
Real Madrid – Valencia: Duell eins nach Vinícius-Aufruhr
MADRID. 174 Tage später stehen sie sich wieder gegenüber. Real Madrid empfängt am Samstag im Estadio Santiago Bernabéu zum 13. LaLiga-Spieltag (21 Uhr, im REAL TOTAL-Liveticker und bei DAZN) den Verein, mit dem man beim bislang letzten Duell eine besonders negative Erfahrung gemacht hat: FC Valencia.
Als die Königlichen am 21. Mai, vier Tage nach der 0:4-Klatsche und dem Aus im Champions-League-Halbfinale gegen Manchester City, im Estadio Mestalla gastierten, hatte man eigentlich mit nicht mehr als einer weiteren, einer belanglosen Partie in der Primera División gerechnet. Der FC Barcelona hatte die Meisterschaft eine knappe Woche zuvor nämlich offiziell besiegelt, für Real ging es sportlich dementsprechend um nichts mehr. Das Team von Carlo Ancelotti unterlag den „Fledermäusen“ 0:1, noch während der zweiten Halbzeit und allen voran nach dem Abpfiff drehte sich jedoch alles nur um eines: rassistische Anfeindungen gegenüber Vinícius Júnior von vereinzelten Zuschauern auf der Tribüne.
Ein wütender „Carletto“ monierte in der anschließenden Pressekonferenz, in der nichts außer Vinícius das Thema war, sein Schützling sei beim Verlassen des Platzes mit „Affe, Affe“-Rufen (auf Spanisch „mono“) verhöhnt worden. Nicht von Einzelnen, sondern vom nahezu dem gesamten Stadion. Speziell die Gegenseite behauptet, es sei vielmehr „Dummkopf, Dummkopf“ (auf Spanisch „tonto“) skandiert worden. Als der Brasilianer während der 17-minütigen Nachspielzeit wegen einer Schlagbewegung die glatte Rote Karte sah, drehte er sich beim Gang in die Katakomben in alle Richtungen des Runds, zeigte dabei provokant mit zwei Fingern eine Zwei – wie das Peace-Zeichen. Damit spielte er auf den möglichen Zweitliga-Abstieg an, den Valencia letztlich abwenden konnte.
„Sie hörten mir erst zu, als die Welt über Spanien sprach“
Nun das erstmalige Wiedersehen – wenn auch nicht im Estadio Mestalla. Dort gastiert Vinícius mit dem weißen Ballett am 2. oder 3. März, sofern es vorher nicht zufällig zu einem dortigen Aufeinandertreffen in der Copa del Rey kommt. „Ich war sehr traurig. Ich stehe auf dem Platz, um die Leute glücklich zu machen. Und eine Gruppe, von der ich weiß, dass sie eine Minderheit ist, kann einen so beeinflussen, dass man nicht mehr ans Spielen denkt“, blickte der 23-Jährige, der gegen die Übeltäter mittlerweile vor Gericht aussagte, bereits zuletzt gegenüber der Sportzeitung L’ÉQUIPE auf die Negativ-Vorkommnisse zurück. Sie schlugen hohe Wellen – national, aber auch international, weil das Fass allmählich überlief. Vinícius ging mit dem spanischen Ligaverband LFP hart ins Gericht und erhob den Vorwurf, LaLiga diene Rassisten als Bühne, ihre Gesinnung zum Ausdruck zu bringen.
„Was in Valencia geschah, war am 35. Spieltag, aber in allen Auswärtsspielen davor gab es rassistische Vorfälle. Sie haben nie etwas unternommen. Ich hatte schon mit LaLiga gesprochen und gesagt, dass sich das ändern muss. Aber sie haben mir nicht zugehört. Sie haben mir erst zugehört, als die ganze Welt über Spanien zu sprechen begann. Das hat sie dazu gebracht, zu reagieren. Ich persönlich weiß, dass ich die Geschichte nicht ändern kann, dass ich Spanien nicht zu einem Land ohne Rassisten machen kann und auch nicht die ganze Welt. Aber ich weiß, dass ich einige Dinge ändern kann. Damit die Kinder in Zukunft beruhigt sein können. Für sie werde ich alles tun, was ich kann“, versichert die Nummer 7, die drastischere Konsequenzen fordert: „In Valencia beleidigt eine ganze Gruppe in einem Stadion einen Spieler und im nächsten Spiel können sie normal spielen? Mit ihren Fans, ohne Punktverlust, ohne Sanktionen? Das ist es, was die Veränderung bewirken wird.“
„Verstehe jetzt ein bisschen besser, wie ich reagieren sollte“
Er habe sich wegen der eigenen Erfahrungen mehr mit dem Problem auseinandergesetzt. Der Stürmer: „Ich habe eine Menge über Rassismus gelernt, weiß jeden Tag mehr darüber. Es ist ein wirklich komplexes Thema. In der Vergangenheit wurden Menschen versklavt. Das interessiert mich sehr. Ich hoffe wirklich, dass sich diese Vorfälle nicht wiederholen. Ich verstehe jetzt ein bisschen besser, wie ich reagieren sollte. Ich möchte einfach in Ruhe spielen und wissen, dass ich auf dem Spielfeld nicht beleidigt werde, weil ich schwarz bin. Wenn mich ein Zuschauer beleidigt, weil ich ein Tor geschossen habe, ist das in Ordnung. Er kann mich beleidigen, ohne dass ich mich beleidigt fühle. Er kann mich das ganze Spiel über auspfeifen. Das ist mir egal. Wenn es um Rassismus geht, ist es etwas anderes.“
Ihm sei es wichtig gewesen, sich tiefergehend damit zu befassen, „weil ich sehr jung bin und noch nicht erlebt habe, was andere in der Vergangenheit erlebt haben. Mir wurde noch nie der Zugang zu einer Toilette verweigert, weil ich schwarz bin. Ich wurde noch nie gebeten, durch den Hintereingang eines Restaurants zu gehen, weil ich schwarz bin. Aber es war wichtig für mich, zu wissen, was anderen passiert ist. Ich habe mich an Menschen gewandt, die sich intensiv mit Rassismus auseinandergesetzt haben, an Menschen, deren Familien schwere Zeiten durchgemacht haben, an Menschen, die viel über Sklaverei wissen. Ich habe auch viel gelesen. Und ich möchte weiterhin Einfluss nehmen. Meine Stimme hat Gewicht. Ich kann helfen. Es geht nicht nur um Fußball oder nur um schwarze Menschen. Wenn dich jemand auf eine Weise beleidigt, die dich verletzt, musst du dich wehren. Bis sich die Dinge ändern“, will Vinícius nicht nur auf dem Platz erfolgreich sein.
Valencia-Appell an Fans: Bei Real Madrid gutes Bild abgeben
Am Samstag sollen 479 Valencia-Fans im Auswärtsblock präsent sein. Interessant: Beim Abschluss des Ticketverkaufs sandte der momentane Tabellenachte vor dem Hintergrund der Causa Vinícius den Appell, im Bernabéu ein gutes Verhalten an den Tag zu legen.
„Wir wurden nach dem unangenehmen Vorfall im Mestalla in den letzten Monaten mit Etiketten versehen, die wir nicht repräsentieren. Der Valencianismo ist keine rassistische Anhängerschaft. Das sind nicht die Werte, die uns ausmachen. Wie unser Trainer Rubén Baraja sagte, müssen wir uns als Verein und als Fans ‚gegen die auflehnen, die uns vorwerfen, etwas zu sein, was wir nicht sind‘. Das geht am besten, indem wir auf der Tribüne des Santiago Bernabéu ein Zeichen setzen, wo viele Augen und Kameras auf uns gerichtet sein werden. Rassismus hat weder im Fußball noch in der Gesellschaft etwas zu suchen. Um ihn auszurotten, müssen alle mitmachen“, lautet die Bitte des Vereins. Damit sich der 21. Mai nicht wiederholt. Nicht am 11. November, nicht am 2. oder 3. März. Gar nicht.
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