
4-3-3, 4-2-3-1, 3-5-2: Zidane erfindet sich neu
MADRID. Ungefähr ein halbes Jahr ist es her, dass Zinédine Zidane in der spanischen Presse kein gutes Standing (mehr) hatte: Er sei taktisch zu eindimensional unterwegs, setze lediglich auf einen überschaubaren Spielerpool und sei nicht in der Lage, Talente zu erkennen respektive diese angemessen weiterzuentwickeln. Nun, Anfang Mai – pünktlich zur „Crunch Time“ – dürfen sich die Blancos noch in zwei Wettbewerben berechtigte Hoffnung auf den Gewinn von prestigeträchtiger Silberware machen: Sowohl in LaLiga als auch in der Champions League erscheint der Weg zu einem möglichen Titelgewinn zwar keinesfalls unproblematisch – nichtsdestotrotz sehen sich die Merengues jeweils lösbaren Aufgaben gegenüber.
Wie groß der Anteil von „Zizou“ an der erfolgreichen Entwicklung der vergangenen Wochen und Monate ist, hat auch das Spiel am Samstagabend gezeigt: So startete der Cheftrainer angesichts des bevorstehenden Halbfinalrückspiels in der Königsklasse sowie der großen Personalnot mit einer auf vier Positionen veränderten Startelf – und überraschte zudem mit einem abermals modifizierten System.
Im Unterschied zum Duell mit dem FC Chelsea, als die Königlichen mit einer Dreierkette begannen, startete die Zidane-Elf zunächst im 4-2-3-1-System mit Antonio Blanco und Casemiro auf der Doppelsechs und Eden Hazard auf der Spielmacherposition. Wie viel Potenzial in dieser Mittelfeldzentrale steckt, unterstreicht nicht zuletzt die immense Überlegenheit in puncto Torschüsse in Durchgang eins (13:2) – darunter einige Hochkaräter. Als der 48-Jährige nach der Hereinnahme von Nacho auf eine Art variables 3-5-2 mit Casemiro im Spielaufbau umstellte, entfachte der Meister nochmals starken Druck, was schließlich in zwei späten Toren und dem wichtigen Heimsieg mündete. Ein weiterer Beweis für die Transformation des Cheftrainers.
Militão in Über-Form
Daran, dass die Merengues das Estadio Alfredo Di Stéfano am Ende des Tages als völlig verdienter Sieger den Platz verließen, hatte Éder Militão ebenfalls einen erheblichen Anteil: Vor der Winterpause noch als Flop und möglicher Abgang gehandelt, nutzte der Brasilianer seine Chance in den vergangenen Wochen eindrucksvoll und spielte sich mit Zweikampfhärte, taktischer Disziplin und Leidenschaft in die Herzen vieler Madridistas.
Und auch am Samstagabend präsentierte sich der 23-Jährige abermals in Top-Form, avancierte sogar zum Matchwinner. So sorgte der Innenverteidiger mit seinem inzwischen gewohnt umsichtigen Defensivverhalten (zwei Ballgewinne, drei Klärungen) für die nötige Stabilität im Abwehrverbund, übernahm durchgehend Verantwortung in der Spielauslösung (96 Ballkontakte, 94 Prozent Passquote) und brachte die Blancos mit einem herrlichen Kopfballtor nach Isco-Ecke in der 76. Spielminute zudem auf die Siegerstraße. Schöner Nebeneffekt: Ganz gleich, wie der Vertragspoker um Kapitän und Vereinslegende Sergio Ramos ausgeht – die Performance des Éder Militão impliziert, dass die königliche Defensive angesichts der unbestrittenen Klasse von Weltmeister Raphaël Varane und dem zurzeit ebenfalls konstant gut auftretenden Nacho Fernández auch in der kommenden Saison mit reichlich Qualität bestückt sein dürfte.
Bemerkenswertes Selbstvertändnis, starkes Positionsspiel
Neben Zidane und Militão verdiente sich noch ein weiterer Königlicher ein Sonderlob: In seinem gerade einmal dritten LaLiga-Einsatz (der zweite in der Startelf und über 90 Minuten) schien es fast so, als würde der 20-jährige Youngster Antonio Blanco in Abwesenheit von Luka Modrić und Toni Kroos den Rhythmus im Mittelfeld der Merengues diktieren. So kam Blanco auf bärenstarke 94 Ballkontakte bei 93 Prozent Passquote, spielte zwei Key-Pässe und generierte zudem zwei Ballgewinne (bei drei Klärungen).

Schon der Blick auf diese statistischen Werte vermittelt einen Eindruck, welche Art Spielertyp der zentrale Mittelfeldspieler verkörpert und über welch enormes Potenzial dieser verfügt. So kommt der 20-Jährige nicht nur mit einem sicheren, Linien überspielenden Passspiel daher, sondern strahlt außerdem trotz seiner eher geringeren Körpergröße von 1,76 Meter ein hohes Maß an Aggressivität und physischer Präsenz aus.
Präsenz ist ohnehin ein gutes Stichwort: Wenn man es nicht besser wüsste, würden Blancos Startelfeinsätze gegen Cádiz (3:0) und eben Osasuna den Eindruck erwecken, dass der Youngster schon viele Jahre im Mittelfeld des Rekordmeisters unterwegs ist: Zu gut ist das Positionsspiel gepaart mit der hohen Antizipationsfähigkeit, zu selbstbewusst und selbstverständlich das Auftreten. Somit sind die bisherigen Einsätze des Nachwuchsspielers – unabhängig davon, wie viele Minuten er in dieser Spielzeit noch spielen darf – als Versprechen für die Zukunft zu werten. So dürfte Blanco spätestens in der kommenden Saison stetiger Bestandteil des Real-Kaders sein.
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