Wirklich eine gute Analyse! Nur was das
Mittelfeld und deine
Grundeinschätzung der Spieler ("Männer für alles") angeht, bin ich anderer Meinung. Ich denke, wir sind uns darin alle einig, dass Lukita in seiner Prime ein göttlicher Mittelfeldspieler war. Aber würdest du das Mittelfeld im 4-3-3 mit 3 Lukitas füllen, wenn du sie im Kader hättest? Umgekehrtes Beispiel: Die meisten Fans waren der Meinung, Sami Khedira sei kein Weltklasse-ZM. Im Setting, das Mourinho konstruierte, war Sami aber essenziell und absolut weltklasse! Es geht im Mannschaftssport immer darum, verschiedene Qualitäten zu einem homogenen Ganzen zu formen. Nur so kann man die ganz großen Titel gewinnen oder Rekorde aufstellen. Ein Mittelfeld Bellingham-Camavinga-Valverde kann realiter einfach nicht "funktionieren", weil diese Typen so ähnlich sind, dass keine Balance ensteht. Praktisch gesprochen: 3 Dynamiker bzw. Box-to-Box-Spieler im Mittelfeld bedeuten Unruhe und schlechtes Positionsspiel, d.h. Kontrollverlust. Weiter will ich nicht ins Detail gehen. Der Sinn ist klar: Du brauchst verschiedene "Spezialisten" mit unterschiedlichen Charakteren und Fähigkeiten, damit das ganze Konstrukt "funktioniert" in dem Sinne, dass jeder mit seinen Stärken glänzen kann. Genau das haben uns K-C-M in ihrer Glanzzeit vor Augen geführt.
Das oben genannte sind einfach
Kaderplanungsfehler, die typisch sind für
Pérez. In diesem Grundsatz hat er sich seit Amtszeit 1 nicht geändert - mit Ausnahme der 3 Mourinho-Jahre. Natürlich ist Bellingham mit 19 ein brutal guter Spieler mit Potential für den Ballon d'Or. Darüber brauchen wir nicht diskutieren. Trotzdem muss man darüber reden, ob es dieser Spielertyp ist, für den Real Madrid im Sommer 2023 100 Mio.+ ausgeben sollte, wenn man gerade den Topscorer im MS verloren hat und seit Jahren auf den AV-Positionen Probleme hat.
Der letzte Punkt betrifft unseren
Trainer: Wie du richtig schreibst, müsste, wenn Fran den LV gibt, der DM zwingend abkippen und Frans Vorstöße absichern. Im 4-3-3 kannst du das grundsätzlich über den DM machen; es wird freilich zum Ding der Unmöglichkeit, wenn du als DM zeitgleich den RV (Vázquez) und eigentlich auch noch den LZM (Kroos) absichern musst. Ein offensivorientierter DM wie Camavinga hat für diese Aufgabenstellung das völlig falsche Mindset. Da bräuchte es zwingend einen Casemiro oder Tchouaméni (wobei letzterer in seiner Defensivleistung noch nicht auf Casemiro-Niveau angekommen ist).
Im 4-4-2 mit Raute, was wir aktuell tw. praktizieren, kann der nominelle DM generell nicht so leicht auf die Seiten abkippen, weil dann das Zentrum entblößt wird. D.h. wir stehen hier sowohl vor einem personellen wie vor einem systemischen Problem. Ancelotti hat nun leider nicht die Gabe, ein Taktikgott und -pädagoge zu sein. Er hat vor der Saison das System massiv geändert; damit hat er schon mal viel Reformgeist, eigenen Mut und Kreativität bewiesen sowie gleichzeitig auf die Pérezschen Einkäufe bestmöglich reagiert. Aber es ist ihm offenkundig nicht gelungen, den einzelnen Spielern auch die notwendigen taktischen Aufgaben beizubringen. Das hängt m.E. sehr damit zusammen, dass er ein eher "liberaler" Trainer ist, der nicht besonders viel von festen (einstudierten und schematischen) Abläufen hält. Genau das verlangt aber ein Rautensystem. Gegen schwache Gegner fallen die Probleme in der Regel nicht so auf, weil die Konterqualität nicht gegeben ist. Gegen Atleti hat man hingegen gut gesehen, was passiert, wenn eine Mannschaft organisatorisch und fußballtechnisch in der Lage ist, die genannten Problemzonen gezielt zu attackieren.
Ich sehe jetzt nicht, dass wir viele Spiele verlieren werden. Dafür ist die individuelle Qualität einfach zu hoch und diese kompensiert die taktischen Mängel. Aber gegen richtig gute Gegner (Atleti, Barca, Bayern, die Top-5 der PL) sehe ich uns unterlegen. Da braucht es dann schon (Spiel-)Glück und/oder einen Sahnetag. Eigentlich ein Unding, wenn man Real Madrid ist.
da brauche ich jetzt gar nicht weit ausholen. Denn nur weil ein Spieler normalerweise "so und so" spielt, heißt es nicht, dass er nicht anders spielen kann, wenn der Trainer ihm die Aufgaben hierzu klar strukturiert vorlegt. Und genau darauf wollte ich nämlich hinaus mit meinem Kommentar. Das hast du glaube ich nicht ganz gesehen. Dass der ZDM links absichern soll bei Vorstößen ist nichts Neues. Hat Casemiro sehr häufig gemacht mit Marcelo als LV. Dass dafür Valverde RV oder eben ZDM absichern soll habe ich doch auch erwähnt. Es geht ja auch um konter und nicht um die defensive Grundordnung. Wir haben ja nominell sogar ein 4-3-1-2 und damit eine defensivere Ausrichtung als im 4-3-3. Nur weil alle von Raute sprechen ist es dadurch nicht weniger ein 3er Mittelfeld. Wir haben unser System im Mittelfeld nie geändert. Das System hat sich nur im Hinblick auf die Offensivreihe verändert. Statt einen Stürmer haben wir einen 10er. Statt LF und RF haben wir LS und RS. Daher spielen wir auf 7 von 10 Positionen fast dasselbe Spiel nur werden wir immer schlechter mangels richtiger Einstellung der Mannschaft durch den Trainer. Es geht darum bei bestimmten Situation zu wissen, wer welche Aufgaben übernimmt, um nicht nach Gefühl zu agieren und die Struktur und Ordnung zu verlieren. Es geht darum zu wissen, dass wenn Spieler X vorstößt, dass Spieler Y absichert und so die IV sich immer auf eine bestimmte Struktur verlassen kann und ihre Position damit nicht verlassen muss. Und genau da ist Ancelotti eben Schuld. Egal ob er ein Taktiker ist oder nicht. Er muss das beste aus dem Kader machen und man kann deutlich mehr draus machen als er jetzt draus macht.
Um nochmal auf das von dir aufgegriffene Hauptthema zurück zu kommen:
Unsere Spieler haben alle ganz viele und große Fähigkeiten für ZMs der modernen Zeit. Insbesondere sind sie Box-to-Box Spieler der höchsten Klasse. Sie sind sich sehr ähnlich, weil alle von allem etwas können und damit fehlen für dich klare Aufgaben, die bestimmten Spielern fest zugeordnet sind unzwar solchen die genau für gewisse Atrribute stehen. Und genau hier unterscheiden wir uns eigentlich nicht. Denn dass man eine Startelf hat, in der niemand für etwas bestimmtes und jeder für alles steht, stört mich genauso. Nur siehst du meiner Meinung nach nicht, dass man genau mit diesen Spielern dasselbe Spiel aufziehen kann, wie damals mit Kroos, Modric und Casemiro. Denn manche von ihnen sind besser im Zweikampf, Spielaufbau und wieder andere besser bei offensiv Vorstößen, Läufe in die Tiefe oder binden von Gegenspielern. Wieder andere beherrschen die Raumdeckung besser.
Warum sollen wir jetzt aber uns Spieler wünschen, die limitierter sind und nur gewisse Aufgaben übernehmen können, damit die Aufgaben klarer verteilt sind? Wäre es nicht deutlich klüger, den Spielern, die von allem etwas können und von manchem noch mehr (wie Defensivverhalten), klare Aufgaben zuzuweisen, damit sie so spielen wie ein Casemiro, aber gleichzeitig besser sein können als er, weil sie in bestimmten Situationen den Spielaufbau besser vorantreiben können oder mal ausnahmsweise nach vorne preschen können. Es ist nicht das Mittelfeld. Es ist die mangelnde Ordnung. Unter Mourinho wusste man immer, dass wenn Spieler X vorstößt, Spieler Y absichert (ganz runtergebrochen formuliert). Camavinga zum Beispiel könnte eins zu eins den Casemiro mimem. Man müsste ihm nur klarmachen, dass wenn er auf der 6 spielt, die 6 nicht zu verlassen hat. Dass er bei bestimmten Spielsituationen in bestimmte Richtungen zu schieben hat und sein Nebenmann müsste wissen, dass wenn er dann doch mal vorstößt, dieser ausnahmsweise absichern soll. Wenn er dann noch zusätzlich aus der Tiefe den Spielaufbau vorantreibt und bei Balleroberungen schnelle Vorstöße mit guten Bällen initiiert, dann ist er schon um einiges besser als es Casemiro je war. Und genau diese Fähigkeiten bringt Camavinga körperlich und auch spielerisch mit. Wenn man ihm beibringt, wie er sich bei Flanken zu verhalten hat, wann er in die IV rücken muss etc. dann meckert hier keiner mehr, dass sich unsere Spieler zu sehr ähneln. Ich sehe ohnehin nicht, warum sie sich so sehr ähneln sollten. Ich sehe nur, dass keiner von ihnen klare Aufgaben zugewiesen bekommt und daher jeder alles macht/machen muss. Aber würdet ihr wirklich behaupten, dass Tchouameni, Camavinga, Valverde und Bellingham eins zu eins dieselben Spielertypen sind? Sie sind zwar Box-to-box Spieler, aber nur weil jeder alles kann. Aber nicht jeder kann alles auf demselben Niveau. Die Attribute sind unterschiedlich stark ausgeprägt. Denkt ihr nicht, man könnte ihnen unterschiedliche Rollen zuweisen? Und hätte dadurch dennoch Spieler, die dann noch zusätzlich fähig sind, andere Aufgaben situativ zu übernehmen?
Zudem ist das Problem generell, wenn man mit 4 "Zms" spielt, dass man einen Spieler zu wenig für die Offensive hat. Insbesondere dann, wenn die Außenverteidiger nicht gut nach vorne arbeiten. Es ist also nicht das Problem, dass wir zu ähnliche Zms haben, sondern einfach nur zu viele und zu viele gleichzeitig spielen lassen und dadurch ein Offensivspieler fehlt, den es besonders bei so tief stehenden Gegner erfordert, um Tore schießen zu können. Selbst im 4-3-3 waren wir ein Offensivspieler zu wenig, weil unsere Außenverteidiger zu wenig nach vorne arbeiteten. Im Derby waren wir sogar drei zu wenig. Würde Joselu statt Bellingham spielen, wären es nur noch zwei. Würden Bellingham oder Diaz die 10 bespielen, wäre es noch einer zu wenig. Lässt man dafür Fran die Vorstößte machen und Vazquez ebenso und sichert Defensiv GEORDNET mit Zms ab, dann kompensiert man das. Aber wenn du Kroos und Modric zusammenspielen lässt, dann hast du keine ZMs, die Defensiv verlässlich absichern können und genauso wenig Kreativität und Spritzigkeit für die Offensive liefern. Da können sie noch so gut Ruhe in den Spielaufbau bringen. Dies wird bei uns einfach nicht mehr benötigt als Offensivdrang oder defensive Stabilität.
Wir können also sehr wohl mit unseren Spielern ein klares System spielen, in dem im Mittelfeld jeder für etwas anderes steht. Nur hapert es enorm an der Umsetzung, weil 1. Ancelotti kein Taktiker ist und 2. er nach Sympathie aufstellt.
Ich meine als Trainer musst du doch durchdrehen, wenn du einen jungen Spieler wie Fran neu im Team hast und deine Spieler diesen nicht richtig einbinden, stattdessen nicht einmal respektieren und damit auch nicht berücksichtigen im Spiel. Aber er tickt genauso. Er respektiert ihn genauso wenig, weil er keinen Namen und vllt auch noch nicht die Klasse hat, obwohl er gute Ansätze und Potenzial hat. Er muss doch als Trainer mit diesem Kader arbeiten und dafür sorgen, dass auch Fran möglichst glänzt, damit wir erfolgreich sind. Dass die Mitspieler auf seine Stärken und Schwächen reagieren, damit man das Spiel fördert. Stattdessen wechselt er ihn bei jeder Gelegenheit unabhängig von Leistung aus, damit Nacho zufrieden ist, weil der ein Standing im Team genießt. Fran würde genauso wenig Spielzeit wie Diaz sehen, wäre Mendy fit gewesen. Und was das uns mehr bringen würde als ein unreifer Fran, das wüsste ich mal gerne.