Sie gingen aufs Feld, schauten auf den Henkelpott und sahen eine Wunderlampe. Sie gingen auf sie zu, nahmen sie in die Hand und ein Flaschengeist trat hervor. Er gestand ihnen drei Wünsche zu. Madrid wünschte sich zu gewinnen und der Geist antwortete, dass er diesen Wunsch nicht erfüllen konnte. Weder das, noch einen Toten wiederzubeleben, noch ewiges Leben zu gewähren. Real Madrid beschwerte sich über dessen Kräfte und kurz danach hatten sie eine Idee: "Wir wollen den Sechser, den wir benötigen!". Der Flaschengeist schnippte mit den Fingern und Casemiro glühten die Augen. Was für ein gut gewählter Wunsch. Und zwei waren noch übrig.
Der Beginn war die fruchtbarste Zeit von Zidanes Mannschaft. Atletico schien nicht die Mannschaft, die sie zuvor waren. Die Mannschaft, die mit ihrem Pressing Bayern das Leben schwer machte und Barcelona frustrierte, versuchte eben das gegen Real Madrid anzusetzen, aber es sah aus, als wäre das eine improvisierte Maßnahme, die sich nicht behaupten konnte. Dieses Gefühl hatte man, weil Madrid sich klar war, dass sie nicht zu viel forcieren durften und weil man jede Menge Talent in den eigenen Reihen hatte.
Ramos Pässe waren scharf, flach, lang und intelligent. Neben ihn agierte Xabi Casemiro Alonso und das war für das Zentrum genug, was Kroos und Modric ermöglichte mehr im Halbraum zu agieren. So waren die rojiblancos weiter von einander und vom Ball entfernt. Das war aber an sich kein großes Problem für Simeone, mehr eine verlorene Chance. Die große Stärke des Pressings der colchonerros war, dass selbst wenn diese umspielt wurde, daraufhin nichts passierte. Die defensive Stärke in der eigenen Hälfte blieb intakt.
Doch sie standen zwei Phänomenen gegenüber, wovon einer wie ein solcher agierte. Bale ist der schnellste Superstar der Erde, aber er spielt auch gerne die meiste Zeit in Schritttempo. Etwas, was sich die allerwenigsten erlauben dürfen. Bei ihm ist das aus zwei bestimmten Gründen so. Gerade seine Geschwindigkeit ist einer davon. Es schüchtert so ein, dass wenn nicht zu viele Kollegen in der Umgebung sind, sein Gegenspieler etwas von ihm entfernt, um den Meter Vorsprung in einem möglichen Laufduell zu haben. Der andere ist seine starke Technik, die zur Zeit vielleicht so gut wie nie ist. Seine Annahmen, Pässe und seine Ballführungen - saubere und umkämpfte - waren ein unkontrollierbarer Faktor für Atletico in Zonen, indem sie alles kontrollieren mussten. Die daraus entstandenen Chancen waren nicht direkt, es entsprangen daraus Ecken und Freistöße. Aber gut, diese Standards nötigen großen Respekt ab. Was man unter Zidane in diesen Situationen generieren konnte war 1A.
Aber all das traf nur solange zu, bis der Innenverteidiger, der Champions League Finaltore erzielt seinen Part erledigt hatte. Nach dem 1-0 von Sergio Ramos wollte Madrid so pragmatisch sein, dass sie Atletico in die Karten gespielt haben
Atletico reagierte stark und schickte beide AV in die Hälfte von Navas. Sie fanden auch die Schwachstelle des Gegners: Bale ließ sich nicht immer zurückfallen. Oftmals hatte Luis zu viel Platz, Koke näherte sich an und sie griffen Carvajal in Überzahl an und auch wenn sie den nicht überspielen konnten, war der Ball nun viel näher am Tor als es Zidane lieb war. Wenn Modric rausrückte um Dani zu unterstützen, nutze Griezmann den entstandenen Raum aus und kam in gefährliche Positionen. Das Szenario war vielversprechend, aber Sergio Ramos und Mauro Casemiro Silva waren nicht sonderlich beeindruckt. Es war kein Zufall, dass Keylor gerade mal eine Parade in 120 Minuten machen musste. Atletico kam nicht an den Verteidigern vorbei außer beim Elfmeter.
Halbzeit zwei war dann bestimmt von zwei Wechseln: Carrasco kam rein und Carvajal verletzte sich. Das heißt Carrasco kam rein, um gegen Danilo zu spielen. Nun hatte el Cholo das, was er gegen die großen immer sucht, der eine Spielzug, der vorteilhaft ist und den man immer wieder suchen kann. Der Belgier war ein Wirbelsturm für den Brasilianer und für das ganze Spiel. Der Ball musste ihn finden und sie konnten sich eine Torchance erhoffen. Er schaffte es, das Momentum auf Seiten seiner Mannschaft zu bringen.
Zidane glaubte nicht das defensive Problem lösen zu können und schloss, dass er es auf indirekter Weise angehen müsste, indem er den Ballbesitz mehr beanspruchen für sich würde. Diese Entscheidung personifizierte sich in Isco. Aber gut, dafür nahm er Kroos raus. Komisch. Er war bis dahin noch stärker als Modric und verliert weniger Bälle als der Kroate. Vielleicht blieb Luka drin, weil er der geeignetere Spieler war, um gegen Carrasco auszuhelfen. Doch selbst dann, immer noch komisch. In jedem Fall sollte man nicht vergessen, dass die CL für Madrid ein Märchen ist. Sie hatten ein Flaschengeist und immer noch zwei Wünsche frei.
Die folgenden Minuten waren gehetzter. Carrascos Impulse waren verstreuter, Isco kam motiviert rein und Bale hatte drei Aktionen. Das war nicht wenig, aber Atletico blieb am Leben, auch dank Oblak. Nach seinen Aktionen im eins gegen eins kam das Tor von Carrasco und nochmal eine Wendung der Partie.
Das Spiel verlor an Ordnung. Es schien, als wüssten beide Mannschaften nicht, was sie nun tun sollten. Es waren dann die Verletzungen Madrids die das Spiel bestimmten, oder hätten bestimmen müssen. Zidane hatte seine Wechsel in der 78sten verbraten und spielte über eine halbe Stunde mit Modric, Bale und Ronaldo bettelnd nach einer Auswechslung. Atletico war müde, aber die Blancos waren stehend KO. Es schien, als würde die Verlängerung Simeones Jungs gehören, der sich behutsam zwei Wechsel aufgesparrt hatte. Aber Madrid machte gebrauch von seinem zweiten Wunsch.
"Wir wollen frische!", flehte der Sieger. Und Iscos Augen glühten. Der junge Spanier war umrundet von untauglichen Spielern . Vor ihm Gareth und Cristiano und zu seiner rechten Luka, allesamt starr. Isco lief für vier, holte Bälle ab, spielte sie sich selber zu, trug sie vor und eroberte sie. Er war wie ein Mittelfeld. Er machte Druck auf Atletico und verlagerte nach rechts, wo Danilo und Vazquez ihre Physis nutzen konnten. So ließ sich erklären, dass Madrid 11 Mal und Atletico nur 3 Mal in der Verlängerung geschossen haben.
Vor einiger Zeit kaufte sich Madrid den Flügel von Tottenham und den OM von Malaga, damals kauften sie Champions League Titel. Es sind schon 2 von 3.
Was Atletico anging, hatten sie immer noch Carrasco, aber auch nur den. Die Verletzung Luis', der von Lucas ersetzt wurde, machte es noch schlimmer. Fast immer baute man das Spiel direkt auf über Saul oder Torres, was keine Probleme gegen Patrick Casemiro Viera darstellte. Aber selbst dann, war alles noch offen.
Es war die zweite Hälfte der Verlängerung und Madrid verlor ein Ball mit zu vielen Spielern vorne. Modric, gut positioniert, konnte im Konter dazwischenfunken, aber sein Körper hatte nicht die nötige Spannung und Atletico konnte mit Überzahl schalten. Das Madrider Herz blieb kurz stehen und so riefen sie wieder nach dem Geist aus der Flasche und es kam nicht viel mehr raus als "Gattuso!" und es waren Ronaldos Augen jetzt, die glühten. Unvergesslich. Cristiano, der eine halbe Stunde schon nicht gesprintet war, nicht mal um ein Tor zu erzielen, ging ins Laufduell gegen den schnellen Carrasco, was in einem Ballgewinn und ein Moralschub für Real Madrid endete. Das war eine Aktion eines Di Stefanos oder Rauls. Solche Details haben es möglich gemacht, dass man jetzt den 11ten Europapokal Sieg feiern kann.
11 Siege sind viele. Aber ist es so schwer sie zu verstehen? Die Champions League agiert wie der Gott des Alten Testaments. Sie ist rigoros, distanziert, tendiert zur Bestrafung. Ihren Siegern verlangt sie jahrelange Verdienste ab, dass sie ihre alten Wunden wieder öffnen, in ihren Entscheidungen richtig liegen, keine Fehler machen. Aber mit Real Madrid ist das anders. Ohne überhaupt lange in die Vergangenheit zurückgehen zu müssen, hat man gestern eigentlich schon genug Fehler getan, die bei anderen bestraft worden wären. Sie spielten nicht das Spiel, das ihnen am meisten favorisierte, schenkten einen Elfmeter her, der nicht zu rechtfertigen ist, verbrauchten ihre Wechsel in der 78. obwohl eine Verlängerung sich anbahnte und verpasste Großchancen gegen die beste Verteidigung des Turniers.
Trotzdem wurden sie mit einer herausragenden Leistung von Carlos Henrique Casemiro belohnt, ein Spieler der die Saison als Ergänzungsspieler begonnen hatte, mit einem einflussreichen Isco Alarcon, der die Saison stark kritisiert wurde, und mit dem Glück im Elfmeterschießen, wobei die Frage bleibt, inwieweit das wirklich nur Glück war, wenn man sich Oblak dort genauer anschaut.
Das ganze wird noch extremer, wenn man das mit Atletico vergleicht, die so viel getan haben, um sich diesen Titel zu verdienen.
Manchmal, wenn die CL das weiße Trikot sieht, dann verliert sie ihre Haltung. Vom Gott des Alten Testament wird man zum verknallten Teenie. Irgendwas hat Real Madrid, das die anderen Vereine der CL nicht geben können.
