
A Match made in Heaven
Nr. 1: Spielverständnis
Xabi Alonso war bereits als aktiver Fußballer der verlängerte Arm seiner Trainer. Auf der Position des tiefliegenden Spielmachers bestimmte er das Tempo der Mannschaft, teilte Mitspieler ein und setzte taktisch das um, was der Coach von ihm wollte. Dabei war es egal, ob es sich in Sachen Spielidee um schnelles Umschaltspiel, dominantes Tiki-Taka oder flankenlastiges Flügelspiel handeln sollte. Ancelotti, Mourinho und Co. wussten: Stell’ Xabi auf und er dirigiert am Feld praktisch so, wie du es theoretisch am Taktikblock stehen hast. Mit Alonso hätten die Spieler in Madrid jemanden, der sie versteht – ihnen aber auch genau erklären kann, was er am Platz von ihnen will. Etwas, das mir in den letzten Jahren unter Ancelotti, aber vor allem auch Zidane, oft abging.
Nr. 2: Variable Taktiken
Dass Xabi viele unterschiedliche Top-Trainer hatte, lässt sich am Fußball seiner Teams erkennen. So zeigt Leverkusen nicht nur pfeilschnellen Konterfußball im Stile José Mourinhos, sondern auch technisch anspruchsvolles Kurzpassspiel der Marke Pep Guardiola. Offensive und Defensive staffelt er phasenweise in ein 5-5-Muster, das Züge von Benítez erkennen lässt. Diese vielfältigen Einflüsse machen seine Teams schwer ausrechenbar und zeugen davon, dass sich der Spanier trotz klarer Visionen nicht dogmatisch auf eine Taktik oder Formation versteift. Er adaptiert je nach Spielsituation, Spielermaterial und Gegner.
Nr. 3: Mutiges Offensivspiel
Es wird niemanden überraschen, dass Xabi Alonso als Spanier (unter anderem) auf gepflegtes Kurzpassspiel setzt. Im Gegensatz zu Pep oder Arteta lässt der Ex-Blanco aber wesentlich vertikaler und risikoreicher spielen. Oft geht‘s mit wenigen, schnellen und direkten Kombinationen ab durch die Mitte, wo dann ein bis zwei zentrale Offensivspieler den Neuner oder die weit mit aufgerückten Außenspieler mit Bällen versorgen. Ein – zumindest in meinen Augen – sehr attraktives und spektakuläres Spiel, das sicher auch den meisten der anspruchsvollen Fans der Blancos gefallen würde. Balsam für die Madridista-Seele, bekam man im Estadio Santiago Bernabéu die letzten Jahre doch hauptsächlich Ergebnisfußball präsentiert.
Nr. 4: Charisma
Es gibt Menschen, die kommen in einen Raum und nehmen ihn sofort ein, noch ehe sie viel gesagt haben. Xabi Alonso ist so jemand. Er wählt seine Worte mit Bedacht, wirkt selbstreflektiert und weiß Leute mit seiner kultivierten Art in den Bann zu ziehen. Ähnlich wie Zinédine Zidane besitzt er die natürliche Autorität eines stillen Leaders. So jemandem möchtest du als Spieler zuhören. Zu so jemandem siehst du als Spieler auf. Und so jemanden willst du als Präsident als Vertreter des Madridismo.
Nr. 5: Spielerentwicklung
Vincente Del Bosque, Ancelotti und Zidane. Drei der erfolgreichsten Trainer in Real Madrids langer (Trainer-)Historie haben gemeinsam, dass sie es verstanden, eine Ansammlung von Stars zu managen. Das Problem dabei: Real Madrid hat sich verändert. Man setzt zunehmend auf junge Spieler, die mehr Ansprache brauchen als gestandene Starkicker. Mehr Taktiker als Vaterfigur. Ich bin sicher, dass Madrids Rasselbande unter Alonso zur gestandenen Weltklasse-Mannschaft reifen würde, denn das Potential dieser Elf ist nochmal um einiges höher als jenes von Leverkusen.
Nr. 6: Siegermentalität
Der 41-jährige Spanier übernahm im Oktober 2022 nicht nur ein Team, das auf dem Abstiegsplatz 16 abgerutscht war, sondern auch eine Mannschaft, der das Siegergen zu fehlen schien. Der Spitzname „Vizekusen“ kam nicht von ungefähr, schließlich konnte man in diesem Jahrtausend noch keinen einzigen Titel erringen. Dass der 41-jährige ausgerechnet mit dieser Mannschaft den Turnaround schaffte, ist umso bemerkenswerter.
Nr. 7: Rascher Impact
Meister mit der Infantil A (Reals U14) im ersten Jahr, Aufstieg mit Real Sociedad B in der zweiten Saison, Titelanwärter mit dem schwer angeschlagenen Leverkusen im zweiten Jahr. Xabis Teams funktionieren sehr schnell sehr gut. Das wird ihm im Haifischbecken Madrid, wo Zeit für Trainer ein knappes Gut ist, enorm helfen. Vieles spricht dafür, dass er auch bei den Blancos einen guten Start hinlegen würde, zumal er Klub und Liga kennt wie seine eigene Westentasche. Und vielleicht auch noch den einen oder anderen Nachwuchsspieler…
Nr. 8: Sein Status
Sollte er in Madrid einmal eine schlechte Phase haben, würde ihm sein Legendenstatus in der spanischen Hauptstadt mit Sicherheit helfen, nicht sofort heftigem Gegenwind ausgesetzt zu sein. Als Fanliebling und Vereinslegende hätte er bestimmt mehr Kredit bei Florentino Pérez sowie der teils überharten Presse als andere Trainer. Kein unwichtiger Faktor, gerade für einen vermeintlich unerfahrenen Coach, der er – trotz des berechtigen Hypes – immer noch ist.
Nr. 9: Fehlende Alternativen
Obwohl Ancelottis Abgang zu Saisonende aufgrund des auslaufenden Vertrags nahezu sicher ist, taucht in der Presse neben Alonso lediglich der Name Julian Nagelsmann auf. Der Bundestrainer hat bestimmt nicht ohne Grund nur bis zum Ende der EM unterschrieben – käme aber, sofern er nicht Europameister wird, nach dem Bayern-Aus mit stark angekratztem Image nach Madrid. Auch wenn Nagelsmann trotzdem eine interessante Personalie ist, sagt mir mein Gefühl, dass Pérez rund ein Jahr vor der Präsidentschaftswahl auf das sicherere Blatt Alonso setzen wird. Das Momentum spricht, neben den bereits genannten anderen Gründen, für den Noch-Leverkusen-Coach.
Das waren sie, die neun (mehr oder weniger) knackigen Gründe, warum Xabi Alonso für mich der perfekte Ancelotti-Nachfolger ist. Natürlich ist Real Madrid nochmal eine ganz andere Hausnummer als Leverkusen. Aber Leverkusen war auch schon eine andere Hausnummer als Real Socieads B-Team. Aus den genannten Gründen denke ich, dass die Paarung Real Madrid und Xabi Alonso perfekt matchen würde. Jetzt müssen nur noch beide nach rechts swipen.
Das war ein Gast-Beitrag von Jakob Paulnsteiner, in der REAL TOTAL-Community besser bekannt als Iago Blanco.
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