
Enttäuschung nach gefeierter Rückkehr
Als Gareth Bale im vergangenen September, wenn auch nur auf Leihbasis, zu Tottenham Hotspur zurückkehrte, waren alle Beteiligten glücklich, zufrieden und hoffnungsvoll. Real Madrid wurde einen Spieler los, der zwar in der Vergangenheit Großes geleistet und viele Verdienste hatte, sich andererseits aber in den letzten Jahren immer mehr zu einem echten Problemfall entwickelte, der inzwischen nur noch durch demonstrative Lustlosigkeit, statt durch Tore und Vorlagen auffiel. Die Hoffnung war groß, dass Bale an der alten Wirkungsstätte wieder aufblühen, genug zeigen würde, um nach der Saison vom Klub aus London fest verpflichtet zu werden. Die Hoffnung war groß, dass man den Störfaktor und Großverdiener Bale nicht nur loswerden, sondern auch noch etwas für ihn bekommen würde.
Tottenham-Trainer José Mourinho versprach sich von dem Waliser, nicht nur eine Alternative zu werden im Offensivspiel der Spurs, das seit einigen Jahren hauptsächlich von Harry Kane und Heung-Min Son bestimmt und getragen wird, er sollte eine zusätzliche Waffe, ein neues Element darstellen und eine tragende Rolle einnehmen. Auch die Fans des Champion-League-Finalisten von 2019 freuten sich fast euphorisch über die Rückkehr des „verlorenen Sohns“.
Und Bale selbst? Der würde endlich wieder in einem Umfeld sein, wo er verstanden und geliebt wird, in dem er seine Motivation wieder finden und endlich spielen würde. Wo er wieder wichtig sein könnte.
Zwischenfazit: Es funktioniert nicht
Knapp sechs Monate nach Bales Rückkehr in den Norden der britischen Hauptstadt muss man feststellen, dass sich so gut wie keine der genannten Erwartungen und Hoffnungen erfüllt hatte. Kurzum: Der Waliser zündet auch an alter Wirkungsstätte nicht. Wettbewerbsübergreifend absolvierte Bale bislang nur 15 Partien, wobei es sich überwiegend um Kurzeinsätze handelte. Während er in der Europa League in allen sechs Gruppenspielen in der Startelf stand, allerdings auch jedes Mal ausgewechselt wurde und nur einen Treffer erzielte, liest sich seine Bilanz in der Premier League niederschmetternd: Von 22 möglichen Spieltagen absolvierte der Linksfuß lediglich zwei als Teil der Startelf und wurde noch viermal eingewechselt. Fünf Partien verpasste er verletzungsbedingt, acht Mal (!) wurde er von Mourinho gar nicht in den Kader berufen. Lediglich ein Liga-Tor steht bis dato zu Buche. In den beiden englischen Pokalwettbewerben, in denen es für Tottenham bisher hauptsächlich gegen unterklassige Teams ging, verzeichnete der ehemalige Superstar auch nur jeweils ein Spiel von Beginn an und erzielte je einen Treffer.
Diese Bilanz verdeutlich, dass Bale auch bei Tottenham nicht mehr als eine Teilzeitkraft darstellt, genau wie bei Real Madrid in den zwei Jahren zuvor.
Bezeichnend dabei auch die letzten Partien: Bei der 0:1-Pleite gegen Chelsea fehlte Kane, doch trotz des frühen Rückstands schmorte die Nummer 9 90 Minuten auf der Bank. Gegen West Brom lag man bei Kanes Rückkehr nach 60 Minuten mit 2:0 vorne, doch auch hier blieb Bale nur Zuschauer.
Verletzungen und Zweifel an der Motivation
José Mourinho bremste zu Beginn die großen Erwartungen, die allgemein mit der Rückckehr des Offensiv-Stars verbunden waren, und predigte Geduld. Zuletzt zeigt aber auch der portugiesische Coach immer deutlicher seine Unzufriedenheit mit Bale. „Wir alle wissen, dass er verletzt ankam. Wir alle wissen, dass er auch in dieser Saison ein bisschen auf und ab ist mit kleinen Dingen“, sagte Mourinho kürzlich zu Sky. „Das Wichtigste für ihn ist, dass er konstant im Training ist, mit hoher Intensität und ohne Probleme. Wenn ein Spieler konstant im Training ist, dann ist der Spieler bereit, nicht um Minuten zu bekommen, sondern um Minuten zu verdienen. Das ist eine andere Sache.“
Während Mourinho für die vielen früheren wie aktuellen Wehwehchen noch Verständnis zeigt, sind die Zwischentöne bezüglich Bales Leistungen im Training und seiner Motivation inzwischen immer lauter und deutlicher. „Ich kann den Spielern keine Minuten schenken – Minuten auf dem Spielfeld sind nichts, was ich geben kann“, sagte der Coach. „Wir alle kennen die Schwierigkeiten, die er ein paar Saisons lang hatte.“
Dabei hat der Portugiese, der bereits in der Vergangenheit mehrere Spieler durch seine Motivationskünste zu Höherem geführt hatte (beispielsweise Cristiano Ronaldo und Mesut Özil), einiges probiert, um die alte Lust am Fußball bei Bale zu wecken. So auch im Januar, als Kameras im Training versehentlich einfingen, wie der Portugiese zu Real Madrids Leihgabe rief: „Willst du hier bleiben oder zu Real Madrid gehen und keinen Fußball spielen?“
Und im Sommer?
Die ständigen Verletzungen, seine Leistungen im Training und in den wenigen Einsätzen, die er bisher hatte, sowie die offensichtlichen Zweifel daran, ob der 31-Jährige sich je wieder motivieren kann, um an alte Zeiten zumindest teilweise anknüpfen zu können, machen eine feste Verpflichtung des Stürmers seitens Tottenham – stand heute – sehr unwahrscheinlich. Dass er physisch längst abgebaut hat, musste man mittlerweile auch auf der Insel (erschreckend) anerkennen. Es müsste schon eine wahre Leistungsexplosion geben, damit die Spurs sich doch anders entscheiden. Die Leihe des vierfachen Champions-League-Siegers kostet die Engländer ohnehin nicht wenig. 22 Millionen Euro mussten sie angeblich übernehmen, dazu noch eine nicht bekannte Leihgebühr.
Wenn Gareth Bale selbst in seiner vermeintlichen Wohlfühloase nicht einmal ansatzweise seine alte Form wieder findet, muss ernsthaft daran gezweifelt, ob er je wieder „der Alte“ wird. Ähnlich sieht es auch sein ehemaliger Tottenham-Kollege Darren Bent: „Er hat seit ungefähr drei Jahren nicht mehr konstant gespielt und hatte auch größere Verletzungen, so dass er womöglich nie mehr der Alte sein wird“, so der 36-Jährige gegenüber Eurosport.
Wie stehen also wohl Real Madrids Chancen, Bale einerseits im Sommer loszuwerden und andererseits, für das walisische Sorgenkind noch etwas Ablöse zu erhalten? James Rodríguez haben die Blancos bereits verschenkt, dass irgendein Verein viel für einen Spieler hinlegt, der zum einen kaum noch in Form ist und zum anderen kaum noch bei seinem Klub erwünscht ist, erscheint unwahrscheinlich.
Egal ob Zinédine Zidane bleibt oder in Madrid ein neuer Trainer kommt: Bales Zeit beim spanischen Rekordmeister ist längst vorbei. Die Frage ist nur, wie sie endgültig zu Ende gehen wird.
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