
Normal kann das Leben als Kind eines hochdekorierten Weltfußballers, Welt- und Europameisters, mehrfachen Champions-League-Siegers – das sowohl als Spieler und als Trainer – nicht sein. Zinédine Zidane hat gleich vier Kinder mit seiner Gattin Véronique und wie es der Fußballgott wahrscheinlich wollte, allesamt männlichen Geschlechts sowie umtriebig im Fußballgeschäft unterwegs: Enzo und Luca sind Profis, Theo und Elyaz noch in Reals Jugend.
Durch die Erbanlagen sind gute Voraussetzungen für erfolgreiche Karrieren geschaffen, der berühmte Familienname kann jedoch schnell zu einer Belastung werden. Auch “Zizou” selbst sorgt sich um seine Kinder, wie er im kürzlich erschienenen Buch “Zidane” vom französischen Journalisten Frédéric Hermel zitiert wird: “Sie haben kein Leben wie die anderen. Ich habe Angst, dass sie kleine Idioten werden.” Der 47-Jährige wolle nicht, “dass Reichtum und alles, was ich darstelle, alles, was um mich herum passiert, sie in die Irre führt.” Vielmehr möchte er, dass “sie gute Menschen sind.” Bodenständige Werte, die der Franzose seinen Söhnen da mitgeben möchte – mit Erfolg?
Enzo: Bereits jetzt gescheitert?
“Wenn ich Enzo zuschaue, dann sehe ich mich”, sagte Zinédine über seinen mit 25 Jahren ältesten Sohn, welcher schon seit einer Weile im Profifußball agiert – soweit so gut. Der am 24. März 1995 in Bordeaux geborene Offensivmann wird allerdings von einigen Experten als gescheitertes Talent abgestempelt, obwohl er unter seinem Vater als Trainer oft bei den Profis bei Real Madrid mitwirkte, zu einem Einsatz im Pokal kam und beim Champions-League-Triumph 2017 als “Jugend-Gast” dabei war. Um Spielpraxis zu sammeln, vereinbarte man im Anschluss ein Leihgeschäft mit Deportivo Alavés, welches nach lediglich vier kurzen Einsätzen im Winter ein jähes Ende nahm.
Beim FC Lausanne-Sport sollte der damals 23-Jährige die Ruhe im Alpenland nutzen, um den nächsten Schritt zu tätigen – doch es sollte wieder nicht sein. Angeblich auch von Heimweh geplagt, ging es für Enzo nach einem halben Jahr per Leihe in die dritte spanische Liga zu Rayo Majadahonda, einem Madrider Vorstadt-Klub. Dort nahm er in 34 Einsätzen Anlauf für einen Versuch in der portugiesischen Liga bei CD Aves, wo er in insgesamt elf Spielen immerhin zwei Treffer vorbereiten konnte, allerdings dauerhaft sein Glück nicht zu finden vermochte. Im Januar dieses Jahres zog es ihn auch deshalb zurück nach Spanien, wo er nun bei Guti-Klub Alméria unter Vertrag steht. Doch selbst beim ehemaligen Teamkollegen seines Vaters kommt Enzo nicht in den Tritt, bringt er es doch bisher lediglich auf zehn absolvierte Spielminuten in diesem Kalenderjahr.
Das sind sicher nicht die Zahlen, die man von einem Zidane-Nachkommen erwartet, aber einen Fußabller wie “Zizou” gibt es nicht alle Tage, das sollte den Kritikern bewusst werden. Dennoch muss sich der Linksaußen gefallen lassen, dass er unter den Erwartungen bleibt. Weit sogar. Liga- und wettbewerbsübergreifend kommt er seit seinem Abschied aus Madrid in 66 Auftritten gerade einmal auf sechs Torbeteiligungen. Berühmter Vater oder nicht – deutlich zu wenig für eine Offensivkraft.
Luca: Torwarttalent mit Chance auf den Durchbruch
Wie Enzo verzichtet auch sein jüngerer Bruder auf den Familiennamen über der Nummer des Trikots. Um sich weiterhin von den Vergleichen mit seinem Vater zu befreien, hat Luca allerdings nicht nur Fernández als Nachnamen gewählt, sondern die Differenzierung auf eine zusätzliche Weise forciert: Der zweite Zidane-Sprössling verbringt nämlich seine Fußballerkarriere zwischen den Pfosten – und das relativ erfolgreich. Gerade 21 Jahre alt geworden und seit 2004 in Reals Nachwuchs, bewachte er ab 2016 das Gehäuse der Castilla. Am 13. Mai 1998 geboren, galt der Mann aus Marseille als vielversprechendes Talent und wurde bereits U17-Europameister mit der französischen “Équipe Tricolore”.
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Da er seit der Saison 2017/18 die Rolle des dritten Torhüters bei den Profis der Blancos inne hatte, kann Luca in seiner Vita bereits die Champions League, zwei Klub-Weltmeisterschaften sowie den spanischen und europäischen Superpokal als erste Profititel verbuchen, wenngleich er auf lediglich zwei Einsätze im Star-Ensemble seines Vater kommt. Im Sommer 2019 war es schließlich für ihn an der Zeit, ähnlich wie der große Bruder Enzo, das Nest zu verlassen, um sein Talent mit regelmäßigen Einsätzen zu beweisen und den nächsten Schritt zu gehen. Verschlagen hat es ihn für dieses Ziel zu Racing Santander, wo er aktuell im akuten Abstiegskampf der zweiten Liga steckt, aber zumindest “Adieu” zum Reservisten-Dasein sagen konnte, jenem Schicksal, welches sich bei den Königlichen angesichts der prominenten Konkurrenz unausweichlich angekündigt hatte.
Im nordspanischen Kantabrien ist der Schlussmann Stammspieler, weshalb er von seiner Entscheidung überzeugt bleibt: “Ich bereue es nicht, Real Madrid verlassen zu haben”, sagte er nach den ersten Monaten in Santander. “Ich weiß, dass es ein wichtiger Schritt war, und ich wollte es tun, weil ich in einem Profiteam sein musste, spielen und zeigen musste, was ich wert bin.” Auch wenn es nicht die Königlichen sind, hat Enzo seine Rolle für sich entdeckt, was ihn positiv für die Zukunft stimmt: “Ich bin sehr glücklich, bei diesem großartigen Klub zu sein, denn die Leute haben mich sehr gut aufgenommen”, versicherte der Schlussmann seine eigene Zufriedenheit. Mit 22 Jahren steht Luca noch am Anfang seines Torhüter-Lebens und wer weiß, wohin sein Weg zwischen den Pfosten noch hinführen wird? Eine große Karriere ist für den charismatischen Schlussmann noch nicht ausgeschlossen, denn bis dato ist er lediglich von den Königlichen nach Santander verliehen.

Theo: Talentiert und medial präsent auf dem Weg zur Karriere?
Theo ist am 18. Mai 2002 in Marseille geboren und sieht sich – zumindest im Internet – womöglich den meisten Vergleichen zu seinem Vater ausgesetzt. Einerseits liegt es daran, dass Theo Fernández – auch er wählte den Nachnamen seiner Mutter – dem jungen Zinédine einfach erschreckend ähnlich sieht. Andererseits ist der zentrale Mittelfeldmann selbst schuld – auch wenn es in diesem Fall eine positive Äußerung sein soll: Seitdem er sich 2010 Madrids Nachwuchs anschloss, finden sich viele Videos, in denen er große Kunstfertigkeiten beweist. Die Clips zeigen einen trickreichen Akteur mit gutem Auge, gewisser Torgefahr und einem Schuss stilvoller Extravaganz – wie eben auch bei Vater “Zizou”. Als jüngerer Jahrgang soll er sich nun schon in der Juvenil A (U19) beweisen.
“Ich bin ein Spieler, der sich um das Kollektiv der Mannschaft sorgt”, wird er auf der Homepage der Königlichen zitiert und dabei als Akteur beschrieben, welcher versucht mit einer außergewöhnlichen Aktion die Defensive zu überraschen – klingt schon wieder verdächtig nach dem Papa. Das gelingt Theo augenscheinlich regelmäßig auch aufgrund “seines abwechslungsreichen Bewegungsrepertoires”, ohne dabei seine Mitspieler zu übergehen. Die richtige Einstellung gepaart mit seinen Fähigkeiten hält seiner Karriere viele Türen offen, bis zur Weltklasse ist es allerdings noch ein sehr weiter Weg für ihn. Einen ersten Schritt konnte Theo allerdings bereits in diese Richtung gehen, als er Ende letzten Jahres erstmals bei den Profis mittrainieren durfte. Spieler wie Zinédine gibt es womöglich nur alle paar Generationen, doch vielleicht kann Theo schon bald in die großen Fußstapfen treten.
Elyaz: Das Nesthäkchen darf sich noch Zeit nehmen
Der Jüngste im Zidane-Quartett hört auf den Namen Elyaz, sozusagen das Nesthäkchen der Familie. Am 26. Dezember 2005 in Marseille geboren, spielt er seit 2013 in Reals Jugend, aktuell in der Cadete B (U15). Der Linksfuß soll eine gute Spielübersicht besitzen und spielt im Gegensatz zu seinen großen Brüdern Theo und Enzo eher in der Defensive. Auch wenn er gelegentlich im linken Mittelfeld zu finden ist, liegt seine Funktion meistens in der Linksverteidigerposition, wo ihm “defensive Stärke” attestiert wird. Seine Mitspieler dabei in Szene zu setzen, macht ihm mit die größte Freude: “Mir gefällt es, Pässe auf meine Freunde zu spielen”, wird der Vierzehnjährige zitiert.
Um seine Person herrscht (noch) weitestgehend Ruhe – natürlich auch in Relation, wie ruhig es um einen Zidane-Sohn sein kann – was ihm die Möglichkeit offenbart, sich gemächlich zu entwickeln. Aufgrund seines berühmten Vaters wird sich die Öffentlichkeit noch früh genug auf den quirligen Außenbahnspieler stürzen und sicher schnell Vergleiche ziehen wollen, daran bleiben keine Zweifel. Dass der stolze Vater dann auch noch einen Treffer seines Jüngsten via Instagram teilt, befördert natürlich diese Annahme. Wie seinen Brüdern wünscht man ihm, dass er dem Erwartungsdruck standhalten und seinen eigenen Weg finden kann. Für konkrete Prognosen ist es bei Elyaz definitiv noch zu früh – aber mit diesen Genen im Körper und der Ausbildung von “La Fábrica” im Gepäck stehen Tür und Tor für den kleinsten Zidane-Sohn weit offen.

Die Söhne von Véronique und Zinédine nennen viele Gemeinsamkeiten ihr Eigen: Neben dem in die Wiege gelegt bekommenes Talent, befinden sie sich aber auch stets in Begleitung eines enorm hohen Erwartungsdrucks. Dass der berühmte Familienname des Vaters auf der Vereinshomepage von Real Madrid bei den zwei Jüngeren getilgt wurde und auf den Trikots teilweise nur die jeweiligen Vornamen zu lesen sind, ist kein Zufall. Es handelt sich lediglich um den (hoffnungslosen) Versuch, zumindest ein bisschen vom großen Schatten abzulenken, den “Zizou” natürlich unfreiwillig auf seine Söhne wirft. Selbstverständlich kann das nur bedingt gelingen, Vergleiche zwischen dem Vater und seinen Söhnen wird es immer geben. Zunächst verbirgt sich dahinter keine Tragik, avanciert aber für die jungen Fußballer rasch zur Belastung. Das Exempel: Enzo ist Profifußballer, war beim Champions-League-Sieg 2017 dabei und dennoch wird seine Karriere in den Köpfen vieler als gescheitert verurteilt. Der nächste im Bunde ist möglicherweise schon bald Luca – dann fehlten nur noch zwei, die es ihrem Vater gleichmachen könnten. Auch wenn das den jungen Männern gegenüber nicht gerecht ist, wird es für die vier Brüder stets die Bürde sein, welche sie zusammen mit dem Familiennamen zu tragen haben – gleichermaßen als Fluch und Segen.

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