Das Theater rund um Kylian Mbappe nervt mich wirklich nur noch. Positiv an diesem Kasperletheater ist meines Erachtens nur, dass Real Madrid meiner Meinung nach nicht groß etwas zu verlieren hat. Während sich Mbappe letztes Jahr bis auf die Knochen als geldgierig blamiert hat, PSG ihm einen verrückten und offenkundig maximal undurchdachten Vertrag hat unterschreiben lassen hat & sich nun erneut mit verschiedensten Aussagen und Handlungen peinlichst darstellt, ist man in Madrid die Ruhe in Person. Ob es die Ruhe vor dem Sturm ist oder doch einfach nur die Ruhe, sei mal dahingestellt. Wie dem auch sei, bin ich mir sicher, dass Real Madrid mit Onkel Flo einen sehr guten Präsidenten in puncto Finanzen & Verhandlungsgeschick hat und auch ohne Mbappe weiterexistieren wird - und das sportlich sehr erfolgreich.
Meine Sicht auf Mbappe - persönlich:
Ich sehe Mbappe als Hochrisiko-Transfer, mit einigen Risiken, die bei jedem Transfer einhergehen (die ich nicht erwähnen brauche) aber auch mit personenspezifischen Risiken: Unruhe und
extreme Unberechenbarkeit. Letztere ist auch für einen Club wir Real Madrid keine einfache Situation und von Saison zu Saison eine Unsicherheit. Wir hatten diese "Ich bin nicht Glücklich" und "Ich fühle mich nicht ausreichend wertgeschätzt" Thematiken nicht nur bei Ronaldo, sondern auch bei Ramos. Beide hatten es übertrieben und mussten folglich gehen - bei Mbappe wird dies aufgrund der monströsen Ablöse so einfach nicht gehen. Ja, die Hoffnung auf eine charakterliche Anpassung an das ruhige und gesetzte Umfeld innerhalb des Vereins mag es geben, der Eintritt jedoch nicht in Stein gemeißelt. Ich persönlich sehe Mbappe bzw. vielmehr seine familiäre Umgebung als äußert schwierig und herausfordernd an - ein Problem, welches man bei Cristiano zumindest nie hatte.
Meine Sicht auf Mbappe - sportlich:
Neben den charakterlichen Schwierigkeiten, stellt sich für mich auch einfach die Frage wie man Vinicius und Mbappe - zwei Spieler mit ähnlichen Eigenschaften - nachhaltig und zufriedenstellend in die aktuelle Mannschaft integrieren möchte. Es mag sein, dass Mbappe bereits auf der rechten Seite gespielt hat und auch bereits im Zentrum auflief, jedoch hatte er stehts einen entweder Spielmachenden (Messi bzw. Neymar) oder ballfestmachenden (Giroud, Falcao bzw. Benzema) Partner in der Offensive. Das waren Spieler, die entweder als Nadelspieler auf höchstem Niveau golten (Messi, Neymar) oder als Zielspieler und IV-bindende Spieler agierten (insb. Falcao und Giroud). Auch wenn hier viele der Meinung sind, dass Mbappe aufgrund seiner zweifellos herausragenden fußballerischen Fähigkeiten auch im aktuellen Madrid funktionieren würde, sollte man den Effekt eines nicht vorhandenen Spielertypus nicht unterschätzen. Eine Art Giroud haben wir zwar mit Joselu, dieser wird jedoch bei einem Mbappe-Transfer wohl eher selten mit eben jenem auf dem Platz stehen. Bleibt man bei der Raute (die ich in Anbetracht unserer Offensive als alles andere als optimal sehe) hat man meiner Meinung nach ausschließlich Rodrygo, der mit Mbappe eine Art kongeniales Duo bilden könnte, da er - natürlich auf deutlich niedrigerem Niveau - ähnliche Attribute und Anlagen wie Messi bzw. Neymar aufweist. In der Raute würde das jedoch Vinicius opfern, was selbstredend nicht passieren darf.
Deshalb bin ich mir auch sicher, dass bei einem Mbappe-Transfer das System "Raute" wieder über Board geworfen werden wird und entweder zum 4-3-3 oder 4-4-2 zurückgekehrt wird. Letzteres fände ich überhaupt nicht so uninteressant, spielen wir defensiv ohnehin seit Jahren ein 4-4-2 (selten ein 4-1-4-1) und würde es die offensiv schwache RV-Position ein wenig kaschieren. Im 4-4-2* sähe das dann so ähnlich aus:
Courtois
Carvajal - Militao - Alaba - Garcia
Valverde - Tchouameni - Bellingham - Vinicius
Rodrygo/Joselu - Mbappe
oder halt das altbekannte 4-3-3*
Courtois
Carvajal - Militao - Alaba - Garcia
Tchouameni
Valverde - Bellingham
Mbappe - Rodrygo/Joselu - Vinicius
Beide "Systeme" (ich möchte bei diesem Begriff vorsichtig sein) haben offenkundige Schwächen, die im großen und Ganzen bekannt sind. Im 4-4-2 könnte es ohne spielmachende bzw. spielgestaltende Außen Kreativitätsprobleme geben (die wir ja ohnehin seit Jahren haben), im 4-3-3 hätte man mit Rodrygo einen Spieler, dem ich aufgrund seines Skillsetts eine "falsche Neun" zutraue und mit Joselu einen klassischen ballfestmachenden Stürmer, jedoch keine Personalie, die beides vereint (Benzema ...) ... Betrachten wir nun das aktuell erprobte Rautensystem*:
Courtois
Carvajal - Militao - Alaba - Garcia
Tchouameni
Valverde - Camavinga
Bellingham
Mbappe - Vinicius
Die Raute ist
der stylistic fit für ALLE(!) unserer Mittelfeldspieler (selbst für Modric und Kross). Tchouameni ist prädestiniert für den alleinigen Sechser vor der Abwehr, da er sowohl körperlich Robust und zweikampfstark ist als auch über ein mehr als passables Aufbauspiel verfügt. Valverde und Camavinga sind von ihren Anlagen und ihrer Spielweise DIE Rautenspieler schlechthin - Valverde mit Orientierung in den rechten Halbraum bzw. generell nach rechts, Camavinga mit dem Gegenpart auf Links. Selbst Bellingham auf der Zehn hat mich extrem Überrascht (Gamechanger in diesem System!) mit seinen Tiefenläufen, seiner astreinen Technik und überraschenden Kreativität. Riesengroßes Mango an der Sache: Die Kombi Mbappe/Vinicius wäre meiner Meinung nach ein absolutes Mismatch als Doppelspitze, da hier einfach ein Spieler fehlt, der Räume schaffen kann(!) oder wenigstens Bälle festmachen und behaupten kann. Ich kann mir nicht vorstellen, dass damit progressive Pässe im letzten Drittel großartig möglich sind (gut, die machen wir eh nicht) bzw. Ballbesitzfußball gegen die meisten Gegner in La Liga praktiziert werden kann. Zusätzlich eine große Problemzone auf der RV, welche bei der Raute eigentlich Schlüsselstellung innehat. Ganz, ganz schwer!
Zum Glück bin ich nicht Trainer von Real Madrid, denn nach einer etwaigen Mbappe-Verpflichtung muss ein Tod gestorben werden...
*Selbstredend bin ich mir bewusst, dass Formationen im modernen Fußball fluide sind und häufig im Laufe eines Spiels wandelbar sind.
Meine Einschätzung zu einem möglichen Transfer 2023 bzw. 2024:
Vorneweg: Ich glaube nicht, dass Mbappe nächstes Jahr viel weniger Handgeld bekäme als PSG dieses Jahr Ablöse. Von diesem Gedanken sollte man sich denke ich verabschieden. Außerdem: Mbappe und seine Mutter sind derart unberechenbar, innerhalb eines Jahres kann ganz viel passieren: Ein Wechsel nach Madrid, ein Verbleib in Paris oder ein Wechsel nach England (Stichwort sytlistic fit in der Premier League). Deshalb: Ein ablösefreier Wechsel 2024 nach Madrid gebe ich maximal die Drittelchance 33%.
Auf der anderen Seite deuten ja ohnehin alle Zeichen auf einen Wechsel 2023 - zumindest, wenn man den Berichten recht glaubwürdiger Quellen Glauben schenkt. Trotzdem scheint Mbappe selbst und auch Real Madrid keinerlei Anzeichen für ein Aktivwerden zu machen, was mir doch zu denken gibt. Es kommt mir vor, als würde PSG Mbappe gerne sofort loshaben wollen - natürlich für unverhältnismäßig hohe Summen -, Mbappe jedoch gerne ein Jahr im goldenen Käfig bleiben wollen und Madrid lediglich in Lauerstellung ist. Was dann am Ende dabei rauskommt, weiß ich nicht und werde ich vor dem 01.09. auch nicht beurteilen wollen. Insgesamt bin ich mir allerdings nicht ganz so sicher, dass Mbappe hier dieses oder nächstes Jahr aufschlägt. Sollte er dies doch tun, bin ich mir sicher, dass Perez es so anstellt, dass der Verein in keine finanzielle Schieflage gerät.
Meine Einschätzung zum Rest des Kaders:
Insgesamt ziemlich gut. Das Mittelfeld brauch keine Analyse und auch die Offensive fände ich bei der Verpflichtung eines Weltklassemanns internationale Spitzenklasse. Brahim, Joselu und auf Güler werden zusammen viel bringen, vor allem mehr als Hazard und Asensio (den ich behalten hätte) zusammen. Bauchschmerzen bereitet mir die RV-Position, welche man unbedingt hätte korrigieren müssen: Vazquez weg, Carvajal kein Stamm mehr und ein neuer RV (Fresnada, Arnau Martinez, Hakimi, Cancelo etc.) her. Trotzdem hat man auch aktuell und ohne weitere Neuverpflichtungen einen Kader, der national der Stärkste ist (ich finde sogar deutlich; Atletico? Also bitte...) und international auch nicht hinter vielen hinterher hinkt (aktuell würde ich lediglich City in der Spitze und in der Breite stärker einschätzen). Also keine Panik meine Madridista-Geschwister!
Von all dem abgesehen, ist Mbappe für mich trotzdem der beste Offensivspieler der Welt. Das möchte ich hier noch einmal ganz deutlich machen. Auch wenn ich einige Probleme, sowohl in persönlicher als auch in sportlich-integrierender Hinsicht sehe, würde ich einen Transfer unter vernünftigen Kondition gerne sehen.