
Projekt Xabi schon gescheitert – Endspiel gegen City?
Anfang November schien Real Madrids Welt noch in bester Ordnung – dem überzeugenden Clásico-Sieg folgte die 4:0-Gala gegen Valencia. Das Team von Xabi Alonso thronte nicht nur an der LaLiga-Tabellenspitze mit fünf Punkten Vorsprung auf den FC Barcelona und war in der Champions League noch ohne Punktverlust, sondern schien sich auch spielerisch kontinuierlich weiterzuentwickeln und die Spielidee des neuen Trainers immer besser zu verstehen und umzusetzen. Nur fünf Wochen später ist davon faktisch nichts mehr übrig – das Projekt des neuen Real Madrid unter Alonso liegt spätestens nach der Liga-Heimpleite gegen Celta am Sonntagabend (0:2) in Trümmern. Und es ist äußerst fraglich, ob es überhaupt noch eine Überlebenschance hat. Laut übereinstimmenden Medienberichten aus Madrid tagte Reals Vereinsführung noch in der Nacht zum Montag, dabei soll das Duell gegen Manchester City (Mittwoch, 21 Uhr, im REAL TOTAL-Liveticker und bei DAZN) zum Endspiel für Xabi Alonso erklärt worden sein. Anders formuliert: Sollten die Blancos auch gegen das Guardiola-Team verlieren, ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Baske nach gerade einmal sechs Monaten entlassen wird, sehr hoch.
(Zu) viel Gegenwind aus der Mannschaft
Selbst ein Remis könnte dem 44-Jährigen zum Verhängnis werden, denn zu viel scheint bei Real Madrid im Argen zu liegen. Schon Wochen vor dem jüngsten sportlichen Einbruch tauchten erste Gerüchte, aber dann auch konkrete Meldungen auf, nach denen das Innenverhältnis zwischen Mannschaft und Trainer alles andere als intakt sei. In den vergangenen Wochen kamen diese Dissonanzen dann ziemlich offen und offensichtlich ans Tageslicht. In erster Linie ist es wohl der Spielerkreis um Vinícius Júnior, Rodrygo Goes und Federico Valverde – alles Ancelotti-Zöglinge, die Alonsos Vorgänger als eine Art Vaterfigur sahen – die mit dem neuen Übungsleiter und seinen Methoden nicht zurechtkommen und dies mehr oder weniger auch öffentlich zur Schau stellen. Sei es durch konkrete Vorfälle während der 90 Minuten, teilweise mangelhaften oder zumindest zweifelhaften Einsatz auf dem Platz oder gar relativ offensichtliche Weigerung, den taktischen Vorgaben Alonsos Folge zu leisten. Trotz aller Beteuerungen zuletzt, dass alles in Ordnung und das Verhältnis gut sei, kann man spätestens seit dem Celta-Desaster am Sonntagabend nicht mehr verhehlen – Xabi Alonso hat nicht die ganze Mannschaft hinter sich. Einige Blancos, inklusive der obengenannten, die im lockeren und entspannten System Ancelotti sowohl sportlich als auch persönlich erwachsen sind, scheinen auch ultimativ mit der fordernden und anspruchsvollen Art des Leverkusener Meistertrainers zu fremdeln respektive überhaupt nicht zurechtkommen.
Clásico-Skandal als Knackpunkt
Als Vinícius Júnior in der 72. Minute des Heimspiels gegen den FC Barcelona ausgewechselt wurde und sich anschließend lautstark und sichtlich wahrnehmbar beschwerend am Trainer vorbei direkt in die Kabine verschwand, wurden die zuvor nur gerüchteweise gestreuten Differenzen zwischen Teilen der Mannschaft und Alonso erstmals öffentlich sichtbar – auf der größtmöglichen aller Bühnen. Im Nachhinein kann dieser Vorfall, insbesondere aber das Ausbleiben jeglicher Konsequenzen für den Brasilianer, als der Wende- und Knackpunkt der noch so jungen Ära Alonso bei Real Madrid bezeichnet werden. Hatte Xabi bis dahin noch immer wieder für Überraschungen bei Aufstellungen, taktischen Formationen und Auswechslungen gesorgt, und somit auch für einen ganz neuen Konkurrenzkampf, so scheint den jungen Trainer diesbezüglich nach dem Clásico jeglicher Mut verlassen zu haben. Man fühlte und fühlt sich seitdem urplötzlich in die Endphase der Ancelotti-Ära zurückversetzt, wo man vor jedem Spiel zu 90 Prozent weiß, wie die Startelf aussieht, wo zu spät und zu berechenbar aus- und eingewechselt wird, und manche Spieler teilweise Narrenfreiheit genießen. Etwas scheint in dieser 72. Minute am 26. Oktober zerbrochen zu sein, und weder der beteiligte Spieler noch der Verein selbst taten genug, um diesen Bruch wieder einigermaßen wieder zu reparieren.
Alonsos Ende wäre auch Pérez-Niederlage
Als sich Vinícius Tage später über seine Social-Media-Kanäle (halbgar) für sein Verhalten bei allen entschuldigte, nur nicht bei demjenigen, dem die Aktion galt und der den größten internen und öffentlichen Schaden davontrug – Xabi Alonso selbst – ließ man es vereinsintern so durchgehen und beließ es auch dabei. Anschließend bemühten sich alle, inklusive Alonso, den Vorfall herunterzuspielen und versuchten, das Bild einer heilen Welt und intakten Familie nach außen zu transportieren. Da wirken die wohl gezielt in Szene gesetzten Umarmungen und freundlich/freundschaftlich wirkenden Plaudereien zwischen Spieler und Trainer bei Auswechslungen und Übungseinheiten inzwischen fast schon grotesk. Real Madrids Führung um Präsident Florentino Pérez versäumte es in dieser Situation, dem Trainer den Rücken zu stärken oder noch schlimmer – man entschied sich bewusst dagegen. Auch und vor allem deshalb wäre ein vorzeitiges und so frühes Ende des so hoffnungsvoll gestarteten Projekts Alonso auch eine herbe Niederlage für die Vereinsspitze selbst. Und dieses Ende scheint im Moment unumgänglich zu sein, denn selbst bei einem eindrucksvollen Erfolg gegen Manchester City würde sich grundsätzlich nichts ändern, so wie sich auch nach dem 3:0 in Bilbao absolut nichts geändert hat – nur vier Tage später lieferten die Blancos die wohl schlechteste Leistung der letzten Jahre ab.
So scheint Xabis Demission derzeit nur noch eine Frage der Zeit. Mit der großen anschließenden Frage: Was nun? Der aktuelle Kader des spanischen Rekordmeisters kostete in der vergangenen Saison die große Vaterfigur Carlo Ancelotti den Job, indem das Team die vom Italiener eingeräumten Freiheiten im schlechtesten Sinne ausnutzte. Andererseits scheint das Team jetzt das strengere und anspruchsvollere Regime Alonsos noch weniger zu akzeptieren. Wie soll unter diesen Umständen ein mindestens genauso strenger und penibler Castilla-Coach Álvaro Arbeloa den richtigen Zugang zur Mannschaft finden? Muss am Ende wieder einmal das Denkmal Zinédine Zidane die Kohlen aus dem Feuer holen? Bei dieser Real-Mannschaft dürfen mittlerweile Zweifel erlaubt sein, ob nicht sogar der als Respektperson immer so unantastbare Franzose relativ schnell am Verhältnis zum Team resignieren und scheitern würde.



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