Ronaldo war und ist ja auch keine tragende Säule für das Funktionieren der Mannschaft. Ähnlich wie letztes Jahr der Ausfall von Ronaldo, besorgt mich der Ausfall von Bale kaum. Die Mannschaft kann sein Fehlen kompensieren. Das Problem ist, dass mit Marcelo, Benzema (voraussichtlich) und Modric drei Spieler ausfallen werden, die mit ihren Qualitäten für dieses Real Madrid auf der Welt einmalig sind.
Weil so viele Ausfälle zu beklagen sind, fällt nun auch derjenige von Bale stark ins Gewicht. Ich bin sehr gespannt, wie Ancelotti die Mannschaft aufs Feld schicken wird, aber der Glaube an ein Weiterkommen in der Champions League und an einen Triumpf in der Meisterschaft, ist innerhalb von einem Spieltag ins Bodenlose gesunken.
Nicht etwa wegen "mangelnder Taktik, sondern schlichtweg aufgrund mangelnder Qualität.
An dieser Stelle würde ich auch gerne einmal an den Verstand von Jese, Makedonija, usw. appellieren:
Nach drei Jahren Mourinho und dem dunklen Zeitalter vieler Jahre vor Mourinho, war es langsam an der Zeit, Real Madrid dominanten, offensiven Fussball spielen zu lassen.
Diese Zeit war letztes Jahr noch nicht gekommen. Mit Di Maria und Alonso war das Mittelfeld der Mannschaft bestückt mit einem Schlangenmensch, der durch seine Spielweise der personifizierte Feind von Statik ist, sowohl in der eigenen Mannschaft, als auch und insbesondere beim Spielaufbau der Gegner. Selbst aus einem Abwehr-/Mittefeldpressing heraus, war Di Maria dazu in der Lage, Hektik in die Organisation der Gegner zu bringen, riskante Balleroberungen zu verbuchen und mit den Turboraketen auf der Seite und dem rustikalen, klobigen Artilleriegeschütz (Alonso

) hinter seinem Rücken schnelle Gegenstösse zu initiieren.
Das entsprach der Philosophie der Mannschaft, die aus einer stabilen, tiefen Grundordnung, einen unorganisierten Gegner überrumpeln konnte. In der entscheidenden Phase wurde sehr ähnlicher Fussball gespielt, wie unter Mourinho.
Im vergangenen Sommer gab es hinsichtlich der Spielphilosophie einen viel grösseren Umbruch, als im ersten Jahr der Übergang zwischen Mourinho und Ancelotti. Viele Personen in diesem Forum (ich meine keine bestimmten, habe keine im Kopf, aber es gab zweifellos viele davon) wünschten sich sehnsüchtig ein dominantes Real Madrid, kein langweiliges Tiki-Taka, bei dem Ballbesitz das Ziel und nicht Mittel zum Zweck ist (vereinfacht gesagt), sondern ein spektakulär, dominantes Real Madrid.
Es wurde von gewissen Personen sogar verkündet, dass ihnen eine oder zwei titellose Saisons egal wären, sofern sich die Mannschaft in die gewünschte Richtung entwickelt.
Nach starken Anfangsschwierigkeiten in dieser Saison (bedenkt, eine Veränderung in der Spielphilosophie bei einem Club wie Real Madrid während einer WM durchzuführen, ist keine einfache Angelegenheit) spielte die Mannschaft genau so, wie ich mir das immer gewünscht habe und ich bin sehr sicher, dass zu diesem Zeitpunkt extrem viele Menschen jedes einzelne Spiel genossen haben, wie ich. Diese erfolgreiche Zeit war zu einem nicht unerheblichen Teil auf die Leistungen von Ancelotti zurückzuführen, der der Mannschaft innerhalb von kurzer Zeit eine neue Identität geschneidert hat.
Die personelle Veränderung von Alonso zu Toni Kroos ist dabei die offensichtlichste Veränderung, die den Identitätswechsel verdeutlicht. Ich dachte zuerst, Kroos sei als 8er angedacht und er wäre der Nachfolger von Di Maria, weswegen mich der Wechsel unendlich angekotzt hat, denn in meinen Augen wäre dies ein klarer Qualitätsverlust gewesen.
Gekommen ist es ganz anders, zwar bedauere ich noch heute jeden Tag den Abgang von Di Maria, er wäre auch im heutigen Real Madrid ein König, aber durch die Besetzung der 6er-Position mit Kroos und dem damit verbundenen Abgang von Alonso kam man dem dominanten Wunschmadrid schon sehr nahe.
Wir alle haben gesehen, wozu die Mannschaft in der Lage sein kann. Rückblickend betrachtet ist vieles klarer. Hätten die Verantwortlichen schon im Sommer gewusst, dass sich Kroos in seiner neuen Rolle so wohl fühlt, wie noch nie in seiner Karriere, dass James seine angedachte Rolle auf einem unglaublichen Niveau erfüllen kann und dass sogar Bale und Ronaldo in einem auf Ballbesitz ausgerichteten System unmenschliche Leistungen erbringen können, dann hätten sie vermutlich schon im Sommer gemäss einer klareren Philosophie geplant und eingekauft.
Ich kann die Zurückhaltung der Verantwortlichen Rückblickend absolut verstehen, ich dachte im Sommer es verändert sich nicht viel, deswegen war der Abgang von Di Maria und Alonso für mich ein Schlag in die Fresse, aber in Tat und Wahrheit veränderte sich alles.
Und genau diese Veränderung heisse ich gut, verstehe aber vollkommen, dass diese Klarheit erst im Laufe der Saison erreicht werden konnte.
Der Kauf von Lucas Silva ist dafür ein klares Indiz. Der Rausfall von Khedira aus der Mannschaft ist dafür ein klares Indiz. Wäre die Mannschaft nie auf das Level gekommen, das sie in der Hinrunde hatte mit ihrer neuen Philosophie, dann hätte Khedira möglicherweise eine sehr wichtige Rolle in der Rückrunde gespielt. Logisch oder? Eine Übergangssaison, in der im Laufe der Zeit klar wurde, dass die Mannschaft in der Spitze unzweifelhaft die Qualität hat, um die neue Spielidee nahezu zur Perfektion auszuführen.
Der Ausfall von einzelnen Leistungsträger offenbart dann auch die weder "Fisch noch Vogel Planung" im Sommer. Die Leistungsträger können nicht ersetzt werden, nicht weil das System schlecht ist, sondern weil der Kader in dieser Übergangszeit noch nicht passend für die Idee bestückt ist. Chicharito wird nie einen Benzema in unserem System ersetzen können. Bei Kontern könnte er durch seine Geschwindigkeit potentiell eine gefährliche Waffe darstellen, aber in einem auf Ballbesitz und Dominanz ausgerichteten System? Never!
Das exakt Gleiche gilt bei Illarra und Khedira für die 8er-Position. Unter Mourinho hat sich Khedira gegen Modric mit seinen Qualitäten auf der Box-to-Box-Position durchgesetzt, bei entsprechender Ausrichtung wäre er sicherlich auch diese Saison ein stabiler Backup für Modric gewesen. Wie allerdings festgestellt, gekommen ist es anders und ich dieses anders heisse ich gut.
Habt ein wenig Vertrauen, versetzt euch in die Lage der Verantwortlichen, ich bin ganz bestimmt kein Pérezfanboy und mir gehen weiterhin viele Dinge gegen den Strich (Stichwort nichtvorhandene Einbindung der Jugend), aber die haben keinen schlechten Job gemacht. Rückblickend gab es klare, deutliche Fehler, aber entscheidend bei der Beurteilung von Entscheidungen ist der Stand zum Zeitpunkt der Entscheidung.
Konnten die Verantwortlichen all die geschilderten Dinge und noch viel, viel mehr, was ich nicht benannt, respektive gemerkt habe, wirklich voraussehen und planen?
Ich bin voller Pessimismus für die laufende Saison, aber ich freue mich auf die Nächste. Sollten dann schlechte Entscheidungen getroffen werden, begrüsse ich jegliche Kritik, aber fair soll und muss sie sein und dazu gehört auch die Betrachtung der jeweiligen Umstände, unter denen Entscheidungen getroffen wurden.