Wenn dem so wäre, könnte sich jeder Spieler aus allem rauswinden: "Das Bein ist durch, aber er wollte ihn nicht treffen, er hat nur auf den Ball geschaut, guckt doch die Wiederholung an!" - "Ok, die Rote müssen wir zurücknehmen!" - "Danke."
Wie willst du nachweisen, was der Wille des Spielers ist? Wir sind hier im Profisport und da gibt es klar definierte Regeln, die für alle gelten. Das ist der Maßstab, der festlegt, was geht und was nicht geht.
Ein Jurist möge mich korrigieren: Die Unschuldsvermutung gilt erst im Strafverfahren und nicht schon im Ermittlungsverfahren oder in der Gefahrenabwehr. Womit wir wieder beim ersten Absatz wären: Vinicius ist nicht pauschal aus dem Schneider, nur weil die bloße Annahme, er könnte das gar nicht so gewollt haben, existiert. Wenn in Deutschland mittels Radarfalle die Geschwindigkeit überwacht wird, kommt auch niemand auf die Idee, den Rechtsstaat in Frage zu stellen und die Unschuldsvermutung in Gefahr zu sehen. Dass sich Spieler im gegnerischen Strafraum tendenziell leichter fallenlassen, ist mit Sicherheit messbar. Gibt da ja, im Gegensatz zu einem Allerweltsfoul irgendwo anders auf dem Spielfeld, die potentiell höchste Belohnung in Form eines Elfmeters.
Niemand, nicht mal Vinicius selbst, kann nachweisen, dass Vinicius den Schiedsrichter nicht täuschen wollte. Eben darum gibt es ein festes Regelwerk, das ziemlich gut definiert, was sportlich und was unsportlich ist. Daran haben sich alle zu halten. Selbst wenn Vinicius einfach nur "zur falschen Zeit am falschen Ort" war, ist er dadurch nicht a priori freizusprechen.
Siehe oben: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Dass Vinicius durch (zu) leichtes Fallen fürs Schwalben verwarnt werden kann, wusste Vinicius zu 100 % bevor die Situation eingetreten ist. Das lernt man in der Jugend.
Robondo… schau doch bitte zuerst ins Regelwerk…
Zum ersten Punkt
Du beschreibst ein Foulspiel. Das hat Regeltechnisch schon ganz andere Voraussetzungen. Insoweit vergleichst du Äpfel mit Birnen. Zu deinem Beispiel mit dem überharten Foul:
„Regel 12.1 IFAB:
Ein direkter Freistoss wird gegeben, wenn ein Spieler eines der folgenden Vergehen gegenüber einem Gegner nach Einschätzung des Schiedsrichters fahrlässig, rücksichtslos oder übermässig hart begeht:
Rempeln
Anspringen
Treten oder versuchtes Treten
Stossen
Schlagen oder versuchtes Schlagen (einschliesslich Kopfstössen)
Tackling oder Angriff mit einem anderen Körperteil
Beinstellen oder versuchtes Beinstellen
Ein Vergehen mit Körperkontakt wird mit einem direkten Freistoss geahndet.
„Übermässig hart“ bedeutet, dass ein Spieler im Zweikampf mehr Kraft einsetzt als nötig und/oder die Gesundheit eines Gegners gefährdet. Ein solches Vergehen ist mit einem Feldverweis zu ahnden.“
Bei einem Vergehen kommt es nicht auf die Absicht an, sondern nur auf den Kontakt. Wenn der Kontakt übermäßig hart war, gibt es eine rote Karte. Was der Spieler denkt, spielt dabei keine Rolle.
Zum zweiten Punkt:
Das hat nichts mit Unschuldsvermutung zu tun. Die besagt nur, dass eine Person bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Strafverfahrens, das den Beweis der Schuld erbringt, als Unschuldig gilt. Das Ermittlungsverfahren ist übrigens Teil des Strafverfahrens.
Die Unschuldsvermutung hat aber nichts damit zu tun, welche Voraussetzungen der Gesetzgeber für die Straftat Diebstahl im Strafgesetzbuch geregelt hat.
Wenn die Person in unserem Beispiel also von der Polizei geschnappt wird und ermittelt wird, gilt sie so lange als unschuldig, bis ein Gericht sie rechtskräftig verurteilt. Darum sprechen die Medien aus juristischen Gründen in ihrer Berichterstattung auch immer vom „mutmaßlichem Täter“, auch wenn für jeden offensichtlich ist, dass eine Straftat vorlag. Täter war bzw. ist er eben erst, wenn das ein Gericht festgestellt hat.
Im Fußball macht die Unschuldsvermutung übrigens auch keinen Sinn, weil es da kein Straf- oder ein ähnlich ausgestaltetes Verfahren gibt. Der Schiedsrichter (Betonung liegt auf Richter) trifft die Entscheidung sofort auf dem Platz. Wenn man ganz kleinkariert ist, könnte man sagen „ja aber wenn sich der VAR einschaltet und nochmal eine Überprüfung erfolgt..“. Ja, dann gilt halt für die zwei Minuten die „Unschuldsvermutung“.
Das mit der Radarfalle musst du mir nochmal erklären. Wieso da jemand den Rechtsstaat in Frage stellen sollte, verstehe ich nicht.
Aber auch im Bußgeldverfahren gilt die Unschuldsvermutung. Du kannst gegen den Bußgeldbescheid selbstverständlich Rechtsbehelfe bzw. Rechtsmittel einlegen. Solange dann nicht abschließend geklärt ist, ob du tatsächlich zu schnell gefahren bist, giltst du doch als unschuldig.
Zwischen „leichter Fallen“ lassen, weil der Spieler glaubt, der Kontakt reicht für ein Foul aus und eines bewussten Täuschungsversuch des Schiedsrichters ist doch ein himmelweiter Unterschied, oder findest du nicht?
Zum dritten Punkt:
Also bitte: Vinicius muss doch wissen, ob er den Schiedsrichter täuschen wollte oder nicht. Jede Handlung die du ausführst wird vom Kopf gesteuert. Vielleicht mit Ausnahme von Reflexen…
Er spürt den Kontakt, glaubt es ist ein Foul und lässt sich fallen. Wo will er den Schiedsrichter täuschen?
Anderes Beispiel:
Bei allen Standardsituationen wird geklammert und gehalten, was das Zeug hält, oftmals im Graubereich. Wenn dann ein Spieler fällt und Foul reklamiert, würdest du doch nie im Leben auf die Idee kommen und ihm eine gelbe Karte wegen einer Schwalbe zu geben. Und warum machst du das nicht? Weil du erkennst, dass er dich nicht täuschen wollte, sprich keine Täuschungsabsicht hatte.
Punkt 4:
Das stimmt. Unwissenheit schützt vor Strafe nicht.
Und mit diesem Absatz hast du den Nagel auch voll auf den Kopf getroffen.
Wie wir bereits festgestellt haben, braucht man eine Täuschungsabsicht für eine Schwalbe. Wenn es jetzt nur ein minimalster Kontakt ist, der unter keinen denkbaren Umständen ein Foul darstellen kann und der Spieler das auch weiß, weil man das, um bei deinen Worten zu bleiben, schon in der Jugend lernt, handelt er doch absichtlich und weiß, dass kein Foul vorliegt. Du sagst doch sogar selber: er hat in seiner Jugend gelernt, dass das kein Foul ist. Also versucht er wohl zu täuschen. Wo ist jetzt das Problem?
Was glaubst du, warum ich seitenweise Ausführungen zum Ermessensspielraum bei Foulspielen gemacht habe? Der betrifft nämlich genau diese Frage. Ab welcher Intensität des Kontaktes muss (!) der Spieler sich hundertprozentig sicher sein, also positiv wissen, dass der Kontakt nie und nimmer ein Foul darstellen kann.