Was das betrifft, finde ich die Wortwahl doch etwas, nun ja, empathielos. Namensrechte an einem namenlosen Stadion kann man nicht einmal schädigen oder verlieren! Der FC Barcelona hatte in seiner Geschichte zahlreiche Spielstätten, wie eine Radrennbahn voller Löcher und die Grünfläche einer Art Stundenhotel mit dem vielsagenden Namen Casanova. Vor ca. 100 Jahren dann endlich das erste eigene Stadion, von dem heute nur mehr der Baum samt Gedenktafel übrig ist,
https://www.google.com/maps/place/T...3819981c72!8m2!3d41.3858931!4d2.1342554?hl=en
vor dem sich einst Tausende Fans zum Spiel verabredeten, so sah das Ambiente etwas später aus
https://www.fcbarcelona.cat/ca/club...del-barca-a-barcelona-ja-disponible-a-spotify
Als dann in den 1950er Jahren der Grundstein für den modernen Stadionbau gelegt wurde, hatte dieser auch einen Namen, nämlich Gamper-Stadion. Dieser Name wurde dem Verein aber rechtzeitig vor der Fertigstellung vom Staat verboten, da mit einer persona non grata verknüpft. Über die Geschichten und Legenden, die sich um die Vereinsgründung ranken, erwarte ich mir eine seriöse Forschung anlässlich des baldigen halbwegs runden Jubiläums, immerhin hat der Verein ja eine Gruppe Historiker beauftragt, die Vereinsgeschichte zu beackern, vielleicht mit einer Festschrift oder so.
Ob nun jetzt Madrilenen wesentlich an der Gründung des FCB beteiligt waren (DAS bewegte Triple-gefrustete Marca-Leser bei einem etwas verkürzten Artikel zu dem historischen Thema, als willkommener Anlass zu vorauseilender Häme!) oder nicht (der "Madrilene" war der Gründer u.a. ausgerechnet der Mundo Deportivo, mit ziemlich katalanischem Namen und weitreichender Tätigkeit mit der Gründung und Führung katalanischer Sportgremien jeglicher Art, also ein im Sportbereich einfach allgegenwärtiger Pionier der Zeit um die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit, der natürlich bei allen erdenklichen Vereinen als Mentor beteiligt war, Leute zusammenbrachte und über die Dinge selber schrieb, und in seinem früheren Blatt erschien unter anderem eben auch der Aufruf an Interessenten an der Gründung eines Fußballvereins mit Treffpunkt einer der damals maßgeblichen der modernen Körperertüchtigung dienenden Turnhallen), finde ich ziemlich irrelevant. Natürlich gründet nicht EINE Person einen Verein, dessen Bedeutung über den Stadtteil hinausgeht, sondern eine Gruppe Leute mit unterschiedlichem Hintergrund. Dass allerdings Gamper rechtlich nicht als Vereinsgründer auftrat, sondern in den Anfangsjahren offiziell nur Mannschaftskapitän war, etwa beim ersten Clásico, ist jetzt alles andere als seltsam, wenn er nach damaligen Vorgaben Ende des 19. Jh. noch gar nicht volljährig war.
Traurig ist aber das Ende dieser hoffnungsvoll beginnenden Geschichte. Die Unbeliebtheit der katalanischen Vereine liest man eh schon aus der Medienbeschreibung der ersten Copa-Teilnahme in Madrid heraus, das war kurz nach der Gründung von Real Madrid, noch ohne "Real" natürlich. Das Publikum soll den Schweizer Gamper und seine Kumpel für rabiate Katalanen gehalten und im Finale, das sie trotz siegreichem Clásico gegen eine baskische Auswahl mit seltsamer Vorgeschichte und dem Namen Vizcaya - weiß ich jetzt nicht ohne Lektüre, warum sich Bilbao zierte, normal teilzunehmen - verloren, lautstark und hämisch zum Gegner gehalten haben, was die Spieler nicht verstehen konnten. Es war dann in der ersten Diktatur 1925 genug Ressentiment beim Publikum in Barcelona da, die spanischen Hymne vor einem eh nicht einmal Pflichtspiel auszupfeifen, und der Staat reagierte mit mehrmonatigem Spielausschluss für den Verein, ohne den aber angeblich auch die anderen Klubs in der Region keinen Spielbetrieb abhalten wollten, Absperren des Stadions und Verbannung des Präsidenten, der damals gerade Gamper war. Angeblich soll er bald wieder zurückkehren haben können an den Ort seiner Familie und Handelstätigkeit, aber unter der strikten Auflage, mit dem Verein nichts mehr zu tun zu haben.
Über die Gründe für so etwas kann man natürlich nur spekulieren, aber er soll immer mehr in Depression verfallen sein und in einem Leben ohne den geliebten Sport und ohne den Verein, für dessen Stadion er immerhin eine Million Peseten gespendet hatte, immer weniger Sinn gesehen haben. 1930 nahm er sich das Leben, als er wohl im Zuge der Weltwirtschaftskrise auch beruflich am Ende war. Der Suizid war ein großes Tabu damals und eine Stadionbenennung zur Zeit, als das Camp Nou erbaut wurde, immer noch undenkbar. Ein paar Jahre später stimmten die Mitglieder mehrheitlich für ein Stadion ohne eigenen Namen und Gamper ehrte man mit einem jährlichen Freundschaftsturnier. Der umgangssprachliche Name Camp Nou wurde aber überhaupt erst im 21. Jh. offiziell festgelegt. Man benannte dann außerdem das Trainingsgelände nach Gamper und das kleine Stadion nach Cruyff. Ich denke, da es nicht lang ist bis zum 100. Jahrestag des Suizids, wird dieses Thema sowieso in jedem Fall auch Thema für besagte Historiker werden müssen, umso mehr, als wohl Gampers 150. Geburtstag auch noch dazwischen liegt zwischen dem 125. Jahrestag der Gründung und besagtem traurigem Gedenktag. Naja, ein typischer Anlass für Reden, Kränze und eine neue Statue. Aber das Stadion war schon so lange de facto namenlos, dass auch "Spotify" nicht viel daran ändert. Wenn jemand viele Millionen für ein Schild am Gebäude und den Namen in der offiziellen Berichterstattung springen lässt, wüsste ich nicht, warum ich ausgerechnet darüber Schmerz empfinden sollte...
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