Als Schweizer bin ich wahrscheinlich biased, aber für meinen Geschmack kommt Favre bei vielen tatsächlich zu schlecht weg. Es fängt schon an, wie man Erfolg definiert. Wenn man rein Titel als Schw..vergleichsmittel nimmt, dann sieht er nicht gut aus, ja. Dann ist aber auch ein Di Matteo CL Sieger, wo wir uns wohl alle einig sind, dass er kein guter Trainer ist. Wenn ich mir Favres Karriere anschaue, finde ich, dass er überall Verbesserungen gebracht hat. Er hat dem FC Zürich die erste Meisterschaft seit 25 Jahren beschert, gegen ein damals übermächtiges Basel, Hertha und Gladbach hat er von Mittelfeldteams zu Top 5 Buli Teams, die durchaus auch europafähig sind, und viele junge Spieler integriert, vor allem Rose bei Gladback profitiert heute noch davon. Nizza war zumindest in der Liga erfolgreich. Was am Ende etwas fehlt, und was wohl auch seine grösste Schwäche ist, ist, dass am Ende jeweils etwas die letzte Konsequenz fehlt, dem Erfolg auch in Titel umzuwandeln, wobei die Frage bleibt, wie titelfähig ein Hertha oder Gladbach trotz allen Verbesserungen je sein werden.
Dortmund tja, die Wahrheit liegt wohl wie so oft irgendwo in der Mitte. Das unglaublich Potential der Mannschaft ist das eine, die Tatsache, dass so blutjunge Spieler immer wieder Durchhänger haben werden, das Spieler, die eigentlich Teamstützen sein sollten, regelmässig nicht liefern, eine misslungene Kaderplanung und eine teilweise komplett realitätsferne Vereinsführung das andere. Man kann diskutieren, wie gut Favre zu Dormund gepasst hat und die Meisterschaft gegen Kovac hätte er gewinnen müssen, da hat er sich mit seiner Tiefstapelei selber ein Ein gelegt. Gleichzeitig hat Favre den 2 besten Punkteschnitt nach Tuchel, 2 mal Vitzemeister geworden, einmal gegen ein überragendes Flick Triple Bayern, die damals und wohl auch aktuell immer noch beste Mannschaft der Welt, CL Gruppenphase gewonnen, und wenn man sich anschaut, wo der BVB unter Bosz und Stöger war, sind sie unter Favre wieder deutlich besser geworden. Ob der jetzt hochgejubelte Terzic das Potential besser abschöpfen kann, wird man sehen, sobald der neue Trainer Effekt verpufft.
Was man Favre mMn definitiv lassen muss, ist, dass er Spieler, insbesondere Junge, besser macht. Pulisic war vor ihm ein unkonstantes ewiges Talent, ging dann als etablierter Spieler für gutes Geld zu Chelsea. Er hat konsequent auf Sancho gesetzt, womit dieser in neue Sphären aufgerückt ist, manche sehen ihn sogar auf Mbappe Level. Später hat er auch auf Reyna, Bellingham usw. gesetzt. Er konnte Haaland überzeugen und dieser hat unter ihm stark gespielt. Gleichzeitig hat er Spieler wie Gurreiro oder Alcacer wieder auf und eingebaut. Und er ist ein taktisch flexibler Trainer, der verschiedene Systeme beherrscht und den Spielern viel beibringen kann, da könnten auch einige bei uns profitieren.
Ich denke das grosse Problem von sowohl Favre und auch Dortmund ist, dass sie ein bisschen alles oder nichts Akteure sind. Sind alle in Form, motiviert und die Tatik geht auf, knallt man den Gegner mit Hurra Fussball aus dem Stadion. Stimm dagegen die Einstellung usw. nicht, fliegt alles auseinander. Hier muss sich Favre vorwerfen lassen, dass ihm die letzte Konsequenz bzw. ein Plan B fehlt. Das ewige Tiefstapeln ist mental sicher nicht nur hilfreich. In der Hinsicht ist er etwas die Antithese zu nem Zidane oder Carlo, die immer und überall alles schönreden werden.
Hier alles auf Favre zu schieben, ist mir dann aber doch zu einfach. Dortmund muss sich mal entscheiden, was sie eigentlich sein wollen. Mal sind sie eine Jugendmannschaft ohne jeglichen Druck, die sich mit dem neusten 16 jährigen schmückt. Dann wollen sie wieder ein ernsthafter Bayernkonkurrent sein, wo ihn bei allem Potential irgendwo dann doch die letzte Konsequenz und Kaderbreite fehlt. Ein hauptsächlich aus Jungspunden bestehende Mannschaft hat immer das Risiko, dass sie schwankende Leistungen zeigt. Haaland, Reyna und Snacho spielen 3 Spiele überragend und schiessen alles auseinander und tauchen dann wieder 2 Spiele ab. Und im diesem Moment brauchst du erfahrene Spieler, die in die Bresche springen und/oder genügend Alternativen auf der Bank. Das hier ausgerechnet Reus und Hummels jetzt plötzlich grosse Töne spucken, finde ich sehr ironisch. Einer ist der deutsche Bale, dauernd verletzt, vollkommen overhypt, trägt eine Käptnbinde, der er nicht würdig ist usw. Der andere ist seit seinem Wechseln zu den Bauern und zurück nicht mehr der Alte. "Wir können nicht verteidigen", richtig Hummels, du bist der Chef dieser Abwehrtruppe, ändere was dran. Und wie gesagt die Kaderplanung, wenn du Bayern wirklich eine Saison lang das Wasser reichen willst, würde ich mir gut überlegen, ob du die ganze Verantwortung in die Hände eines 20 jährigen legen willst, und einen 16 jährigen Ersatz. Es hat schon gründe, warum ein Benze, Lewa, Agüero, Cavani oder Suarez auch mit Ü30 so schwer zu verdrängen sind.
Was in Dortmund auch irgendwann aufhören muss, ist die ständige Sehnsucht nach und die Vergleiche mit Klopp. Ja Kloppo war was besonderes, aber genau deswegen wird er immer einzigartig bleiben, und auch bei ihm ging es am Ende steil bergab. Seither hatte man an jedem Trainer irgendwas auszusetzen. Tuchel war nicht emotional genug, Bosz hatte einen schnellen Aufstieg und einen noch schnelleren Fall, Stögers Ergebnisfussball war zu trocken und Favre war jetzt nicht aggressiv genug, nachdem man es selbst jahrelang tunlichst vermieden hat, sich offen mit den Bauern zu messen. Da müssen sich Watzke und co definitiv auch an der eigenen Nase nehmen und mal konsequent sein. Sprich Favre hätte gar nie verpflichtet werden sollen, oder man hätte den Weg konsequent weiter gehen müssen. Diese ewige Suche nach einem Klopp Klon kann und wird nie aufgehen. Rein statistisch war Favre weit besser, als es einzelne zugegeben grobe Schnitzer vielleicht vermuten lassen, Terzic und ein möglicher langfristiger Nachfolger müssen erst mal zeigen, dass sie da wirklich soviel besser sind. Wenn nicht, könnten sich die Gelbschwarzen noch arg in den A... beissen, weil dann auch Sancho, Haaland usw. schwerer zu halten sind, genauso wie neue ähnlich talentierte Spieler zu überzeugen.
Ob Favre einer für uns ist, hängt letztendlich davon ab, welche Funktion er erfüllen soll. Er ist kein Trainer für die jährlichen Sextuple Wünsche, sind aber sowieso komplett realitätsfern und aktuell und die nächsten Jahre auch nicht vorrangig. Will man dagegen jemanden, der Junge konsequent einbaut und fördert, taktisch versiert ist und guten Hurrafussball spielen kann, was ja hier auch oft verlangt wird, könnte Favre durchaus eine Überlegung wert sein. Bevor man Conte und seine 3-4-3 Scheisse anturnen lässt, den nächsten Soari für 4 Monate einstellt oder Zidane zum 3ten nehme ich doch lieber mal jemanden wie Favre. Die Jungen 1-2 Jahre unter ihm reifen lassen und konsequent ausmisten, scheiss auf Titel, danach findet jemand wie Nagelsmann, Rose oder vielleicht ein Ex Madridista (Raul, Guti, Xabi) perfekte Verhältnisse, um mit talentierten und hungrigen Spielern voll angreiffen zu können. Einem Vini oder Rodrygo würde Favre sehr gut tun.