
Auf Maradonas Spuren – doch “Nein” zur WM
Wenn es je eine ideale Zeit und einen idealen Ort für einen ballfertigen Linksfuß gab, waren es die Argentinos Juniors in den 1980er-Jahren. Weil dort eine knappe Dekade zuvor Ikone Diego Maradona der Durchbruch gelungen war, durfte auch das Talent Fernando Redondo bereits 16-jährig seine ersten Schritte bei den Aktiven gehen. Von Redondo versprach man sich etwas, zog der aus der Tiefe ankurbelnde Stratege auch beim argentinischen Triumph bei der U17-Südamerikameisterschaft in beeindruckender Manier die Fäden.
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Schon 1990 hätte Weltmeister-Trainer Carlos Bilardo den erst 20 Jahre alten Linksfuß daher auch als Baustein der großen “Albiceleste” gesehen – doch der Youngster verzichtete auf die WM-Teilnahme, weil er kein Freund von Bilardos defensivem Fußball war und Zweifel an seinen eigenen Einsatzzeiten hatte. Eine gewiefte Entscheidung, die dem 1,86-Meter-Mann glücklicherweise keine Steine in den Weg legen sollte: Wochen später holte ihn Landsmann Jorge Valdano, Trainer von CD Teneriffa, nämlich über den Atlantik in die damalige Primera División.
Dort entwickelte sich Redondo zu einem Leistungträger – parallel auch im Nationaldress, wo er unter Trainer und Förderer Alfio Basile beim Gewinn des ersten Confed Cups 1992 zum besten Spieler des Turniers ausgezeichnet wurde. Beim Copa-América-Coup im folgenden Jahr liefen erneut fast alle Angriffe hinter Gabriel Batistuta und Co. über den “Spielversteher” aus Adrogué.
Redondo und Real: Meisterschaft versaut, Meisterschaft besorgt
So klopfte 1994 mit Real Madrid – dem Redondo, Valdano und Teneriffa 1993 am letzten Spieltag noch die Meisterschaft versaut hatten – eine absolute Größe des Weltfußballs an. Valdano, einst selbst Real-Profi, kam als Teamchef gleich mit. Die königlichen Investitionen, darunter auch Michael Laudrup, trugen Früchte: Direkt feierten die Blancos nach vier Jahren Abstinenz die Meisterschaft 1995. Redondo – spielerisch und taktisch eine Augenweide – avancierte schnell zu einem Schlüsselspieler und Fan-Favoriten.
Gegenläufig veränderte sich übrigens seine Situation in der Nationalmannschaft: Nach der WM 1994 übernahm 1978er-Weltmeisterkapitän Daniel Passarella an der Seitenlinie – und führte manche skurrile Regel ein. Er verlangte zum Beispiel, dass sich alle Spieler die Haare kurz schneiden. Redondo, der sie meist schulterlang trug, erklärte sich nicht dazu bereit – beide engstirnigen Protagonisten rückten bis inklusive der WM 1998 nicht von ihrer Haltung ab, Redondo spielte nicht.

Konzentration auf Real zahlt sich aus
Das Tischtuch zwischen Redondo und der “Albiceleste” war fortan zerschnitten: Selbst als Passarella-Nachfolger Marcelo Bielsa wieder auf den Spielmacher setzen wollte, entschied dieser ab 1999 endgültig, sich nur noch auf den Vereinsfußball zu konzentrieren und trat nach gerade einmal 28 Länderspielen zurück. Ohne ihn sollte eine goldene argentinische Generation um Batistuta, Hernan Crespo, Ariel Ortega, Javier Zanetti, Juan Sebasitan Veron oder Diego Simeone keinen weiteren Titel gewinnen.
In Madrid beschwerte sich über diese Konzentrationspräferenz niemand: Nach 1998 gewannen die Königlichen auch 2000 die Champions League. Für den berühmtesten Moment der Saison sorgte Redondo, der auf dem absoluten Höhepunkt seiner Schaffenskraft operierte: Im Viertelfinal-Rückspiel bei Manchester United tunnelte er Gegenspieler Henning Berg im Dribbling mit der Hacke hinter dem Standbein, um von der Grundlinie mustergültig Raúl zu bedienen, der nur noch einschieben musste.
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Ferguson verzweifelt – der Madridismo auch
Sogar die englische Presse geriet bei “the backheel of Old Trafford” ins Schwärmen, die Spanier feierten “El Taconazo” (tacon = Ferse). “Was hat dieser Spieler in seinen Schuhen? Einen Magneten?”, resignierte United-Coach Sir Alex Ferguson nach der Partie, in welcher Redondo auch neben seiner effizienten Hacken-Einlage eine Gala lieferte. Die UEFA wählte ihn 2000 verdient zum besten Klub-Fußballer des Jahres.
Was nur Wochen später geschah, sorgte in Madrid für empörte Fan-Ausschreitungen: Real verkaufte den 30-jährigen Argentinier, den Trainer-Koryphäe Fabio Capello einst als “taktisch perfekt” adelte, nach 228 Einsätzen (fünf Tore) gegen dessen Willen an Interessent AC Mailand. Möchte man späteren Aussagen von Gonzalo Higuaíns Vater Jorge glauben, lag das daran, dass Neu-Präsident Florentino Pérez “keine Argentinier mag”. Etwas wahrscheinlicher war dagegen die finanzielle Kompensation dessen teuren wie genialen Figo-Deals. “Mich beschlich das Gefühl, dass sie mich gerne verkaufen wollten“, verriet auch Redondo später.
Real gewann in den Jahren nach Redondo zwar zwei weitere Meisterschaften und ein weiteres Mal die Königsklasse, die offensivlastigen und defensiv unbekümmerten “Galácticos” dominierten Europas Fußball ob der Verkäufe ihrer Stabilisatoren wie Redondo oder später Claude Makélélé aber wesentlich kürzer als gedacht. Retrospektiv weint der Madridismo Redondo noch heute nach.
Kapitel Mailand wird zur Tortur – mit versöhnlichem Ende
Der Argentinier, der mit einer Cousine Santiago Solaris verheiratet ist, feierte in Mailand übrigens ebenfalls weitere Erfolge, zunächst allerdings als Zuschauer – schwere Knieverletzungen verbannten ihn Monat für Monat auf die Tribüne. Große Anerkennung erhielt der Spielgestalter, als er sich deswegen dazu entschied, bis zu seinem Comeback auf sein Gehalt zu verzichten. Erst zweieinhalb Jahre (!) nach seiner Ankunft in Italien debütierte Redondo schließlich für die “Rossoneri”, wirklich Fuß fassen ließ ihn sein geschundener Körper in der Modestadt jedoch nie.
Ein letztes Karriere-Highlight hielten dann ausgerechnet die Fans seines ehemaligen Arbeitgebers für “El Principe” bereit: Als er 2003 in einem Champions-League-Spiel bei Real Madrid auf dem Rasen stand, applaudierte ihm das Bernabéu lautstark. Wehmut war auf beiden Seiten deutlich zu spüren. Wenig später beendete Fernando Redondo seine beeindruckende aber irgendwie auch unvollständige und am Ende leidgeprägte Karriere.
Großes Lob für Del Bosque
Rückblickend bezeichnet der Bücherwurm und heutige LaLiga-Botschafter seinen königlichen Trainer Vicente del Bosque als besten, den er je hatte: “Er ist ein Mann der Integrität, in jeder Hinsicht. Er verstand mein Potenzial und gab mir die Freiheit, mich überall auf dem Feld zu bewegen.” Und Redondo bewegte sich überall. Fragt mal bei Henning Berg nach.
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