
Ein besonderer Tag
Schon irgendwie verrückt: Am 24. Mai 2000 standen sich erstmals zwei Teams aus dem gleichen Land im Champions-League-Finale gegenüber. Und 14 Jahre später wurde dem am gleichen Tag noch eins drauf gesetzt – als im ersten Final-Derby sich zwei Stadtkonkurrenten gegenüber standen. Immer dabei: Real Madrid. Immer triumphiert: Real Madrid.
Dabei waren die Situationen in den beiden Jahren jeweils unterschiedliche. Befanden sich die Blancos 1999/2000 im Umbruch, inmitten eines Wahljahres, auf das im Sommer Florentino Pérez den Erfolgspräsidenten Lorenzo Sanz ablösen würde, so war es 2013/14 anders. Die Mannschaft nach José Mourinhos Abgang nach eigener Aussage „bereit, zu explodieren“. Und die große Sehnsucht zu stillen, die 14 Jahre vorher bereits gestillt war.
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2000: Umbruch, nationale Durststrecke, Wahljahr
Denn als junge Madridistas sich kaum etwas schlimmeres vorstellen konnten, als zwölf Jahre auf „La Décima“ zu warten, hatten ältere Fans das schon hinter sich. 32 Jahre. Auf diesen Zeitraum blickte man zurück, als 1998 endlich „La Séptima“, der siebte Europapokal gewonnen wurde. Zwei Jahre später dann die kleine Erlösung inmitten einer nationalen Durststrecke. 1998 bedeutete der vierte Platz das Aus für Séptima-Coach Jupp Heynckes, und 1999 konnte Vicente del Bosque sich als Interimstrainer für John Toshack („Eher fliegt ein Schwein über’s Bernabéu, als dass ich mich ändere.“) nur auf Platz fünf retten. Und ins Champions-League-Finale.

Wie im Viertelfinale und Halbfinale erst der Titelverteidiger (Manchester United) und dann der Vorjahresfinalist (FC Bayern) ausgeschaltet wurden, das beeindruckte den kommenden Präsidenten Florentino Pérez, den Spanier als Cheftrainer zu behalten. Das Endspiel selbst konnte da fast nichts gefährden – Madrid stand Valencia als klarer Favorit gegenüber. Und das trotz Umbruchs! Neue Männer wie Nicolas Anelka, Steve McManaman oder Míchel Salgado standen in der Startelf, während Helden von 1998 wie Pedrag Mijatović, Davor Šuker oder Clarence Seedorf schon weg waren oder wie Manolo Sanchís erst eingewechselt wurden. Und das neue Madrid, von Fernando Redondo in dessen letzter Saison aufs Spielfeld geführt, sollte den Erwartungen gerecht werden: Fernando Morientes per Kopf (39.), McManamans berühmter Scherenschuss (67.) und des unvergessene 60-Meter-Solo von Raúl González (75.) entschieden das erste Königsklassen-Endspiel des 21. Jahrhunderts. Das erste Finale, in dem sich zwei Teams aus dem gleichen Land gegenüberstanden. Heute vor 23 Jahren.
Der zweite von drei Henkelpokalen innerhalb fünf Jahren war da, Sanz ging, Pérez kam, Del Bosque blieb, und eine neue Ära begann. Die der „Galácticos“. Doch sollte sich Real Madrid nach den Transfers von Luís Figo (2000), Zinédine Zidane (2001), Ronaldo (2002) und Co. nur noch einmal zu Europas Champions krönen, als 2002 in „La Novena“ der neunte Europapokal gewonnen wurde. Und im Anschluss eine zwölfjährige Leidenszeit begann.
2014: Erlösung, neue Zeitrechnung
Zwölf Jahre warten, sind eigentlich nichts im Vergleich zu den 32 zwischen 1966 und 1998 – wären da nicht sechs schmerzhafte K.o. hintereinander im Achtelfinale gewesen. Zwölf Jahre mussten die Madridistas wieder leiden, bis es am 24. Mai 2014 soweit war, und durch „La Décima“ eine weitere neue Ära begann.
Angefangen hat es mit Pérez‘ Comeback im Jahr 2009 und dem erst zehn Jahre später übertroffenen Rekord-Transfersommer, als Cristiano Ronaldo, Karim Benzema, Xabi Alonso, Kaká und andere nach Madrid kamen. Trotz Rekord-Saison in LaLiga (erstmals holte 96 Punkte) feierte man unter Manuel Pellegrini jedoch keinen Titel, sodass Pérez sich in Mailand bediente und Triple-Trainer Mourinho nach dessen Champions-League-Triumph im Bernabéu gleich an Ort und Stelle behielt.
Der Portugiese legte die Grundsteine, beendete Barcelonas Herrschaft, verpflichtete heutige Säulen wie Raphaël Varane, Luka Modrić oder Casemiro, baute Pellegrinis Rekord in der Meistersaison 2011/12 aus (100 Punkte), scheiterte jedoch drei Mal jeweils knapp im Halbfinale der Königsklasse. Es fehlte nur noch ein kleines Stück, ein letztes Puzzleteil für eine neue Zeitrechnung. Carlo Ancelotti („Der Umstand, zwölf Jahre lang nicht die Champions League gewonnen zu haben, sorgte für eine Besessenheit.“) schien die wilden Hengste zähmen und zu einer Streitwagen-Einheit formen zu können, in Gareth Bale war Madrid dann endgültig komplett.

Und nachdem „BBC“ erst über Schalke, Dortmund und Bayern hinweg gefegt waren, schrieb Real am 24. Mai 2014 erneut Geschichte. Im ersten Final-Derby der Königsklasse wurde die lang ersehnte Zweistelligkeit erreicht – und das auf denkbar dramatische Art und Weise: Atlético führte plötzlich nach 36 Minuten und der spanische Überraschungsmeister hielt diese Führung bis zum Ende der regulären Spielzeit. Und dann kam Sergio Ramos. Im Elfmeterschießen 2012 gegen Bayern noch ausgelacht, hatte sich Madrids Abwehrchef für 2013/14 viel vorgenommen – 92:48. Da brachte Ramos eine Modrić-Ecke über die Linie und spätestens als Bale die Führung bescherte (110.), war Atléticos Widerstand gebrochen. Marcelo (118.) und Cristiano Ronaldo (120.) zeigten keine Gnade. 4:1 und es wurde „Si si si, la Décima esta aqui“ gesungen. Die Zehnte ist da.
„Dieses Tor hat etwas verändert. Von diesem Moment an wurden wir sehr stark in Europa und die gegnerischen Teams hatten Angst vor uns“, erinnerte sich Luka Modrić. Und während Ramos noch heute vom „besten Tor meiner Karriere“ schwärmt („Ich habe diesen Ball nicht mit meinem Kopf, sondern mit meiner Seele reingemacht. Nach diesem Moment sagte ich zu meiner Mutter: ‚Jetzt kann ich ihn Ruhe sterben.‘“), ist sich auch Erfolgstrainer Ancelotti sicher: „Das ist etwas, was ich in meinem Leben nie vergessen könnte.“
Sicher ist auch: Den 24. Mai wird bei Real Madrid niemand vergessen. Ein Tag, und zwei große, aber doch unterschiedliche Erinnerungen.
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