Analyse

Pressing, Ecken, Asencio: Vier Erkenntnisse nach Pleite bei Betis

Real Madrid lässt erneut Federn im Titel-Dreikampf - wieder auswärts. Neben der inzwischen chronischen Schwäche auf fremdem Terrain offenbaren die Königlichen weitere Schwachpunkte, die möglichst schnell beseitigt oder zumindest eingedämmt werden müssen, wenn die Saisonziele erreicht werden sollen. REAL TOTAL analysiert die wichtigsten Erkenntnisse nach der Niederlage bei Betis.

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Passivität und fehlende Zuordnung bei gegnerischen Ecken sind nur eines der akuten Probleme bei Real Madrid – Foto: Fran Santiago/Getty Images

1. Besorgniserregende Auswärtsschwäche

Während es in der gesamten Saison 2023/24 nur eine Niederlage gab, war das 1:2 bei Real Betis bereits Real Madrids vierte LaLiga-Pleite in der aktuellen Spielzeit – die dritte auf fremden Plätzen. Seit dem ersten Spieltag im August und dem 1:1 bei Mallorca zieht sich eine latente Auswärtsschwäche wie ein roter Faden durch die Saison der Königlichen. Neben drei Niederlagen gab es außerdem auch fünfmal Remis und nur sechs Siege in der Fremde, was in der Auswärtstabelle nur Platz drei und 23 Punkte bedeutet. Zum Vergleich: Der FC Barcelona holte bis dato aus ebenfalls 14 Spielen 30 Zähler in fremden Stadien. Nur zweimal schafften es Mbappé und Co., zwei Siege in Folge als Gast zu erringen: im Herbst folgte dem 2:1-Triumph bei Celta Vigo ein souveränes 3:0 in Leganés, und zu Beginn des Kalenderjahres konnte Real in Valencia (2:1) und Valladolid (3:0) gewinnen. Beinahe jedes Gastspiel der Merengues in der Primera División verläuft nach dem gleichen Muster – man tut sich mit der meist aufgeheizten Stimmung schwer, selbst nach gutem Beginn und frühen Führungen wie am Samstagabend in Sevilla oder vor zwei Spieltagen in Pamplona schafft es das Team von Carlo Ancelotti nicht, die Intensität hochzuhalten, baut mit immer größerer Passivität den Gegner auf und macht sich somit das Leben schwer. Am Ende könnte diese Schwäche im Titelkampf den Ausschlag geben.

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2. Kaum vorhandene Pressingresistenz

Hand in Hand mit den Problemen in fremden Stadien gehen die Schwierigkeiten, die der Titelverteidiger mit hohem und intensivem gegnerischem Pressing hat. Die Partie im Estadio Benito Villamarín steht dafür beinahe exemplarisch: In den ersten 30 Minuten schafften es die Blancos noch ziemlich gut, das früh anlaufende Betis mit schnellen Kombinationen und Laufbereitschaft zu neutralisieren, doch sobald der eigene Rhythmus ein wenig nachlässt, bekommt Real vor und teilweise schon im eigenen Strafraum Schwierigkeiten. In Andalusien machte sich in solchen Situationen vor allem das Fehlen von Jude Bellingham und Federico Valverde, aber auch Dani Ceballos bemerkbar, denn Luka Modrić und Aurélien Tchouaméni kamen mit der Aggressivität, mit der Betis das letzte Spielfelddrittel der Königlichen unter Druck setzte, überhaupt nicht zurecht. Folgerichtig entstanden daraus dann große Lücken zwischen dem defensiven Mittelfeld, das häufig komplett nach hinten gedrängt wurde, und dem offensiven Quartett vorne, so dass dem Team jegliche Kompaktheit abging. Ein ähnliches Bild war schon auch in Pamplona oder zuvor in Bilbao zu beobachten. Aus diesen drei Partien holte Real Madrid insgesamt nur einen Punkt.

3. Ecken hinten wie vorne problematisch

Bei Standards, was insbesondere für Eckstöße gilt, offenbart der Hauptstadtklub eine weitere Schwäche – sowohl defensiv als auch vorne. In der seit Saisonbeginn durch Verletzungen gebeutelten Defensive schaffen es die Blancos auch aufgrund ständig wechselnden Personals nicht, Ordnung und Zuordnung zu halten, was gegnerischen Ecken häufig zu vogelwilden Szenen führt. So auch am Samstagabend bei Betis gesehen, als beim Ausgleichstreffer Betis’ Johnny Cardoso vollkommen frei direkt vor Thibaut Courtois zum Kopfball kam. Zuordnung – Fehlanzeige! Dadurch, dass Antonio Rüdiger, David Alaba, Ferland Mendy und Co. überhaupt komplett passiv agierten, reichte es den Andalusiern, Vinícius Júnior mit einem einfachen (und fairen) Block von seinem Gegenspieler Cardosos fernzuhalten und dieser hatte am Ende ein einfaches Spiel. So entstand das wettbewerbsübergreifend schon zehnte Kopfball-Gegentor – ein Höchstwert!

Auf der anderen Seite entwickelt das Ancelotti-Team bei eigenen Eckbällen und Flanken generell kaum bis gar keine Gefahr. Der Offensivreihe der Merengues geht jede Kopfballstärke ab, was vor allem dann eklatant wird, wenn Jude Bellingham nicht dabei ist. Doch auch von hinten kommt bei Standardsituationen wenig Unterstützung – gegen Betis hatte Real mit Rüdiger nur einen wirklichen Zielspieler bei eigenen Ecken und Flanken, was nicht nur für Betis eher einfach zu verteidigen war. Hier macht sich eben das Fehlen eines klassischen Mittelstürmers bemerkbar, wie man ihn letzte Saison noch in Joselu hatte. Derzeit wäre Canterano Gonzalo García der Einzige, der diesem Profil auch nur einigermaßen entspräche, wie in Leganés bewiesen, doch es ist schwer vorstellbar, dass Carlo Ancelotti in der entscheidenden Phase der Saison auf den Castilla-Stürmer setzen wird. Von wem deutlich mehr Kopfballgefahr in gegnerischen Strafräumen ausgehen sollte und müsste, ist Aurélien Tchouaméni, bei dem bisher lediglich ein Kopfballtor im Real-Trikot zu Buche steht – seit dem 3:0 in Girona in der Hinrunde 2023/24 kam kein weiteres mehr dazu.

4. Ohne Asencio fehlt die Energie

Dass Carlo Ancelotti nach den beleidigenden Sprechchören der gegnerischen Fans im Halbfinal-Hinspiel der Copa del Rey in San Sebastián Raúl Asencio aus dem Spiel nahm, um den jungen Spieler zu schützen, war verständlich und richtig. Wenn Reals Trainer den 22-Jährigen aber aus dem gleichen Grund in Sevilla auf der Bank ließ, dann war das aus zweierlei Gründen falsch: Einerseits macht er aus dem Spieler damit ein „Soft Target“ und sendet ein falsches Signal an die gegnerischen Fans im Hinblick auf die kommenden Auswärtsspiele. Gleichzeitig schwächt er aber auch die eigene Mannschaft, denn ohne Asencio fehlt der königlichen Defensive die nötige Energie und Aggressivität, die der Canterano regelmäßig mitbringt, ob als Innenverteidiger oder auf der rechten Abwehrseite. Am Samstagabend in Sevilla hätte diese Energie Reals Hintermannschaft mehr als gutgetan. Daher sollte der Castilla-Verteidiger in den kommenden Wochen eigentlich gesetzt sein, und zwar positionsunabhängig.

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Kommentare
Ich frag mich immer, wie es zu so eklatanten Fehlentscheidungen bzw. Fehlern kommen kann.
LV17 ist so dermaßen überfordert gegen starke Gegner, gefühlt verlieren wir jedes Spiel mit ihm als Starter. Asencio ist unser stärkster IV zur Zeit, jung, Spanier und wird nicht aufgestellt, obwohl wir nur angeschlagene IV haben.
Mit Ceballos hatten wir den tiefstehenden Kroos-Ersatz für den Aufbau. Unter ihm waren die Spiele meistens stabiler. Modric kann das nicht, Cama außer Form. Da hätte man vor der Saison einen Ersatz holen müssen.
Mendy hatte jetzt nach 1 1/2 Jahren seinen Ersetzen Scorer Punkt. Wenn Vini nach innen zieht bzw. dort spielt sind wir links blank.
 
Wenn, so wie gestern, bei beiden IV‘s durch ihre Bandage schon zu erkennen ist, dass sie nicht wirklich fit (Rüdigers „Sprints“ taten schon beim Zuschauen weh) und auf der Gegenseite sitzt unser formstärkster IV 90 Minuten lang auf der Bank, dann spiegelt allein das vieles wider, was falsch läuft.
Wer auch immer für die Aufstellung verantwortlich ist, der trifft zumindest nicht immer sportliche Entscheidungen.
 
Im Sommer wird es für die oberste Etage Zeit, "unangenehme" Entscheidungen zu treffen. Natürlich alles aus meiner Perspektive: Vazquez muss mit gebührendem Respekt verabschiedet werden. Alaba muss klar gemacht werden, dass er noch genau eine Chance hat und sich sonst mit einer weniger wichtigen Rolle abgeben oder gehen muss. Mendy soll verkauft werden, denn das ist einfach zu wenig von ihm. Garcia muss sich mit der Backup Rolle zufrieden geben und schlussendlich darf sich auch Don Carlo verabschieden. Perez MUSS im Sommer handeln, denn viele der Spieler sind noch jung und können demnach noch geformt werden. Xabi Alonso ist demnach für mich die alleroberste Prioriät und ich hoffe so sehr, dass er auf eine 3er Kette in der Verteidigung setzt und endlich das Mittelfeld und den Spielfluss wiederbeleben kann.
 
Sagen wir doch einfach die knallharte Wahrheit…
Vasquez ist eine Frechheit und aus meiner Sicht nicht weniger als eine Schande für Real. Und bitte spart mir euer Argument, er sei immer einsatz bereit und meckere nie und leiste vollen Einsatz. Schon gut! Sein Einsatz ist so gut, dass wir jedes Spiel mit ihm verlieren. Punkt Ende Aus!

Dass Carlo gestern Asencio geschont hat, macht ja irgendwie Sinn - irgendwann muss er eine Pause erhalten. Und dass man einen verletzten Rüdiger spielen lässt - dass kann uns nur der sture Bock erklären, wie man so dermassen realitätsfremde Aufstellungen machen kann.

Was solls - beim nächsten Sieg sind dann wieder alle zufrieden, unsere Probleme behoben und wir werden jedes Spiel besser. Gerade so lange, bis sich dann gaaaaaaaaanz gaaaaanz überraschend der nächste Dauerbrenner verletzen wird: Mbappe, Vini oder Rodrygo….

Und das wird dann gaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaanz unfassbar überraschend kommen.

Fuck off! Ja, ich habs gesagt!! Fuck off Carlo! Pack deinen Scheiss und zisch ab!

Es wäre Zeit, dass Zidane für den Rest der Saison übernimmt - unter ihm haben wir zwar auch teils katastrophalen Fussball gespielt, aber ich bin mir relativ sicher, wir würden nur schon aufgrund des Trainerwechsels bessere Resultate einfahren, weil die Spieler schockiert wären und sich wieder mal beweisen müssten.
 
Toller Artikel. Fachlich und sachlich auf den Punkt gebracht. Natürlich gibt es noch viel mehr Punkte die für die aktuelle Situation sprechen. Wie von meinen Vorrednern erwähnt ein LV17 als RV, keinen pressing resistenten Ersatz nach Kroos verpflichtet zu haben. Einen müden Rüdiger statt Asencio zu bringen, etc. Aber diese 4 Punkte treffen exakt zu.
 

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