Reportage

Alleskönner Sergio Ramos: So wirkt der Vertragspoker wie ein Witz

Obwohl er schon 34 Jahre alt ist, weiß Sergio Ramos bei Real Madrid derzeit zu überzeugen wie kaum ein anderer – als Leader, als Abwehrchef, und jetzt auch als Freistoßschütze. Gegen RCD Mallorca trifft der Kapitän spektakulär. Bestätigt er seine Leistungen weiter, dürfte sich der Vertragspoker mit den Bossen von selbst erledigen.

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Sergio Ramos
Ramos hatte seinen Anteil an Reals Erfolg gegen Mallorca – Foto: imago images / Marca

Traumhaftes Freistoßtor als Ausdruck starker Form

MADRID. Entschlossen steht er da, hat Position eingenommen. Er wartet darauf, dass per Pfiff das Go des Schiedsrichters ertönt. Seinen Mitspielern Karim Benzema und Gareth Bale, zwei nach Toren dürstenden Angreifern, machte er gerade noch deutlich: Das übernehme ich, das ist Chefsache, schaut ihr ruhig zu. Und dann hämmert Sergio Ramos das runde Leder zentral aus 20 Metern Entfernung mit einer Selbstverständlichkeit zum 2:0 für Real Madrid gegen RCD Mallorca in den Winkel, dass nicht nur Torwart Manolo Reina machtlos war, sondern auch Mittelfeldspieler Dani Rodríguez, der zur Unterstützung Reinas zur Torlinie geeilt war – man kennt es aus Fußballsimulationen –, nichts mehr retten konnte.

Eine Augenweide von Freistoß, von denen der Madridismo in der vergangenen Dekade möglicherweise weitaus mehr hätte erleben können, wenn Cristiano Ronaldo in seinen neun Jahren bei den Königlichen ruhende Bälle trotz seiner durchwachsenen Quote nicht so vernarrt stets für sich beansprucht hätte. Ramos hat an diesem späten Mittwochabend in der 56. Minute des 31. Spieltags der Primera División eindrucksvoll bewiesen, dass ihm Freistöße durchaus liegen. Wie so vieles andere auch.

Schon zehn Ramos-Tore in dieser Saison

Der Kapitän, der beim Aufbau von Angriffen oft mit nach vorne eilt und für kurze Momente einen zweiten Mittelstürmer mimt, kommt inzwischen wettbewerbsübergreifend auf zehn Saisontore. Und das als Innenverteidiger. Und das mit inzwischen 34 Jahren. Öfter hat er als Real-Profi, der er seit 2005 ist, nur in der Saison 2018/19 gejubelt: elf Mal. Bei mindestens sieben verbleibenden Partien also gut möglich, dass er seinen persönlichen Rekord noch einstellt. Team-intern ist mit 22 Erfolgserlebnissen aktuell nur Benzema besser. Drei seiner zehn Treffer hat Ramos seit Mitte Juni, als die Spielzeit nach der dreimonatigen Pause wegen der Coronavirus-Pandemie eine Fortsetzung fand, markiert. Vor Mallorca netzte der Spanier bereits aus dem Spiel heraus gegen SD Éibar (3:1) und per Elfmeter gegen Real Sociedad (2:1) ein.

Mit acht Toren in der Primera División hat er hingegen schon einen neuen persönlichen Bestwert aufgestellt – der torgefährlichste Verteidiger der LaLiga-Historie (169 Treffer) ist er zudem seit kurzem.

Dreimal Note 1,5: Kapitän seit Re-Start top

Es sind jedoch nicht allein die Tore, die ihn derzeit zu einem der konstantesten, wenn nicht sogar zu dem konstantesten Profi im Kader des weißen Balletts machen. Ramos weiß auch mit seiner Leistung in der Defensive zu überzeugen, erhielt von REAL TOTAL auch daher in drei von bisher vier Pflichtspielen seit dem Re-Start die Note 1,5.

Die Nummer 4 hält den Laden hinten als Lautsprecher dicht und gibt selbst dann weiter Anweisungen, wenn sie gar nicht mehr mitwirkt. So geschehen am vergangenen Sonntag in San Sebastián, als Ramos mit einem angeschlagenen linken Knie nach 60 Minuten humpelnd ausgewechselt werden musste, das aber nicht als persönlichen Feierabend verstand. Er animierte seine Teamkollegen von der Bank aus, gab ihnen angesichts der umkämpften Partie Hinweise.

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Wegen ebenjenen lädierten Knies schien ein Startelf-Einsatz gegen Mallorca noch zu Wochenbeginn eher keine Option zu sein. Lieber schonen anstatt ein Risiko einzugehen, wurde gemutmaßt, wie Zidane plant. Aber wenn er fit ist, dann steht ein Leitwolf wie Ramos auch auf dem Rasen. Erst recht, wenn es um die Meisterschaft geht.

Vertrag bis 2021: Der große Poker um die neue Laufzeit

Ein Ramos, der defensiv sicher steht. Ein Ramos, der vorne trifft – und das dann auch noch besonders sehenswert. Gegenwärtig müsste jedes weitere Spiel das Verlangen der Chefetage steigern, den nur noch bis zum 30. Juni 2021 laufenden Vertrag besser heute als morgen zu verlängern. Während Bruder und Berater René Ramos zuletzt behauptete, Gespräche darüber hätten noch gar nicht begonnen, verbreiten Medien in Madrid bereits seit einiger Zeit Meldungen, wonach Klub und Spieler bislang unterschiedlich denken.

Knackpunkt: das hohe Alter des Abwehrchefs. Ramos würde dem Vernehmen nach gerne gleich ein neues Arbeitspapier bis Mitte 2023 unterschreiben, um so definitiv auch noch im umgebauten Estadio Santiago Bernabéu aufzulaufen. Die Bosse um Präsident Florentino Pérez und Generaldirektor José Ángel Sánchez sollen ihm zumindest vorerst aber nur den 30. Juni 2022 als Ende einer möglicherweise neuen Laufzeit bieten.

Er ist unser Kapitän, unser Leader. Sergio ist seit vielen Jahren hier und muss seine Karriere hier beenden. Das denke ich und das werde ich immer sagen. Zinédine Zidane nach dem Mallorca-Spiel über Sergio Ramos

„Mein Gott! Mit Ramos muss verlängert werden“

Für Predrag Mijatović, einst selbst Spieler und später Sportdirektor von Real, ist das Grübeln seitens des Vereins ein Unding. „Wir können es uns nicht erlauben, ihn gehen zu lassen und einem anderen Klub damit zu helfen. Er gehört uns. Der Klub denkt nun darüber nach, was mit Ramos passieren soll. Mein Gott! Mit ihm muss verlängert werden. Ob zwei oder drei Jahre, spielt keine Rolle. Dieser Typ muss seine Karriere in Madrid beenden. Er ist wichtig, ein Schatz des Klubs. Bei all dem, was er geleistet hat, und all dem, was er noch leisten kann… vielleicht nicht mehr auf dem Spielfeld, denn möglicherweise wird er das in ein paar Jahren nicht mehr können. Aber er wird auf junge Spieler Einfluss nehmen und ihnen beibringen können, wie man sich verhält und an den Verein anpasst“, appelliert der Montenegriner eindringlich an die Führungsriege, Ramos nochmals zu binden.

Führt man sich seine immense Wichtigkeit, seine Performance in diesem Alter und all seine Verdienste im Klub – unter anderem 21 Titel – vor Augen, mag der Poker um das eine Jahr mehr inzwischen wie ein Witz erscheinen. Nicht nur für jemanden wie Mijatović. Bestätigt Ramos seine Leistungen weiter, dürfte sich die Sache jedoch von selbst erledigen und er bis 2023 unterschreiben. Zumal es ja bekanntlich heißt: Es gibt kein zu jung oder zu alt, es gibt nur gut oder schlecht. Und wie gut Ramos ist, hat das Mallorca-Spiel mal wieder hervorragend gezeigt…

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von
Filip Knopp

Begleitet den Mythos Real Madrid als Fan seit der Ära der „Galácticos“ und journalistisch bei REAL TOTAL seit Mitte 2011. Erfahrungen auch bei SPORT1 und SPOX, zudem Autor von »111 GRÜNDE, REAL MADRID ZU LIEBEN«.

Kommentare
Ich möchte wirklich ungern die Euphoriebremse spielen, aber hier wird mir das ganze zu vereinfacht dargestellt. Ramos ist eine Legende, klar. Ramos ist der beste IV seiner Zeitrechnung, klar. Ramos hat eine einzigartige Mentalität, ebenfalls klar.

Man darf aber im Gegenzug dazu folgendes nicht vergessen:

-Ramos hat seit Jahren, den taktisch diszipliniertesten Innenverteidiger weltweit neben sich, was ihm seine offensiven Ausflüge überhaupt erst ermöglicht.
-Bis zu diesem Jahr war die Real Defensive dennoch NIE konstant weltklasse. Selbst in Mourinho Zeiten fing man sich überdurchschnittlich viele unnötige Gegentore, durch Unachtsamkeiten von Ramos(oder noch öfter Marcelo). Die jetztige Stabilität rechne ich vor allem den neuen System von Zizou an. Es ist die maximal mögliche Risikobeschränkung. Mit Valverde und Casemiro vor der Abwehr, zwei spielerisch eher limitierte Zweikampfmonster. Mit Mendy anstelle von Marcelo und Courtois der dieses Jahr in einer eigenen Liga performt und uns unzählige Gegentreffer erspart hat.

Die Jahre davor sind aber gefühlt 70% unserer Gegentreffer über die vermaledeite linke Seite gefallen. Durch CR hatte man dort keinen defensiv helfenden Flügel, Kroos' Defensivarbeit kennen wir hinlänglich, Marcelo und Ramos taten ihr Übriges. Man kann also die defensive Stärke nicht nur Ramos zuordnen, und dass dieser gerade gegen die kleinen Gegner weiterhin ein Unsicherheitsfaktor darstellt ist nicht zu verleugnen.

Seit der Corona Pause spielt er weltklasse, das ist klar. Davor haben sich aber regelmässig häufende Schnitzer eingespielt. Sein Vertrag läuft noch bis Ende Sommer 21. Danach würde ich sein Papier noch ein letztes Jahr verlängern zum Sommer 22, dann ist er 37. Wenn die Leistung dann immernoch weltklasse ist und er sich die Einweihung des neuen Bernabeus wünscht, kann er gerne DANN noch ein Jahr dran hängen.

Wenn die Leistung aber bis dahin ganz gemäss dem Naturgesetz des alterns langsam aber sicher deutlich abbaut, tun wir weder uns noch Ramos einen Gefallen mit der Fortsetzung des Vertrags.

Man sieht das doch ganz gut an Beispielen wie Bale. Dieser hat den Moment des Gehens um zwei Jahre verpasst, und sich u.a. damit den Hass der Madridistas zugezogen. Sein Legendenstatus ist komplett verflogen. Benzema droht nach seiner neuerlichen Verlängerung früher oder später dasselbe Szenario. Wenn man an den Anfang des Jahres denkt, war Benz auf dem besten Weg dorthin.

Man darf sich jetzt nicht wegen 3-4 guten Spielen nach der Corona Pause auf eine Verlängerung festnageln. Das ist in der Vergangenheit zu oft schief gegangen.

Rundum guter und informativer Beitrag, Daumen hoch. Mit deinem zweiten und dritten Absatz kann ich allerdings nicht konform gehen. Die klingen nämlich so als würdest du die Abwehrfehler auf Ramos abwälzen und wenn die Abwehr gut steht sie nicht Ramos anrechnest, sondern anderen Spielern. Das finde ich nicht ganz fair, aber vielleicht hab ich dich da auch falsch verstanden.

Sowie @LaLe28 bereits sagt, ist es für den Verein *die* Gelegenheit einer Vereinslegende einen würdigen Abschied zu gönnen, denn mit 37 wird er mit Sicherheit kein neuen Verein suchen. Mich schauderts immer noch beim Anblick von Casillas im Porto und Raul im Schalke Trikot.

Ich bin Ramos für alles dankbar, denn er war neben CR7 das größte Big Game Beast der letzten 10 Jahre. Was mir allerdings leichte Bauchschmerzen bereitet haben, waren seine Wechselgedanken in der Vergangenheit, Stichwort : Man United und China. Es hat ein faden Beigeschmack hinterlassen und die Frage aufgeworfen ob Ramos wirklich für diesen Verein blutet wie er das auf sozialen Netzwerken so zeigt oder der Verein nur ein Mittel zum Zweck für sein Ego ist. Ich weiß, sehr unbeliebte und gewagte Aussage, aber auf einer Stufe mit Raul und Casillas kann ich Ramos (leider) nicht einordnen.
 
Was spricht dagegen sein Vertrag um ein Jahr zu verlängern und ihn gegebenenfalls um ein weiteres zu verlängern? Soviel Anstand sollten beide Parteien doch haben, offen und ehrlich miteinander zu kommunizieren, wie es um seine aktuelle und zukünftige Situation steht. Sommer oder Herbst 2021 wäre doch immernoch früh genug, um eine Entscheidung zu treffen.

Zutrauen würde ich es ihm allemal, dass er bis 2023 Leader und ggf. Leistungsträger sein kann. Chiellini ist ein Jahr älter und macht auch keine Anstalten schwächer zu werden. Man braucht aber auch nichts übers Knie brechen und jetzt entscheiden, dass man noch 3 Jahre zusammenarbeitet. Das ist im Fußball eben eine ziemlich lange Zeit.
 
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In dieser Form ist Sergio unverzichtbar. Vorbildlich, wie er momentan voran geht und für diesen Liga-Titel kämpft! Trotzdem bin ich nach wie vor der Meinung, dass man den Umbruch unbedingt forchieren sollte. Ramos ist 34 und hatte in den letzten Jahren auch nicht gerade wenige schwache Spiele und Patzer, die uns Punkte gekostet haben. Auch wenn es momentan andersrum ist: gerade gegen schwächere Gegner ist er gern mal mit dem Kopf wo anders. Ich weiß, ich mach mich damit unbeliebt aber so sehr ich unseren Kapitän schätze und für seine Leistungen dankbar bin: mit einem zu Vertragsende 35jährigen Abwehrspieler zu verlängern, wäre schlichtweg das falsche Zeichen für mich. Ja, ihn zu ersetzen wird schwer aber das wird es 2021 genauso wie 2, 3 Jahre danach. Wenn er schlau ist, geht er, bevor er abbaut. Am besten mit zwei weiteren Meisterschaften im Gepäck.
PS: Wenn es tatsächlich nur 1 Jahr ist, wäre das aufgrund der momentan erschwerten Situation am Transfermarkt ein guter Kompromiss. Länger sollte es aber dann wirklich nicht sein.
 

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