
Bernd Reichart eilt von Interview zu Interview
MADRID. Als er tief in der Nacht zu Freitag in Spaniens reichweitenstarker Fußball-Talkshow „El Chiringuito“ seinen Auftritt hat, sei es sein bereits 17. Interview seit Donnerstagvormittag gewesen. So wurde er jedenfalls anmoderiert. Nachdem der Europäische Gerichtshof in Den Haag verkündet hatte, die UEFA dürfe im europäischen Fußball keine Monopolstellung zur Ausrichtung von Spielen und Wettbewerben haben, klapperte Bernd Reichart, der gut Spanisch spricht, in Madrid ein Medienhaus nach dem anderen ab.
Der 49 Jahre alte Deutsche fungiert seit dem Herbst 2022 als Geschäftsführer der Agentur A22 Sports Management, die hinter der Super League steht. Das revolutionäre Projekt soll nach dem juristisch grünen Licht nun vorangetrieben werden und „so schnell wie möglich, aber auch gut umgesetzt“ an den Start gehen, so Reichart.
Problem: Noch am Tag des Urteilsspruchs gab ein potentieller Super-League-Teilnehmer nach dem anderen zu verstehen, nicht an einem Beitritt interessiert zu sein. Dazu gehörten mit Manchester City, Manchester United, dem FC Liverpool oder Atlético auch Vereine aus dem Dutzend, das diesen neuen Wettbewerb im April 2021 gegründet und ins Leben gerufen hatte. Auch wenn sich bis auf Real Madrid und den FC Barcelona alle wieder davon distanzierten, gehören sie vertraglich bedingt nach wie vor zu dem Kreis, ein Austritt kostet per Klausel nämlich satte 150 Millionen Euro. Obendrein äußerten nun etwa auch der FC Bayern München, Borussia Dortmund oder Paris Saint-Germain einmal mehr ihre Ablehnung.
Nach Urteil um Super League „mit vielen Klubs gesprochen“
Interessant: Laut Reichart fühlte sich so mancher Verein am Donnerstag schlicht dazu gezwungen, sich gegen die Super League zu positionieren – auch wenn das hinter den Kulissen ganz anders aussehe. „Ich habe heute mit vielen Klubs gesprochen“, sagte der einstige Chef des deutschen Privatsenders RTL bei dem Radiosender COPE. Der Moderator versetzte sich in seiner Vorstellung daraufhin in einen Funktionär, mutmaßte dann, es seien Worte gefallen wie: „Wir sagen ‚Nein‘, aber hier sind wir…“ Reichart: „In der Tat.“
Er würde sich wünschen, dass sich die Klubs richtig mit dem vorgestellten Plan auseinandersetzen. Dieser sieht eine Aufteilung in drei Ligen vor: die Star League und die Gold League mit je 16 Mannschaften, die sich in zwei Achter-Gruppen verteilen. Dazu eine Blue League mit 32 Teams in vier Achter-Gruppen. Überall soll es Auf- und Abstiege geben. Jeder Teilnehmer hätte 14 garantierte Gruppenspiele zwischen September und April, danach stünde noch eine K.o.-Phase ab dem Viertelfinale bis hin zum Finale an.
Über die noch nicht existente Streamingplattform UNIFY, die der Vision zufolge dementsprechend von den Super-League-Machern selbst geschaffen wird, sollen Zuschauer die Top-Spiele in aller Welt kostenlos live verfolgen können – nicht nur auf Zeit, sondern immer. Hierüber verspricht man sich durch hohe Nutzungszahlen wiederum horrende Werbeinnahmen, die folglich vor allem den Vereinen zugutekommen sollen.
„Mitteilungen von Klubs sind durch Druck erschienen“
„Wenn die Klubs sich diesen Vorschlag mal gut anschauen, ist er unschlagbar, sehr stark. Es lohnt sich, das anzuschauen“, so Reichart, der zügig feststellte, dass das bislang nicht geschehen ist. Bei „El Chiringuito“ berichtete er: „Einige Klubs wollten sich uns gegenüber erklären, weil sie die Notwendigkeit verspürt haben, Statements abzugeben. Einige davon sind sogar rausgekommen, bevor wir unser Format überhaupt erst präsentieren konnten. Einige Klubs haben sich auf die geschlossene Liga mit permanenten Mitgliedern bezogen, was vor Jahren vorgestellt wurde.“
Reichart kann sich ausmalen, weshalb die eiligen Reaktionen kamen. Die UEFA mache Druck auf die Klubs, „wie immer. Es gab heute Mitteilungen von Klubs, die durch Druck erschienen sind. Bis zu einem gewissen Grad kann man das verstehen“, so der Manager, der dennoch nicht ausschließt, auch mit dem europäischen Fußballverband weiterhin an Lösungen zu arbeiten: „Wir wollen mit allen reden – gemütlich, ungemütlich, konstruktiv, nicht-konstruktiv. Ich würde die UEFA und meinen Besuch in Nyon auf die nicht-konstruktive Seite stellen, aber wieder nach Nyon reisen.“

Super League will „für keine Spaltung sorgen“
Man habe „in den vergangenen 18 Monaten mit jedem einen sehr offenen Austausch“ gehabt, „und auf diesem Weg befinden wir uns weiterhin. Wir reichen jedem die Hand, denn wir wollen gemeinsam etwas Großes erschaffen. Wir wollen für keine Spaltung sorgen, den Leuten nicht vor den Kopf stoßen. Das Monopol ist gefallen. Es hat sich ein Weg auf den Markt für die Klubs eröffnet, die ihre nationalen Ligen schon selbst regeln. Das können sie jetzt auch auf europäischer Ebene tun. Dadurch verlieren einige ihre Privilegien, doch der Fußball gewinnt. Wir konzentrieren uns jetzt vor allem darauf, den Fans und den Klubs das Potential gut zu erklären“. Ob das aber tatsächlich zum Erfolg führt?
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