Wir mussten mal wieder eine Niederlage gegen die Stadtrivalen schlucken, aber diesmal war es anders. Atletico musste dafür nicht mal an ihrem bestem Spiel kratzen. Grob gesagt hat es gereicht, dass Moya stark war, als Real Madrid am besten funktioniert hat plus damit zurecht kommen, zu was die Blancos in der Lage sind, und auf Ardas zweite Halbzeit zu warten. Es nicht nichts, aber Simeones Atletico kann eigentlich noch mehr. Deswegen muss es hart für Ancelotti gewesen sein. Es ist nicht so schwer, seine Mannschaft zu besiegen.
Am Anfang war es ein Abtasten. Atletico verteidigte mit 11 Mann und Madrid hielt den Ball ohne große offensive Ambitionen, sondern mit Respekt vor Atleticos Kontern. Diese Phase hielt aber nicht lange. Um die 10. Minute gewann Atletico eine Ecke und Tiago machte ein ungewöhnliches Tor. Nicht weil es aus einer Ecke entsprang, sondern weil Real Madrid diese völlig ungewöhnlich verteidigte. Man übersät den 5er mit Spielern und überlässt dem Keeper damit gar keinen Raum, man raubt ihm die Möglichkeit, sich zu bewegen, mit so vielen Männern um ihn herum. Jede kleine Intervention des Gegners ist ein Tor. Man verteidigt eine Ecke so, als wenn man den Torwart verbietet, seine Fäuste zu nutzen. Das gab es vor dem Champions League Finale nicht, dort ließ man seinen Keepern Platz. Ich kann verstehen, wenn viele Stimmen sich gegen Iker erheben. Nicht, weil er patzt, sondern weil der Anschein stark ist, dass er seine Vordermänner verunsichert. Wie gesagt, es gibt keine großen Fehlern, aber praktisch jeder Schuss auf das Madrider Tor geht auch rein.
Das 0-1 bestärkte Atletico in ihrer sehr konservativen Strategie und gab den Gastgebern einen Adrenalinschuss, der, so wie die Minuten vergingen, immer stärker wurden. Bis sie einen phantastischen Fußball fabrizierten. Und das auch dank Ancelotti, der einen Ass aus dem Ärmel zog. Man spielt mehr ein 4-4-2 als ein 4-3-3, was Ronaldos Position weiter in die Mitte zieht. Doch anders als sonst, sollte der Portugiese seine Diagonalläufe mehr Richtung rechts als links starten. Rechts waren nun Bale und Ronaldo zusammen(der Waliser sorgte oftmals für Breite und zog einen Mann weg von Cristiano) und Cristianos hatte eine so hohe technische Präzision, dass Atletico es nicht schaffte, ihn komplett zuzustellen. Ronaldo schaffte mit seinen Laufwegen und Dribblings eines echten Flügels das, was vorher noch keinem gelungen war: Diego Pablo Simeone ohne Defensive Lösung zu lassen. Zum ersten Mal, nicht mal bei unserem 3-0 Copa Erfolg, wusste Atletico nicht, wie sie ihren Gegner verteidigen sollten.
Cristianos neue Rolle war auch für den zweiten Mann der ersten Halbzeit von Vorteil. James Rodriguez, der links startete, aber in der Praxis immer im Zehnerraum endete und dort Raum vorfand, weil die Stars auf der anderen Seite Verteidiger zogen. Es lief darauf hinaus, dass sein Einfluss ähnlich wichtig wurde, wie das der Nummer 7, da er es war, der Madrids Angriffe in der Gefahrenzone festsetzte(mit Dribblings oder Zuspiele von Kroos). Real Madrid komplett, Ramos und Pepe inklusive, die der Mannschaft auch defensiv volle Kontrolle beschaffte. Madrid war spielerisch in allen Phasen überlegen. Aber 1-1.
Nach Wiederanpfiff veränderte sich Atletico. Sie wollten mehr Ballbesitz haben. Riskant gegen Cristiano und Gareth, aber trotzdem logisch, um den Rhythmus des Gegners zu stören. So verabschiedete sich Madrid mal wieder allmählich aus dem Spiel. Sobald Atletico ein paar Pässe zuspielten, ließen Arbeloa, Pepe, Ramos und Coentrao ihr Mittelfeld in Stich, sie rückten zusammen und ließen sich auf den 16er fallen. Das war ein deutliches und konstantes Verhalten, das schon im Supercopa Rückspiel, gegen Cordoba und dann am stärksten in Aoneta zu sehen war. Wenn die anderen kombinieren, kann Real Madrid nicht mit einer Antizipation von Pepe rechnen, noch von einem Ramos, dass er den Gegner ins Abseits stellt, nicht mal, dass Coentrao seinen Flügel zu macht. Hart ausgedrückt, nimmt die Verteidigung nicht mehr am Spiel teil. Alles was sie zeigen können ist, Flanken abzufangen und irgendwelche verzweifelte Rettungstaten. Ja, das Zentrale Mittelfeld aus Kroos und Modric machen Fehler. Aber keine Doppelsechs kann eine Partie überstehen ohne die Hilfe ihrer Verteidiger. Toni und Luka verstehen nicht, wie auch, warum die hinter ihnen so handeln. Deshalb entsteht ein riesiger freier Platz zwischen den Linien. Sollten Kroos und Modric sich weiter fallen lassen? Wenn die Verteidigung ihr Verhalten nicht umstellt, ja, aber es wäre sehr eigenartig, wenn Ancelotti wollte, dass man immer ab dem eigenem 16er in jedem Angriffsbeginn des Gegners verteidigt. Logischer wäre, dass der Italiener wollte, dass Ramos und Pepe sie selbst sind und nicht eine nervöse Abklatsche von Terry und Cahill.
Das 2:1 zeigt perfekt auf, was ich meine: Es gibt Einwurf 50 Meter vom Tor entfernt und die 4 Verteidiger sind im 16er, alle eng beieinander. Mit Coentrao und Ramos in den Positionen, die sie letztes Jahr belegt hätten, hätte Juanfran den Ball niemals bekommen. Nicht jeder verhält sich optimal(die Mittelfeldspieler, zu Beginn der Szene, also während des Einwurfs, aber meiner Meinung nach schon), aber der große Fehler, der Real Madrid aus der Balance bringt, ist dass Juanfran den Ball so empfangen kann. Das ist für mich kein akzeptables Abwehrverhalten auf dem Niveau.
Unter diesen Umständen kam Arda Turan in der 60. Minute und dominierte das Geschehen. Der Türke hat eine Ausstrahlung, die der seiner Kollegen noch übersteigt. Simeone bemerkte, dass seine Stunde geschlagen hatte und traute sich sogar, Koke auf der 6 zu stellen, was bisher nicht oft gut gegangen ist(man erinnere sich an das Copa Spiel). Doch ohne Pepe und Ramos hatte Madrid keine Chance auf Balleroberung, also auch keine Gefahr von Kontern.
Atletico nahm wieder 3 Punkte aus dem Bernabeu mit und kann sich noch sicher sein, dass sie im nächsten Aufeinandertreffen noch besser sein werden. Trotz Sieg ist auch(oder sogar noch mehr) bei ihnen zu bemerken, dass der Sommer und ihre Wechsel sie zugesetzt hat.
Real Madrid hingegen hat es geschafft ihr Potenzial abzurufen, aber solange Ancelotti es nicht schafft, seine Innenverteidigung auf die Reihe zu bekommen, wird man die Unkonstanz nicht ablegen können. Die Zeit rennt.
Wieder muss ich an die letzte Mourinho Saison denken. Hoffentlich wiederholt sich die Geschichte nicht.
Ansonsten würde ich in naher Zukunft, gerne schon gegen Basel, gerne sehen, wie Navas und Illarramendi ihre Chancen bekommen. Kann verstehen, dass das Spiel gegen Atletico eine große Zumutung hätte sein können und es nach hinten losgehen könnte. Der Fall Iker wirft schon große Fragen auf und ich bin nicht sicher, wie viel "Schuld" er trägt. Einen waschechten 6er hat Madrid, meiner Meinung nach, noch nicht gefehlt, sprich es gab für mich in dieser noch jungen Saison noch nicht *den* Moment, wo wir Alonso wirklich vermisst haben, aber Illarramendi könnte mit seiner Natur möglicherweise einiges abfedern.
Das wichtigste, da wiederhole ich mich, ist für mich aber, dass wir unser allgemeines Abwehrverhalten auf die Reihe kriegen. Und ich habe keine Ahnung wie, weil ich auch keine Ahnung habe, wieso das plötzlich schief läuft.
Achja, und ich würde es nie verzeihen, wenn das CL Finale in Zukunft verklärt werden würde. Na kla ist es eine Art Glück, wenn man in der 93. Minute erst den Ausgleich macht. Aber wir haben uns das hart erarbeitet, ihr Sieg wäre dank eines Geschenk von uns gewesen und wir waren insgesamt die bessere Mannschaft. Sowas wie Chelsea 2012 war es nicht mal annähernd. Hätte Atletico gewonnen, wäre es nicht weniger "glücklich". Diese Freude haben wir aber damals im Pokalfinale schon bereitet.