
Ist träumen erlaubt?
Mit vorschnellem Lob in Transfersommern muss man immer vorsichtig sein, bei jedem Verein. Zu viel kann noch passieren, Erwartungen enttäuscht werden. Aber bei dem, was Real Madrid gerade macht, fällt es schwer, nicht ins Träumen zu geraten.
Denn die Zukunft erscheint Stück für Stück klarer, denn durch den von Fans lange herbei gesehnten Casemiro-Backup scheint nun das zukünftige Mittelfeld einen Namen zu haben: „VTC“ statt „MCK“. Beziehungsweise: Valverde-Tchouaméni-Camavinga statt Modrić-Casemiro-Kroos.
Statt harter Umbruch: Jahr für Jahr kleine Veränderungen
Und auch sonst passiert im Kader viel und ist vor allem viel passiert. Während immernoch das Wort „Umbruch“ oft zu hören ist, scheint Real Madrid nicht alles auf einmal auf links zu drehen, sondern stattdessen Jahr für Jahr einzelne Positionen zu ändern. Von 2018 bis 2022 wurden immer wieder verdiente Spieler abgegeben, und Stück für Stück neue Akteure integriert und langsam hochgezogen, wie Vinícius Júnior, Federico Valverde oder Éder Militão. Im Champions-League-Finale spielten sie alle groß auf, ebenso wie das erfahrene Mittelfeld-Trio.
Diese Mischung hob schon Toni Kroos im Kicker-Interview hervor: „Der Mix stimmte perfekt. Real hat es verstanden, Spieler zu entwickeln und dazu über die Jahre sehr schlau einzukaufen. Das erhöht die Chance, Titel zu holen. Gareth Bale oder Cristiano waren ja nicht billig. Aber bei ihnen stimmte die Qualität und sie erfüllten die Voraussetzungen, was den Teamgeist anging.“
Und während nach CR7 (2018) mittlerweile nicht nur Bale (2022) gegangen ist, sondern auch schon Keylor Navas (2019), Sergio Ramos (2021), Raphaël Varane (2021) und jetzt auch Isco und Marcelo, haben die Königlichen diese Leistungsträger nicht nur teilweise ersetzen, sondern einen gewissen Mannschaftskern auch immer wieder behalten können.
So hatten in der unvergesslichen K.o.-Phase der Champions League nicht nur erfahrene, leidfähige Spieler wie Modrić, Kroos, Casemiro oder Karim Benzema ihren Anteil, bei der „Remontada“ gegen Manchester City standen am Ende nicht die genannten Spieler, Rodrygo Goes, Federico Valverde, Eduardo Camavinga und Co. auf dem Platz.
Alte, Junge, Erfahrene, Neue – die Mischung stimmt
Der Mix macht’s: „Oldies“, die laut Kroos gelernt haben, „schwere Situationen zu überstehen“ und eben junges, frisches Blut, zu denen nicht nur Talente gehören, sondern auch neue Erfahrene, wie David Alaba oder jetzt Antonio Rüdiger. Und auf der anderen Seite sind oft satt wirkende Spieler wie beispielsweise Isco oder Marco Asensio in die zweite oder sogar dritte Reihe gerutscht.
Frischen Wind brauchte Real spätestens 2018, dieser Wind hat sich spätestens in dieser Saison zu einem neuen Sturm à la Real entwickelt. Die Mischung scheint im Kader mehr und mehr zu stimmen, jetzt auch im Mittelfeld durch den Transfer von Aurélien Tchouaméni. Er ist 22, Valverde „schon“ 23, Camavinga dagegen erst 19 Jahre alt. „VTC“ wird nicht gleich das Stamm-Mittelfeld sein, stattdessen können Modrić (36), Casemiro (30) und Kroos (32) ihren Nachfolgern noch ein, zwei Jahre zeigen, wie es geht.
Nicht jeder Transfer erfüllt die Erwartungen – siehe Luka Jović – aber weil Real Madrid längst keine Mondpreise mehr zahlt, stattdessen gut verkauft (seit 2014 hat Real einen Transfersaldo von -159 Millionen, 28 Vereine haben da „schlechter“ gewirtschaftet) und nicht nur erfahrene, sondern auch junge Spieler verpflichtet, herrscht immernoch ein finanzieller Spielraum und man konnte sich nun bei Tchouaméni selbst gegen das „übermächtige“ PSG durchsetzen. Und das auch, weil der Spieler selbst wohl auf ein noch höheres Gehalt in Paris verzichtet hat. Auch das macht Hoffnung: Spieler, die für etwas Höheres spielen und kämpfen. Oder wie Kroos sagte: „Einfach nur die teuersten Spieler zu holen, um sich mit ihnen zu schmücken, das hätte nicht hingehauen.“ Ob sich die Manchester-Klubs und viele andere auch da angesprochen fühlen?
Transfer-Salden seit 2014: Um Real Madrid zu finden, muss man bei @Transfermarkt auf die 2. Seite klicken: 28 Klubs haben „schlechter“ gewirtschaftet in den letzten 8 Jahren. pic.twitter.com/JgKPadDbei
— Nils Kern (@nilskern17) June 11, 2022
„VTC“ ist noch lange kein so großer Name wie „MCK“, wird vermutlich auch nie so groß werden. Aber in einem Kader wie Real Madrids kann man wachsen und reifen, da fühlen sich nicht nur Vinícius oder Rodrygo angesprochen. Die Fans auch, die können weiter träumen vom neuen Real Madrid, das sich Jahr für Jahr weiter entwickelt.
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