
Sammer: „…ist Liverpool ganz eindeutig der Favorit“
PARIS. Matthias Sammer weiß, wie man die Champions League gewinnt. 1997 besiegte er mit Borussia Dortmund Gegner Juventus Turin und streckte im Münchner Olympiastadion den Henkelpott in die Höhe. Mittlerweile fungiert der 54-Jährige als Externer Berater des BVB und ist daneben als Experte für den Streamingdienst AMAZON PRIME VIDEO tätig. Und wem Sammer im diesjährigen Champions-League-Finale wohl die Daumen drücken wird?
„Bei analytischer Betrachtung der Parameter wie Verfassung, Spielidee, Spielwitz, Unberechenbarkeit, Rhythmus und die Fähigkeit, in schwierigen Situationen zurückschlagen zu können, ist Liverpool ganz eindeutig der Favorit“, sagte Sammer im Interview mit der SPORT BILD auf die Frage, wer Favorit im Endspiel sei. Der Europameister von 1996 fügte aber an: „Real Madrid passt in diesem Jahr analytisch in überhaupt kein Schema!“
Real Madrid zeigt „sportlich gewaltige Qualitäten“
Sammers Ausführung: „Die Spanier waren schon im Achtelfinale gegen Paris so gut wie ausgeschieden, wurden beim 0:1 im Hinspiel aufgefressen und hatten auch zu Hause große Probleme und lange keine Lösungen. PSG-Torwart Gianluigi Donnarumma bringt sie durch einen individuellen Fehler zurück ins Spiel, und was dann passiert, findest du in keinem Lehrbuch: diese Dynamik, dieser Geist, dazu vorne Karim Benzema (am Ende siegte Real Madrid 3:1; Anm. d. Red.). Danach kommt Chelsea im Viertelfinale, da ist Real zwischendurch wieder fast raus, sie kommen nochmals zurück und zeigen sportlich gewaltige Qualitäten. Das Gleiche im Halbfinale gegen Manchester City.“
Der 51-fache deutsche Nationalspieler finde jedoch nicht, dass die Madrilenen unverdient im Champions-League-Finale stehen. „Diese Ergebnis-Maschine Real Madrid ist eben erst besiegt, wenn das Spiel vorbei ist. Ich habe mich auch deshalb für Real gefreut, weil das, was diese Mannschaft zeigt, früher den Deutschen nachgesagt wurde: Erst wenn sie im Bus sitzen und das Stadion verlassen haben, musst du keine Angst mehr vor ihnen haben!“, erklärte Sammer und prognostizierte: „Liverpool ist auf dem Papier zwar Favorit, aber der Geist von Real ist nicht zu unterschätzen. Deshalb: 50:50.“
Den Königlichen wurden derweil in dieser Saison Schwächen in der Defensive nachgesagt. „Ich möchte nicht über die Abwehr, sondern über die Qualität bei Ballbesitz im Spiel nach vorne reden“, sagte Sammer und befand: „Benzema ist in der Form seines Lebens. Erstaunlich ist, dass Vinicius schon in der ganzen Saison eine sehr gute Entwicklung nimmt, weil Real ein Umbruch mit jüngeren Spielern gelungen ist. Das zeigt sich auch an Rodrygo oder an Camavinga und Valverde.“ Der FC Liverpool, so der gebürtige Dresdner, lege „vorne eine brutale Flexibilität und Power an den Tag mit Mané, Jota, Luis Díaz und Salah, der mal über die Halbbahn, mal über die Seite kommt, und am Ende taucht Mané als Mittelstürmer auf“.
„Ancelotti ist ein alter, weiser Trainer-Vater“
Am Ende dürfte es allerdings auch darauf ankommen, welcher Trainer seine Mannschaft taktisch besser ausrichtet: Jürgen Klopp oder sein Gegenüber? „Carlo Ancelotti ist in meinen Augen – er möge mir verzeihen – ein alter, weiser Trainer-Vater“, erklärte Sammer und führte aus: „Natürlich steht Real auf den ersten Blick nicht grundsätzlich für Innovation, für Außergewöhnliches. Auf den zweiten finde ich das schon: Real ist immer zurückgekommen. Waren es der Geist und die Erfahrung alleine oder hatte es auch mit Ancelottis Taktik zu tun? Sie drehen Spiele nicht nur mit dem Willen, sondern auch mit der Taktik, gehen in einer guten Organisation ein großes Risiko ein und spielen Alles oder Nichts.“
Real Madrid würde bereits vorne beginnen zu attackieren und „pressen Mann gegen Mann, was eigentlich der Gegner vorher mit ihnen gemacht hat“, so Sammer, „sie schalten schnell um, egal ob in der vordersten Linie oder ein Stück weiter hinten, um den Ball schnell wieder zu gewinnen. Die Gegner sind überrascht, dass ältere Spieler wie Modrić oder Kroos dazu noch in der Lage oder wie Benzema willens sind. Deshalb sollte man den alten Fuchs Ancelotti nicht unterschätzen, er weiß, was er taktisch tun muss, damit Real ins Spiel zurückkommt“. Ob das reicht, um zum 14. Mal Champions-League-Sieger zu werden, wird sich am 28. Mai in Paris zeigen.
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