Alejandro José Hernández Hernández ein zweiter Kontrahent gegenüberstehen.
In der ersten Halbzeit verwehrte der 37-Jährige den Gästen binnen nur 79 Sekunden zwei Elfmeter. Beide Male wurde Raphaël Varane alles andere als legal bearbeitet. Erst hinterließ Clément Lenglet Stollenabdrücke auf seinem rechten Oberschenkel, dann zog Ivan Rakitić ihn bei einer Ecke ganz klar am Trikot. Dass der Hauptschiedsrichter zunächst weiterlaufen lässt, ist beim Fußball der heutigen Zeit kein Drama mehr. Immerhin gibt es anno 2019 ja den Videoassistenten, mit dessen Hilfe Fehlentscheidungen korrigiert werden können. Aber der griff kein einziges Mal ein. Und das im größten Fußballspiel der Welt.
Ex-LaLiga-Schiedsrichter äußern Kritik
„Es ist zunächst wegen gefährlichen Spiels ein klarer Elfmeter. Danach handelt es sich um einen ununterbrochenen Griff an das Trikot. Auch das ist ein Elfmeter“, betont mit Eduardo Iturralde González (52) ein ehemaliger FIFA-Referee, der einst 281 LaLiga-Partien geleitet hatte. Juan Andújar Oliver (71), ebenfalls ein Ex-Unparteiischer im spanischen Oberhaus (121 Einsätze), geht damit konform: „Wo ist hier der VAR?“
Var er an diesem Abend überhaupt im Einsatz, fragen sich nach dem torlosen Clásico nicht wenige Beobachter argwöhnisch. Medial ist zuweilen von einer Schande, von einem Skandal die Rede, dass Zidanes Team auf solche eine Art und Weise beraubt worden sei.
Real widmet elfmeterwürdigen Fouls eigenen Bericht
Auch Real selbst hat sein Entsetzen geäußert. Auf der Website des Klubs tauchte neben der üblichen Berichterstattung plötzlich ein Artikel auf, den man dort so oder so ähnlich eigentlich nie zu sehen bekommt. Real widmete den beiden elfmeterwürdigen Fouls einen eigenen Artikel. Überschrift: „Weder der Schiedsrichter noch der VAR sahen zwei elfmeterwürdige Fouls an Varane.“ Dazu drei Screenshots und ein Video zu den Zweikämpfen, die zudem nach dem Spiel bei Realmadrid TV rauf und runter abgespielt und von kritischen Kommentaren gegenüber Hernández Hernández begleitet wurden.

„Beunruhigend, dass der VAR verflixt noch mal nicht eingreift“
Emilio Butragueño fand in den Katakomben des Camp Nou derweil deutliche Worte. „Man weiß, dass wir Befürworter des VAR sind. Die Technologie muss dem Schiedsrichter helfen, weil es unmöglich ist, dass er alles sieht. Es ist beunruhigend, dass der VAR verflixt noch mal nicht eingegriffen hat. Er muss da eingreifen, es sind zwei ganz klare Szenen. Dass die Technologie nicht genutzt wird, ist schwer zu verstehen. Das ist für alle sehr beunruhigend“, echauffierte sich der sonst so besonnene Direktor für institutionelle Beziehungen.
Aber das tat er auch nicht zum ersten Mal. Erst Anfang November hatte er sich im Namen Reals nach dem 0:0 im Estadio Santiago Bernabéu gegen Betis Sevilla darüber beschwert, dass „ein klares Handspiel“ im Strafraum der Andalusier keine Konsequenzen hatte: „Um ehrlich zu sein. Es fällt uns schwer, das zu verstehen.“
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Wiederum zuvor waren in dieser Saison beim 2:2 gegen den FC Villarreal ein vermeintliches Foul im Strafraum an Vinícius Júnior sowie bei der 0:1-Niederlage gegen RCD Mallorca ein Ziehen am Trikot von Brahim Díaz jeweils nicht einmal überprüft worden. So wie jetzt im Camp Nou. Reals Frust wächst. Der Schiedsrichter müsse sich doch „nur 30 Sekunden Zeit nehmen“, so Carlos Casemiro. In der Kabine soll es laut dem spanischen Journalisten Edu Aguirre im Anschluss an die starke Performance gegen das weiterhin punktgleiche Barça geheißen haben: „Sie haben uns heute nicht gewinnen lassen.“ So klingen Spieler, die sich irgendwie als Sieger, aber im selben Moment auch als Verlierer fühlen.
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