Reportage

Arbeloa, Danilo, Odriozola, Hakimi: Carvajal macht keiner etwas vor

Daniel Carvajal kann auf Real Madrids rechter Abwehrseite keiner etwas anhaben – und das schon seit über einem halben Jahrzehnt. Achraf Hakimi kneift vor dem Spanier und ist der vierte Profi, der den Konkurrenzkampf nicht gewinnt.

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Daniel Carvajal
2013 fing es an: Carvajal hat sich als Rechtsverteidiger zu einer festen Größe bei Real Madrid entwickelt – Foto: imago images / Cordon Press/Miguelez Sports / VI Images / AFLOSPORT / PA Images

Als die rechte Abwehrseite eine Baustelle war

MADRID. Es gab Zeiten, da befand sich das selbstbewusste, stets von sich überzeugte und unerschütterliche Real Madrid am Rande der Verzweiflung. Nachdem sich Míchel Salgado 2009 nach zehn Jahren im Trikot der Königlichen aus dem Santiago Bernabéu verabschiedet hatte und Sergio Ramos zwei Jahre später zum Innenverteidiger umfunktioniert worden war, fiel den Verantwortlichen die Neubesetzung einer Position so schwer wie selten zuvor.

Im Zuge des wilden Transfer-Sommers 2009 kehrte Álvaro Arbeloa vom FC Liverpool zurück zu seinem Herzensverein. Ein Akteur, der jedoch eher ein Defensiv-Arbeiter der alten Schule war. Will heißen: Einer, der seine Aufgaben in der Abwehr ordentlich erledigte, aber technisch limitiert war, kein sonderlich hohes Tempo aufwies und im Spiel nach vorne daher eher zurückhaltend agierte. Anders formuliert: Niemand, mit dem man stolz angegeben hat.

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José Mourinho, der das Zepter an der Concha Espina 2010 übernahm, schätzte Arbeloa unabhängig davon wie kaum einen anderen Profi bei Real. Zwischen ihm und dem „Special One“ passte kein Blatt Papier. Nichtsdestotrotz behielt Mourinho immer wieder ein Auge auf dem Transfermarkt, um die rechte Seite zu verstärken. Weil aus einer Verpflichtung von Inter Mailands Maicon nichts werden sollte, blieb die rechte Verteidigung eine Schwachstelle. Mit Lassana Diarra, Hamit Altintop und Michaël Essien halfen unter Mourinho als Arbeloa-Alternativen gelegentlich Spieler aus, deren Hauptpositionen im Mittelfeld lagen.

Carvajal kommt und krallt sich die Position

Als der Star-Trainer nach drei Jahren ging, ging mit ihm auch das Rechtsverteidiger-Problem. Ein gewisser Daniel Carvajal kam nämlich zurück. Der damals 21-jährige Spanier, von 2002 an in der Jugend der Madrilenen ausgebildet, wurde bereits nach seiner hervorragenden Premieren-Saison bei Bayer 04 Leverkusen von Real per Rückkaufoption für 6,5 Millionen Euro zurückgeholt. Er beanspruchte die Defensiv-Seite umgehend für sich und kommt seitdem in jeder Saison auf mehr Einsätze als sein jeweiliger Konkurrent.

Während das Verdrängen von Arbeloa wegen dessen fortschreitenden Alters – er kam mit 26 und verließ Real im Frühjahr 2016 mit 33 – eine ganz natürliche Konsequenz war und niemanden überraschte, forderte Real Carvajal im Laufe der Zeit mit zwei nicht gerade günstigen und erfolgshungrigen Außenverteidigern jeweils neu heraus. Danilo wurde 2015 für 31,5 Millionen Euro vom FC Porto losgeeist, Álvaro Odriozola 2018 für 30 Millionen Euro von Real Sociedad. Eigentlich soll Konkurrenz das Geschäft ja beleben, unter dem Strich haben die Königlichen mit dem Duo aber eher 60 Millionen Euro in den Sand gesetzt.

Daniel Carvajal
Carvajal fuhr mit Real schon mehr als ein Dutzend Titel ein – Foto: imago images / MIS

Gar nicht erst versuchen: Hakimi kneift vor Carvajal

Keiner der beiden konnte der Nummer 2 den Posten hinten rechts ernsthaft streitig machen. Einerseits aufgrund eigener nicht wirklich überragender Leistungen. Auf der anderen Seite aber eben auch, weil Nationalspieler Carvajal mit seiner defensiven Härte und offensiven Galligkeit schlichtweg nicht zu bezwingen war. In der Saison 2017/18, nachdem Danilo schon wieder gegangen war und bevor Odriozola kommen sollte, hielten die Verantwortlichen um Trainer Zinédine Zidane den damals 18-jährigen Achraf Hakimi als Backup für ausreichend. Der in Madrid geborene Marokkaner war vielmehr Lehrling anstatt Carvajal-Rivale.

Jetzt, drei Jahre später, hätte das ganz anders aussehen können. Hakimi entwickelte sich in den letzten beiden Spielzeiten auf Leihbasis bei Borussia Dortmund hervorragend, sei nach Ansicht seines Beraters Alejandro Camaño zum weltbesten Rechtsverteidiger neben Trent Alexander-Arnold vom FC Liverpool aufgestiegen. Eine Aussage, die sich mit der Unterschrift des inzwischen 21-Jährigen bei Inter Mailand allerdings gehörig beißt. Hakimi ging nach Italien und versuchte es als nun besserer Spieler gar nicht erst in Madrid, weil Carvajal dort ist. „Ich denke nicht, dass eine Rückkehr zu Real Madrid aufgrund der Präsenz eines Spielers wie Dani Carvajal günstig gewesen wäre“, so Camaño.

Auch wenn das taktisch günstigere System bei Inter (3-5-2 statt Reals meist praktiziertes 4-3-3) und die hohe Wertschätzung von Antonio Conte ebenso gewichtige Wechsel-Gründe gewesen sind, lässt sich konstatieren: Hakimi hat vor Carvajal gekniffen. So wie sich Danilo nach zwei Jahren Richtung Manchester City aus dem Staub gemacht hat, weil ihm klar wurde, dass das mit einem Stammplatz nichts wird. Odriozola verschwand derweil im Januar leihweise zum FC Bayern München, wo er aber ebenso nicht spielt.

Carvajal macht begreifbar, warum Hakimi ging

Carvajal steckt sie alle in die Tasche. Und schon am Sonntag hat er vielen gezeigt, warum Hakimi lieber einen anderen Weg gehen will. Nur drei Tage nach der offiziellen Transfer-Verkündung legte Carvajal beim 1:0-Auswärtserfolg gegen Athletic Bilbao mit einem starken Stellungsspiel, cleveren Zweikampfverhalten und gesunden Maß an Aggressivität eine Spitzenleistung hin, die REAL TOTAL mit der Note 1,5 würdigte. Tritt er weiter so auf, ist er hinten rechts mit seinen erst 28 Jahren auch in Zukunft völlig zurecht die unangefochtene Nummer eins – und Real so weit von dem Zustand einer Verzweiflung entfernt, dass sogar ein vielversprechender Youngster wie Hakimi verkauft wird…

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von
Filip Knopp

Begleitet den Mythos Real Madrid als Fan seit der Ära der „Galácticos“ und journalistisch bei REAL TOTAL seit Mitte 2011. Erfahrungen auch bei SPORT1 und SPOX, zudem Autor von »111 GRÜNDE, REAL MADRID ZU LIEBEN«.

Kommentare
Hoffentlich kann er die Leistungen aus dem Spiel gegen Bilbao auch über die nächsten Jahre aufrecht erhalten. Ich fand ihn in einigen Spielen dieser Saison sehr schwach (sicherlich auch aufgrund der mangelnden Qualität auf RA). Ungewohnt überstürzt, schwache Abspiele, viele Ballverluste. Aber lasse mich gerne eines besseren belehren.

Hätte trotzdem gerne Hakimi bei uns gesehen, er hätte sehr variabel auf rechts zum Einsatz kommen können - als RA oder RV. Angesichts des mangelnden RA wäre das sehr wertvoll gewesen.
 
Die Frage der Fragen ist was machen wir wenn sich dani mal verletzt da haben wir keine Alternative. Für 1-2 Spiele kann man ihn mit nacho oder militao ersetzen aber sollte er wie jetzt immer weiter spielen müssen wird es genau so wie bei benzema nur eine Frage der Zeit sein bis die mal länger ausfallen. Die beiden bekommen ja quasi überhaupt keine Pausen.
 
Als Benitez ihm Danilo vor die Nase gesetzt hat, konnte man ihm seine Verunsicherung sehr gut anmerken, denn er braucht den vollen Rückhalt seines Trainers. Dani genießt das volle Vertrauen von Zidane und das zurecht. Die Aufgabe eines Verteidigers ist es in erster Linie zu verteidigen, die Offensivqualitäten sind natürlich ein Plus im modernen Fußball, aber Dani gehört dort ebenso zur Welt-Elite. Dem selbsternannten TAA-Verschhnitt, der jetzt in Italien kickt, fehlt im Moment noch sehr viel, um zu Dani aufzuschließen.
 
Als Benitez ihm Danilo vor die Nase gesetzt hat, konnte man ihm seine Verunsicherung sehr gut anmerken, denn er braucht den vollen Rückhalt seines Trainers. Dani genießt das volle Vertrauen von Zidane und das zurecht. Die Aufgabe eines Verteidigers ist es in erster Linie zu verteidigen, die Offensivqualitäten sind natürlich ein Plus im modernen Fußball, aber Dani gehört dort ebenso zur Welt-Elite. Dem selbsternannten TAA-Verschhnitt, der jetzt in Italien kickt, fehlt im Moment noch sehr viel, um zu Dani aufzuschließen.

Und selbst TAA sehe ich nicht auf dem Level..
Klopp hat beim BVB mit einem Großkreutz auf der RV-Position sehr erfolgreich gespielt, wo spielt Großkreutz jetzt? :D Ich sehe Klopp einfach extrem stark! Der Spieler die eigentlich gar nicht so gut sind, einfach unglaublich gut macht.
Unter Klopp wäre Vazquez ein Ballon Dor Kandidat!
 
das einzige was dani fehlt ist genaue flanken schlagen zu können. Seine flanken sind echt mies.

Was mich aber am meisten beeindruckt ist wie verdammt robust der kerl ist, der spielt alle 2-3 tage ohne pause durch und das immer auf dem höchsten niveau, obwohl die av positionen so extrem laufintensiv sind. Hoffe sehr das er sich nicht verletzt, brauchen ihn in der cl gegen city.
 
Für mich sehr unterschätzt und das schon lange. Hatte zwischendurch auch Tiefen aber kein Wunder, der rennt seit Jahren unermüdlich die rechte Seite auf und ab!
Bezüglich Konkurrenzkampf muss man aber fairer Weise sagen: es gab nie einen echten Konkurrenzkampf zwischen Dani und den anderen. Carvajal war stets gesetzt und die "Konkurrenz" stets nur BackUp. Jetzt kann man natürlich sagen, die waren nicht gut genug aber das wäre nur die halbe Wahrheit. Ohne Vertrauen und Spielzeit hat man es schwer. Und wenn du selbst dann nicht spielst, wenn dein Konkurrent außer Form ist, gibt das auch nicht gerade mehr Selbstvertrauen.
Dass Hakimi jetzt als Feigling, der den Konkurrenzkampf scheut, dargestellt wird, finde ich auch unfair. Er wäre wie seine Vorgänger unter ZZ nur Notnagel gewesen.
 
Also ich mag ihn . Wenn er Form ist der beste Rv der Welt
 
Für mich seit 13/14 bis heute der beste Rechtsverteidiger der Welt. Da ist es für jeden RV, egal wer unmöglich vorbei zu kommen.
 
Für mich sehr unterschätzt und das schon lange. Hatte zwischendurch auch Tiefen aber kein Wunder, der rennt seit Jahren unermüdlich die rechte Seite auf und ab!
Bezüglich Konkurrenzkampf muss man aber fairer Weise sagen: es gab nie einen echten Konkurrenzkampf zwischen Dani und den anderen. Carvajal war stets gesetzt und die "Konkurrenz" stets nur BackUp. Jetzt kann man natürlich sagen, die waren nicht gut genug aber das wäre nur die halbe Wahrheit. Ohne Vertrauen und Spielzeit hat man es schwer. Und wenn du selbst dann nicht spielst, wenn dein Konkurrent außer Form ist, gibt das auch nicht gerade mehr Selbstvertrauen.
Dass Hakimi jetzt als Feigling, der den Konkurrenzkampf scheut, dargestellt wird, finde ich auch unfair. Er wäre wie seine Vorgänger unter ZZ nur Notnagel gewesen.

Also in der Sache mit dem Konkurrenzkampf muss ich sagen, dass es eigentlich tatsächlich meistens so war, dass seine Konkurrenten nicht gut genug waren. Arbeloa war irgendwann einfach nur noch zu alt, schon 31/32 als Carvajal sich in die Stammelf performte. Die Entwicklung war vorhersehbar und auch so gewollt.

Die letzten zwei waren nicht einmal richtige Konkurrenten rein von der Spielerqualität her. Danilo konnte sich weder bei ManCity noch bei Juve durchsetzen. Er war/ist stehts zweite oder dritte Wahl und bei uns kann ich mich an fast nur schlechte Auftritte von ihm erinnern. Selbstvertrauen hin oder her, da würde trotz aller berechtigter Kritik gegen Zidane fast jeder Trainer Carvajal ohne zu zögern präferieren. Dass Danilo trotzdem vor allem unter Benitez oft gespielt hat, lag vor allem an Danis Verletzungen (fast die ganze Hinrunde verletzt gewesen, Rückrunde nicht ganz fit und ebenfalls zwei kleinere Verletzungen erlitten). Danilo hatte genug Chancen sich festzusetzen. Mit Odriozola sieht es ähnlich aus, es reicht bei ihm einfach nicht. Er schafft es nicht einmal einen Pavard, der aufgrund der WM viel zu krass aufgewertet wurde, irgendwie gefährlich zu werden. Das sind keine echten Konkurrenten im klassischen Sinne.

BENZEMA hatte Konkurrenten wie Higuain, Morata oder Jovic, also Spieler die aufgrund ihrer Klasse IN DER THEORIE fähig gewesen wären, ihn zu verdrängen. Dani hatte solche nicht. Hakimi wäre der erste ernst zunehmende Konkurrent gewesen, der hier für Startelf-Einsätze genug Gründe geliefert hätte (da bin ich mir ziemlich sicher). Ob Zidane das zugelassen hätte, darf man aufgrund seiner vergangen Taten zurecht anzweifeln. Finde es demnach auch etwas unfair, dass im Artikel suggeriert wird, Hakimi sei einfach nur ein Angsthase gewesen.

Ich finde Daniel Carvajal wurde ähnlich wie Luka Modric damals in seiner Prime zu sehr unterbewertet. Als er offensichtlich der Beste auf seiner Position war, hat das kaum jemand anerkannt. Jetzt ist er immer noch stark, dennoch wird er mir persönlich von einigen als zu stark bewertet. Ist aber auch egal, seine Verdienste sind unbestritten!
 

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