
Freitag war es „endlich“ soweit: Erstmals wurde Zinédine Zidane auf einer Pressekonferenz nach David Alaba befragt. Zwar lachte er die Frage noch weg, doch am Dienstag lehnte sich dann auch die MARCA etwas weiter aus dem Fenster und setzte den Österreicher erstmals auf ihr Titelblatt. Spätestens da ist das Gerede um den Bayern-Star nicht mehr nur ein Gerücht wie zuletzt Szoboszlai, Foden, Rashford und Dybala. Mittlerweile können auch mehr und mehr Quellen uns bestätigen, dass da was im Busch ist. Aber so richtig greifbar, konkret ist es noch immer nicht. Sind die Königlichen wirklich an Alaba interessiert, oder ist es am Ende nur ein Theater, um Druck auszuüben, damit einerseits die Bayern ein besseres Angebot abgeben und Sergio Ramos ein schlechteres annimmt? Während auch die REAL TOTAL-Leser zwiegespalten sind, listet Chefredakteur Nils Kern die Knackpunkte zu dieser Causa und seine Gedanken dazu auf.

Klassiker
Erstmal die alte Leier, dass das Alaba-zu-Real-Gerücht eine richtig alte Leier ist. Was früher „Benzema zu Arsenal“ war, stellt mittlerweile diese Meldung dar. Allein bei REAL TOTAL finden sich Meldungen von 2015, 2016 und 2018, als sich relevante Personen zu diesem wiederkehrenden Gerücht äußerten. Manche „Evergreens“ wurden nunmal gerne immer wieder abgestaubt, wie auch Dybala, Salah oder Sancho.
Noch immer nichts Handfestes
Da sind wir schon beim Unterschied zur Gegenwart: Noch hat sich niemand geäußert. Kein Berater, Vater, Ex- oder Team-Kollege. In Medien werden unterschiedliche Zahlen genannt, aber nirgendswo ein O-Ton. Nachdem in der Vergangenheit schon viel geredet wurde, könnten mittlerweile auch Maulkörbe verteilt worden sein, um die Aktion nicht zu gefährden. Trotzdem: verdächtig, dass es so gar nichts Konkretes gibt.
Ablösefrei? Jein!
Vertragsfreie Spieler können reizvoll sein, nicht aber, wenn sie noch einen hohen Marktwert besitzen. Denn dann wird ein hohes Handgeld fällig, immerhin könnte der umworbene Spieler als gute Partie auch von anderen Vereinen Angebote erhalten. Bei Kylian Mbappé sollen das einst 5,0, bei Virgil van Dijk sogar 5,5 Millionen Euro gewesen sein für eine Unterschrift – und die waren nicht mal ablösefrei. Kurz: Ein Spieler wechselt nie umsonst. Und für Berater sind Wechsel immer lukrativer als Verlängerungen. Außer Uli Hoeneß betitelt sie als „geldgeilen Piranha“, der ein Honorar im zweistelligen Millionenbereich im Falle einer Verlängerung verlange – so angeblich geschehen bei Alaba-Berater Pini Zahavi.
Das Gehalt
Wie einst bei Toni Kroos ist auch bei David Alaba das Thema Wertschätzung ein beziehungsweise der Grund, den FC Bayern zu verlassen. Und Wertschätzung spiegelt sich großenteils in finanziellen Aspekten wider. Auch hier variieren die Zahlen: Mal werden zehn, mal 13 Millionen Euro als Nettogehalt genannt. Und da in Spanien für Fußballprofis der Spitzensteuersatz von 50 Prozent gilt, würde es Real Madrid brutto das doppelte kosten. Den Blancos geht es finanziell zwar okay, aber zu Corona-Zeiten haben auch sie die Spendierhosen trotz des Sparsommers 2020 nicht mehr an (gespart wird zudem eher für Mbappé). Alaba ist gut, sehr gut sogar, aber mit zehn Millionen würde er direkt in der Preisklasse von Toni Kroos, Karim Benzema und Luka Modrić einsteigen, wohingegen aktuell nur Sergio Ramos und Eden Hazard mehr als die 13 verdienen. Ob das für einen Nicht-Ballon-d’Or-Anwärter angemessen ist? In meinen Augen wären schon zehn Millionen fast zu viel, zumal man sich in zwei, drei Jahren noch etwas Luft für eine etwaige Verlängerung aufheben müsste.
Nur ein Druckmittel gegen Ramos?
Klar ist: Viele Gerüchte sind lanciert. Kaum ist angeblich ein Top-Verein im Spiel, steigert sich nicht nur der Marktwert des angeblich Umworbenen, sondern auch der Druck auf den eigentlich Interessierten. Und wenn dann noch Real Madrid in der Headline auftaucht, dann muss sich Betis noch etwas mehr strecken, um Fekir zu bekommen. Aber es geht auch anders herum: Es ist nicht undenkbar, dass Real Madrid durch mögliche Verhandlungen mit Alaba den Druck auf Sergio Ramos erhöhen will. Dessen Vertrag würde wie Alabas im Sommer auslaufen. Es heißt, Madrid habe seinem Kapitän einen ein-Jahres-Vertrag zu unveränderten Konditionen und einen zwei-Jahres-Vertrag zu verringerten Konditionen angeboten, Ramos aber abgelehnt (ebenso: Gerüchte). Meldungen, dass sich der Verein mit einem anderen möglichen Abwehrchef unterhält, dürften Ramos nicht schmecken, und er so mehr Druck verspüren, seinen geliebten Klub nicht zu verlieren. Geliebt? Sicherlich. Und doch hat Ramos einst das gleiche Spiel gespielt: „Ramos hat United nur benutzt, um einen besseren Vertrag bei Real zu erhalten“, warf ihm Rio Ferdinand vor, nachdem der Spanier 2015 doch noch bei den Blancos unterschrieben hat.
Alter und Position
Im Juni wird Alaba 29 – nach Umbruch riecht das nicht. Auf der anderen Seite hat Real Madrid in den letzten Jahren „genug“ junge Talente verpflichtet, die kurzfristig wenig helfen konnten. Und da man auch früher mit älteren Verpflichtungen wie Cannavaro, Beckham, Ronaldo oder sogar Di Stéfano und Puskás gute Erfahrung gemacht hat, ist das Alter weniger ein Knackpunkt als die Position. Denn noch ist Ramos da. Und Mendy. Und Casemiro. Und Alaba will nicht nur finanziell wertgeschätzt werden, sondern garantiert auch neun von zehn Spielen bestreiten. Aber nicht jede Partie auf einer anderen Position. Sollte mit Ramos noch verlängert werden, sehe ich aufgrund der Fitness des bald 35-Jährigen keinen akuten Bedarf, einen Alaba zu holen. Auch Casemiro und Mendy sind gesetzt, brauchen eher „günstigere“ Backups, und sollte man Militão abgeben wollen, würden wohl eher Innnverteidiger wie Koundé, Torres oder Upamecano in den Vordergrund rücken, also Jungs mit sowohl Erfahrung auf Top-Niveau als auch noch vielen Jahren vor sich.
Fazit
In meinen Augen ist das noch wie ein Kriminalfall mit zu vielen, unklaren Beweisen, die nicht zusammen passen. Noch nicht! Das Alter, die Position, das zu hohe Gehalt, der Berater (Pérez hat sich nicht umsonst in den letzten Jahren von machtvollen Agenten wie Mendes und Barnett „befreit“), die mangelnde Sprache und Liga-Erfahrung und sogesehen auch die nicht sichere Trainerzukunft in Madrid (Bleibt Zidane über den Sommer hinaus? Alaba ist kein Bale oder Hazard, den ein Pérez unabhängig eines Trainers verpflichten würde.), dazu noch nichts Handfestes geschweigedenn Aussagen relevanter Personen. Es wird heißer in dieser Causa, ja, aber ich traue dem Braten noch nicht. Und würde auch eher mit „Koan Alaba“ abstimmen. Ein toller Spieler, ein zweifelsohne feiner Kerl, aber für Real Madrid in diesen Corona-Zeiten passt das in meinen Augen nicht. Die aktuelle Wetterprognose: „Realaba“ wird vorbei ziehen.
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