
Pünktlich zur Rückrunde blüht sie wieder, die „flor de Zizou“. Zidanes Blume, wie es gerne heißt, um die vermeintliche Glückssträhne des Franzosen zu beschreiben.
Ja, Real Madrid hatte am Ende natürlich Glück, dass das Hinspiel in Bergamo so verlaufen ist, wie es verlaufen ist. Ja, die Königlichen haben auch in Valladolid einige Male durchgeschnauft, nachdem die Hausherren die eine oder andere Torgelegenheit liegen ließen. Mit 5:2 ging die Torschuss-Bilanz klar an Valladolid, am Ende holten die Blancos durch einen 1:0-Sieg aber das Maximum heraus. Als „Glück“ bezeichnet es auch der eine oder andere, dass sich Valencia und Getafe quasi von Anpfiff an ergeben haben und jeweils 2:0 verloren ohne Gegenwehr und mit insgesamt nur einem Schuss auf Thibaut Courtois‘ Kasten.
Wo hört Glück auf, wann ist es ein verdienter Sieg?
Klar ist: Mit aktuell fünf Siegen in Serie (vier davon ohne Gegentor) handelt es sich um Real Madrids zweiterfolgreichsten Moment der Saison nach den sechs aufeinanderfolgenden Erfolgen im Dezember. Angesichts neun fehlender Spieler muss auch ich als „Zidane-Nörgler“ dem Franzosen Respekt zollen: Es mag nicht schön oder attraktiv sein, aber die Ergebnisse stimmen und der Situation entsprechend holt er das Maximum raus. So wie nach der Corona-Pause im Sommer, als sich die Blancos mit ebenso überschaubaren Mitteln und zehn Siegen hintereinander zur Meisterschaft rationierten.
Für den Moment reicht es aus und selbst die furiose Atalanta-Offensive hat nur zwei Abschlüsse in 90 Minuten zustande gebracht. Trotzdem sind die Königlichen nun weder Champions-League-Favorit geschweigedenn schon sicher im Viertelfinale oder auch nur annähernd zurück in „Normalform“.
Das weiß auch „Zizou“ in gefühlt ungewohnter Selbstkritik: „Wir haben kein großartiges Spiel gemacht, aber das Wichtigste war das Resultat. (…) Heute war es etwas schwer, weil wir die Lücken nicht gefunden haben.“
Spielt Real Madrid aktuell attraktiv? Nein. Sind die Erfolge daher unverdient? Auch nicht!
Man merkt der Mannschaft an, pünktlich zur heißen Saisonphase sich wieder zusammen zu reißen. Die Defensive steht wieder, das Mittelfeld glänzt sogar, nur die Offensive hat gewaltige Ladehemmungen. Und wer weiß, was gegen Levante passiert wäre, wenn die strittige Rot-Entscheidung nicht gegen Éder Militão ausgefallen wäre, dann hätten die Blancos jetzt vielleicht sogar sieben Erfolge am Stück feiern können? Bei der schlussendlichen 1:2-Niederlage wurde gegen Militão entschieden, so wie Remo Freuler am Mittwochabend früh Rot sah. Strittig? Ja. Trotzdem vertretbar? Auch ja.
So ist Fußball: selten gibt es 100-prozentig klare und diskussionsfreie Situationen. Dass der strittige Platzverweis für Sergio Ramos gegen Gabriel Jesus die Königlichen das vergangene Viertelfinale gekostet hat, ist genauso einfach gesagt, wie jetzt Atalanta in Schutz zu nehmen. Die Lombarden haben leidenschaftlich verteidigt, aber trotz Unterzahl zu wenig riskiert und sind an einer noch größeren Real-Defensive gescheitert – so wie die Blancos 2020 an zu abgezockten „Citizens“.
In den letzten vier Partien ließen die Blancos – ohne Ramos, Carvajal oder sonstige Rotationen – nur 16 gegnerische Abschlüsse zu, nur sechs davon musste Courtois abwehren. Defensiv hui, vorne pfui: Von den eigenen 77 Abschlüssen gingen nur 24 aufs und davon wiederum sechs ins gegnerische Tor. Glück gehört im Fußball immer dazu, aber auch eine so starke Abwehr und Mittelfeld, die sogar eine seit Wochen zahnlose Offensive kaschieren. Im Rückspiel am 16. März wird es wieder alle(s) brauchen – vorne wie hinten. Und auch: das Glück von Zidane und Co. – ohne Glück hat noch keine Fußballmannschaft weltweit Erfolge eingefahren.
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