Historie

Ein Magnet in den Schuhen: Über Fernando Redondo

Das Vergraulen Fernando Redondos kostete Argentiniens „goldene Generation“ wohl mehrere Titel – 2000 beging Real Madrid den gleichen Fehler. Über „El Principe“, der laut Alex Ferguson mit einem „Magnet in den Schuhen“ spielte und heute seinen 51. Geburtstag feiert.

1.1k
Diktierte Real Madrids Spiel von 1994 bis 2000: Fernando Redondo – Foto: Clive Mason/Allsport

Auf Maradonas Spuren – doch “Nein” zur WM

Wenn es je eine ideale Zeit und einen idealen Ort für einen ballfertigen Linksfuß gab, waren es die Argentinos Juniors in den 1980er-Jahren. Weil dort eine knappe Dekade zuvor Ikone Diego Maradona der Durchbruch gelungen war, durfte auch das Talent Fernando Redondo bereits 16-jährig seine ersten Schritte bei den Aktiven gehen. Von Redondo versprach man sich etwas, zog der aus der Tiefe ankurbelnde Stratege auch beim argentinischen Triumph bei der U17-Südamerikameisterschaft in beeindruckender Manier die Fäden.

[advert]

Schon 1990 hätte Weltmeister-Trainer Carlos Bilardo den erst 20 Jahre alten Linksfuß daher auch als Baustein der großen “Albiceleste” gesehen – doch der Youngster verzichtete auf die WM-Teilnahme, weil er kein Freund von Bilardos defensivem Fußball war und Zweifel an seinen eigenen Einsatzzeiten hatte. Eine gewiefte Entscheidung, die dem 1,86-Meter-Mann glücklicherweise keine Steine in den Weg legen sollte: Wochen später holte ihn Landsmann Jorge Valdano, Trainer von CD Teneriffa, nämlich über den Atlantik in die damalige Primera División.

Dort entwickelte sich Redondo zu einem Leistungträger – parallel auch im Nationaldress, wo er unter Trainer und Förderer Alfio Basile beim Gewinn des ersten Confed Cups 1992 zum besten Spieler des Turniers ausgezeichnet wurde. Beim Copa-América-Coup im folgenden Jahr liefen erneut fast alle Angriffe hinter Gabriel Batistuta und Co. über den “Spielversteher” aus Adrogué.

Redondo und Real: Meisterschaft versaut, Meisterschaft besorgt

So klopfte 1994 mit Real Madrid – dem Redondo, Valdano und Teneriffa 1993 am letzten Spieltag noch die Meisterschaft versaut hatten – eine absolute Größe des Weltfußballs an. Valdano, einst selbst Real-Profi, kam als Teamchef gleich mit. Die königlichen Investitionen, darunter auch Michael Laudrup, trugen Früchte: Direkt feierten die Blancos nach vier Jahren Abstinenz die Meisterschaft 1995. Redondo – spielerisch und taktisch eine Augenweide – avancierte schnell zu einem Schlüsselspieler und Fan-Favoriten.

Gegenläufig veränderte sich übrigens seine Situation in der Nationalmannschaft: Nach der WM 1994 übernahm 1978er-Weltmeisterkapitän Daniel Passarella an der Seitenlinie – und führte manche skurrile Regel ein. Er verlangte zum Beispiel, dass sich alle Spieler die Haare kurz schneiden. Redondo, der sie meist schulterlang trug, erklärte sich nicht dazu bereit – beide engstirnigen Protagonisten rückten bis inklusive der WM 1998 nicht von ihrer Haltung ab, Redondo spielte nicht.

Magnet in den Schuhen? Das konnte auch Stefan Effenberg überprüfen – Foto: imago images / WEREK

Konzentration auf Real zahlt sich aus

Das Tischtuch zwischen Redondo und der “Albiceleste” war fortan zerschnitten: Selbst als Passarella-Nachfolger Marcelo Bielsa wieder auf den Spielmacher setzen wollte, entschied dieser ab 1999 endgültig, sich nur noch auf den Vereinsfußball zu konzentrieren und trat nach gerade einmal 28 Länderspielen zurück. Ohne ihn sollte eine goldene argentinische Generation um Batistuta, Hernan Crespo, Ariel Ortega, Javier Zanetti, Juan Sebasitan Veron oder Diego Simeone keinen weiteren Titel gewinnen.

In Madrid beschwerte sich über diese Konzentrationspräferenz niemand: Nach 1998 gewannen die Königlichen auch 2000 die Champions League. Für den berühmtesten Moment der Saison sorgte Redondo, der auf dem absoluten Höhepunkt seiner Schaffenskraft operierte: Im Viertelfinal-Rückspiel bei Manchester United tunnelte er Gegenspieler Henning Berg im Dribbling mit der Hacke hinter dem Standbein, um von der Grundlinie mustergültig Raúl zu bedienen, der nur noch einschieben musste.

https://www.youtube.com/watch?v=Tt39q-ByNk0

Ferguson verzweifelt – der Madridismo auch

Sogar die englische Presse geriet bei “the backheel of Old Trafford” ins Schwärmen, die Spanier feierten “El Taconazo” (tacon = Ferse). “Was hat dieser Spieler in seinen Schuhen? Einen Magneten?”, resignierte United-Coach Sir Alex Ferguson nach der Partie, in welcher Redondo auch neben seiner effizienten Hacken-Einlage eine Gala lieferte. Die UEFA wählte ihn 2000 verdient zum besten Klub-Fußballer des Jahres.

Was nur Wochen später geschah, sorgte in Madrid für empörte Fan-Ausschreitungen: Real verkaufte den 30-jährigen Argentinier, den Trainer-Koryphäe Fabio Capello einst als “taktisch perfekt” adelte, nach 228 Einsätzen (fünf Tore) gegen dessen Willen an Interessent AC Mailand. Möchte man späteren Aussagen von Gonzalo Higuaíns Vater Jorge glauben, lag das daran, dass Neu-Präsident Florentino Pérez “keine Argentinier mag”. Etwas wahrscheinlicher war dagegen die finanzielle Kompensation dessen teuren wie genialen Figo-Deals. “Mich beschlich das Gefühl, dass sie mich gerne verkaufen wollten“, verriet auch Redondo später.

Real gewann in den Jahren nach Redondo zwar zwei weitere Meisterschaften und ein weiteres Mal die Königsklasse, die offensivlastigen und defensiv unbekümmerten “Galácticos” dominierten Europas Fußball ob der Verkäufe ihrer Stabilisatoren wie Redondo oder später Claude Makélélé aber wesentlich kürzer als gedacht. Retrospektiv weint der Madridismo Redondo noch heute nach.

Kapitel Mailand wird zur Tortur – mit versöhnlichem Ende

Der Argentinier, der mit einer Cousine Santiago Solaris verheiratet ist, feierte in Mailand übrigens ebenfalls weitere Erfolge, zunächst allerdings als Zuschauer – schwere Knieverletzungen verbannten ihn Monat für Monat auf die Tribüne. Große Anerkennung erhielt der Spielgestalter, als er sich deswegen dazu entschied, bis zu seinem Comeback auf sein Gehalt zu verzichten. Erst zweieinhalb Jahre (!) nach seiner Ankunft in Italien debütierte Redondo schließlich für die “Rossoneri”, wirklich Fuß fassen ließ ihn sein geschundener Körper in der Modestadt jedoch nie.

Ein letztes Karriere-Highlight hielten dann ausgerechnet die Fans seines ehemaligen Arbeitgebers für “El Principe” bereit: Als er 2003 in einem Champions-League-Spiel bei Real Madrid auf dem Rasen stand, applaudierte ihm das Bernabéu lautstark. Wehmut war auf beiden Seiten deutlich zu spüren. Wenig später beendete Fernando Redondo seine beeindruckende aber irgendwie auch unvollständige und am Ende leidgeprägte Karriere.

Großes Lob für Del Bosque

Rückblickend bezeichnet der Bücherwurm und heutige LaLiga-Botschafter seinen königlichen Trainer Vicente del Bosque als besten, den er je hatte: “Er ist ein Mann der Integrität, in jeder Hinsicht. Er verstand mein Potenzial und gab mir die Freiheit, mich überall auf dem Feld zu bewegen.” Und Redondo bewegte sich überall. Fragt mal bei Henning Berg nach.

DAS Buch für Madridistas: »111 Gründe, Real Madrid zu lieben«!

0.00 avg. rating (0% score) - 0 votes
von
Baumgart's Fussballblog

Baumgart's Fussballblog ist für die „wahren“ Fußballfans. Nostalgie, Hintergrundberichte und interessante Fakten. Auch hier bei REAL TOTAL!

Kommentare
Schon alleine daran, dass hier niemand einen Kommentar hinterlässt zeigt, dass die Fans hier im Forum wohl allesamt zu jung sind sich daran zu erinnern was ein grandioser Kicker dieser Mann war. Kaum ein Spieler hat so gut zu unserem Verein gepasst wie Redondo. Aber jede Zeit hat wohl seinen eigenen Glanz und seine eigenen Fans. Irgendwann nach dem Karriereende von Ronaldo und Messi werden vlt. auch wieder solche Spielertypen in den verdienten Vordergrund gerückt.
 
Der eleganteste Spieler seiner Zeit. Zudem immer höflich und bescheiden. Er hat während seiner Verletzungzeit freiwillig auf Gehalt verzichtet. Heute müssen Spieler in ner Katastrophensituation zu 10% Gehaltsverzicht gezwungen werden und geben als Hohn dumme Interviews.
Andere Zeiten, die hier viele leider nicht mehr kennen und denken dass Real von CR7 erschaffen wurde.
 
Schon alleine daran, dass hier niemand einen Kommentar hinterlässt zeigt, dass die Fans hier im Forum wohl allesamt zu jung sind sich daran zu erinnern was ein grandioser Kicker dieser Mann war. Kaum ein Spieler hat so gut zu unserem Verein gepasst wie Redondo. Aber jede Zeit hat wohl seinen eigenen Glanz und seine eigenen Fans. Irgendwann nach dem Karriereende von Ronaldo und Messi werden vlt. auch wieder solche Spielertypen in den verdienten Vordergrund gerückt.

Ich bin seit Mitte der 80iger Jahre dabei und jede Epoche hat Lieblingsspieler bei mir hinterlassen, von Michel, Hugo Sanchez, Butragueno, Santillana, Juanito, Chendo, Valdano, Manolo Sanchis über Zamarano, Laudrup, Hierro, Seedorf, Raúl, Guti, Roberto Carlos, Ronaldo, Redondo, Salgado etc. und die jetztzeitigen Helden Modric, Ramos, Marcelo, Varane, Carvajal, Casemiro, CR7 (sportlich)...
Ich muß euch beiden völlig zustimmen, Fernando wäre auch bei mir immer in der Topfünf meiner Allzeithelden, fußballerisch sowieso ein absoluter Traum und als Person ebenfalls immer äußerst angenehm, eine Schande das er damals so unrühmlich weichen mußte...

Corona soll jetzt endlich weichen...:flag:
 
Schon alleine daran, dass hier niemand einen Kommentar hinterlässt zeigt, dass die Fans hier im Forum wohl allesamt zu jung sind sich daran zu erinnern was ein grandioser Kicker dieser Mann war. Kaum ein Spieler hat so gut zu unserem Verein gepasst wie Redondo. Aber jede Zeit hat wohl seinen eigenen Glanz und seine eigenen Fans. Irgendwann nach dem Karriereende von Ronaldo und Messi werden vlt. auch wieder solche Spielertypen in den verdienten Vordergrund gerückt.

Ich gucke oft, mehrmals am Tag ins Forum, antworte aber nicht immer/ immer direkt.

Ich interessiere mich leider erst seit 2004 für Fußball, direkt für Real entschieden dank Eurogoals und Raúl.
Hatte dann aber 1-2 Jahre auch nur so Semi-Durchblick.
WM Finale 02 gesehen, nix gecheckt (egal dabei sein ist alles)
Und EM 04 glaube 2 Spiele gesehen..
Bin halt auch ein Spätzünder im Fußball gewesen, was das Interesse betrifft !!

Spätestens seit 06-08, hat sich das KOMPLETT gedreht und ich habe mich intensiv mit Fußball beschäftigt.
Das aber eher individuell auf die Spieler bezogen, bin jetzt kein Taktikfreak, ich gucke eh immer von oben drauf und würde schon sagen das ich ein Gespür habe wie es aussehen sollte.... aber ist auch Wurst.

Habe natürlich auch viel von Redondo gesehen, er war so ein toller Spieler und eine gute Persönlichkeit.
Ich wünschte ich hätte ihn in seiner aktiven Karriere spielen sehen.
 
Schon alleine daran, dass hier niemand einen Kommentar hinterlässt zeigt, dass die Fans hier im Forum wohl allesamt zu jung sind sich daran zu erinnern was ein grandioser Kicker dieser Mann war. Kaum ein Spieler hat so gut zu unserem Verein gepasst wie Redondo. Aber jede Zeit hat wohl seinen eigenen Glanz und seine eigenen Fans. Irgendwann nach dem Karriereende von Ronaldo und Messi werden vlt. auch wieder solche Spielertypen in den verdienten Vordergrund gerückt.

Habs eben erst gesehen. Einer der elegantesten Spieler aller Zeiten und als spielmachender 6er seiner Zeit weit voraus, zudem ein wichtiger Bestandteil in der Mannschaft, die damals die CL geholt hat. Ich war damals zugegeben erst 6, an sehr viel kann ich mich nicht erinnern, aber an gewisse Dinge und in sämtlichen Zusammenschnitten kann man seine Technik noch heute bewundern. Dass Perez ihn verkauft hat war die erste von vielen Schanden in dessen Karriere und sinnbildlich für das, was Folgen sollte. Im Prinzip waren die Galacticos zum Scheitern verurteilt, bevor sie überhaupt richtig angefangen haben. Spieler wie Redondo, Makalalele Hierro usw. mit Del Bosque als Trainer haben Spiele gewonnen und Titel geholt, nicht Zidane, Figo, Guti, Beckham, Raul, Solari, Ronaldo und Owen gemeinsam auf dem Feld.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Ich bin seit Mitte der 80iger Jahre dabei und jede Epoche hat Lieblingsspieler bei mir hinterlassen, von Michel, Hugo Sanchez, Butragueno, Santillana, Juanito, Chendo, Valdano, Manolo Sanchis über Zamarano, Laudrup, Hierro, Seedorf, Raúl, Guti, Roberto Carlos, Ronaldo, Redondo, Salgado etc. und die jetztzeitigen Helden Modric, Ramos, Marcelo, Varane, Carvajal, Casemiro, CR7 (sportlich)...
Ich muß euch beiden völlig zustimmen, Fernando wäre auch bei mir immer in der Topfünf meiner Allzeithelden, fußballerisch sowieso ein absoluter Traum und als Person ebenfalls immer äußerst angenehm, eine Schande das er damals so unrühmlich weichen mußte...

Corona soll jetzt endlich weichen...:flag:

Zamorano war Mega. Einfach ein wahnsinmiger Irrer. Wer auch immer wieder vergessen wird ist Fernando Hierro, das Elfmetermonster und einer der besten IV aller Zeiten. Er wurde für Lope ins kalte Wasser geschlossen als Trainer und ist gescheitert seitdem ist auch sein Trainerkarriere passe. Leider.
Nicht jeder hätte das Amt zu so ner Zeit angetreten und ein Turnier ohne Vorbereitung gespielt.
Ich will es gar nicht verhehlen ich trauere solchen Typen nach.
 
Schon alleine daran, dass hier niemand einen Kommentar hinterlässt zeigt, dass die Fans hier im Forum wohl allesamt zu jung sind sich daran zu erinnern was ein grandioser Kicker dieser Mann war. Kaum ein Spieler hat so gut zu unserem Verein gepasst wie Redondo. Aber jede Zeit hat wohl seinen eigenen Glanz und seine eigenen Fans. Irgendwann nach dem Karriereende von Ronaldo und Messi werden vlt. auch wieder solche Spielertypen in den verdienten Vordergrund gerückt.

Immer dieser negative Grundton, gegen alles was im Moment passiert.... Ich glaube Kanté wurde vor nicht allzu langer Zeit extrem gehyped bei Chelsea und Leicester. Modric hat einen Balon d'Or gewonnen. Es gibt eine Art Kultfolge für Xabi Alonso bei San Sebastian, Liverpool, uns und in München. Pogba war kurz der teuerste Spieler, Fernandes von Utd wird jetzt schon als Heilsbringer gehuldigt. Pirlo ist eine der grössten Legenden und Gerrard und Lampard sind in Diskussion, als erste von nur zwei founding members in die Premier League Hall of Fame aufgenommen zu werden. Keine Ahnung was du hast mit "nur Messi & Ronaldo"
PS ahja und habe noch Busquets, Xavi und Iniesta vergessen, die beim mitunter besten Team aller Zeiten die Schlüselrollen einnahmen und jeder der nur ein bisschen was von Fussball versteht weiss, dass das Mittelfeld aktuell u.a. dank Guardiola der wichtigste Teil auf dem Feld ist.
 

Verwandte Artikel

Von Özil bis Vinícius: Real Madrids Assist-Könige

Den Top-Torjägern im Spitzenfußball winken Glanz und Ruhm, während die Vorbereiter oft...

„Ein Mann des Klubs“ – Del Bosques leiser Abschied und lautes Vermächtnis

Er war Spieler, Jugendtrainer, Koordinator, Chefcoach – und Symbolfigur einer Ära. Vicente...

El Clásico: Statistiken und Historisches

El Clásico ist zurück! Am Sonntag (16:15 Uhr) begegnen sich Real Madrid...

Als Henry die „Galácticos“-Ära und Pérez-Amtszeit beendete: Böse Erinnerungen an Arsenal

Endlich ein Champions-League-Viertelfinale, in dem es nicht gegen Manchester City, Chelsea, den...