Hast ja auch in einigen Punkten Recht, Nils. Die Jungs haben wieder Großartiges erreicht und man kann nur stolz auf sie sein. Ich sage ja auch immer wieder, dass es wahnsinnig ist, wie viel sie seit 17/18 entsprechend den Umständen überhaupt leisten. Sie sind weitestgehend von der Kritik befreit. Sie haben den Fans mehr gegeben, als man nach der letzten Sommer-Vorbereitung, in dem man peinliche Klatschen gegen Bayern oder Atletico kassiert hat, erwarten konnte.
Fangen wir mit unserem Hausmeister an: Casemiro ist über sich hinaus gewachsen. Es ist unglaublich, was der für Kilometer hingelegt hat und nahezu alle Löcher gestopft hat. Sogar offensiv war er präsenter als sonst. Definitv Top 3 Spieler bei Real!
Der von mir häufig kritisierte Benzema zeigte über weite Teile der Saison auch eine hervorragende Leistung. Klar nerven bei ihm einige seiner Eigenheiten und sein wochen-, teils monatelanger Formverlust kommt gerne mal ohne Vorwarnung, aber selbst gegen ManCity war er der einzig halbwegs gefährliche Aktivposten. Er zeigte zwar nicht konstant aber dennoch oft genug Verantwortung!
Und als letztes muss man natürlich die Defensive loben, zu der ja auch Casemiro gehört. Case, Mendy, Ramos, Varane, T-Bo performten allesamt grandios. Das Team hat endlich gezeigt, wie gut sie defensiv stehen können, wenn die Zusammenarbeit kollektiv besser funktioniert, denn rein von den Einzelspielern, sind wir in Sachen Verteidigung besser Atletico und das nicht erst seit gestern. Hier auch ein Lob an Zidane, der beim Sevilla-Spiel in der Hinrunde Atleticos Mauertaktik übernommen hat. Wir haben 1-0 gewonnen und seitdem stand die Defensive zumindest in der Liga weitestgehend gut. Zumindest immer dann, wenn die defensiven Schlüsselspieler spielten, sprich Casemiro und Ramos.
Aber auch Vini, Rodrygo, Kroos, Modric, Fede und Dani waren solide bis sehr gut, je nach dem von wem man in welcher Saisonperiode spricht.
Einzig und allein Hazard und Jovic waren enttäuschend, hier auch aus verschiedenen Gründen. Bale, James, Mariano und Marcelo spielten kaum eine Rolle und spätestens seit dieser Saison hat wohl auch keiner mehr große Erwartungen an diesen Spielern. Militao und Brahim kamen leider diese Saison kaum zum Zug, erster sollte sich für die Zukunft aber keine Sorgen machen, Letzterer aber dann umso mehr, da er sich durch seine Verweigerung eine Leihe viel Spielzeit genommen hat.
Was den Trainer, den Spielstil und die Kaderplanung angeht, wurde schon viel gesagt, kein Bock mich jetzt wieder in Rage zu reden. Verbleiben wir lieber beim Positiven: 1. Wir haben ein großen Titel gewonnen 2. Wir haben die besten Talente in Europa in unseren Reihern. Es war eine sonderbare Meisterschaft, in der eigentlich kein Liga-Team brillierte, aber am Ende waren wir gut genug, um als Nutznießer aus der Sache zu gehen.
Das Wort "Umbruch" habe ich 18/19 in Hinblick auf 19/20 häufig benutzt, aber habe gemerkt, dass das ein Fehler war und es wahrscheinlich auch für die nächste Saison nicht unbedingt besser reinpasst. Es hängt von vielen Faktoren ab, wann und wie stark der "Umbruch" voran getrieben wird. Vielleicht 2021 oder erst 2022, aber wie heißt es noch so schön: Wir werden sehen.
Vielleicht liegt es daran, dass ich mittlerweile fast so wenig Liga-Spiele sehe wie zu Pre-Breitbandinternet-Zeiten. Aber woher eure positive Bilanz kommt, ist mir, bei allem vorhanden Respekt, wirklich schleierhaft.
Nur weil man nach der Quarantäne eine gute (aber auch nur von den Ergebnissen her "gute") Phase hatte und Leute wie Modric besser waren als davor, sollte man nicht den Blick auf die Meisterschaft als Ganzes verlieren. Ich habe den Eindruck, viele lassen sich von den letzten Meisterschaftsspielen blenden.
Bleiben wir bei Modric. Seine Leistungen waren phasenweise erschreckend schwach. In den letzten Wochen gabs ein kurzes Aufflackern aber in Summe hat er in der Stammelf absolut nichts mehr verloren. "Solide bis sehr gut"? Ich würde sagen "Erschreckend schwach bis genügend"
Sergio Ramos war nach der Quarantäne in Überform und enorm wichtig! Aber selbst er hatte in Summe keine Saison, die ich mit "Sehr gut" bewerten würde. Auch hier: lassen wir uns doch nicht von den Elfmetertoren blenden
"Überragend" waren Courtois und Benzema. Gleich dahinter würde ich Ramos ranken, gefolgt von Mendy, der - gerade für seine erste Saison - wirklich gut war. Danach gabs einige solide Saison-Leistungen aber ein Casemiro hatte zB gefühlt schon bessere Spielzeiten. Gleiches gilt für Varane, Carvajal.
Aber bevor wir uns über Spielerleistungen streiten, denn das ist immer auch irgendwo subjektiv, reden wir über Grundsätzliches:
Wie tief sind wir eigentlich gesunken, dass man schon zufrieden ist, wenn man das schwächste Barcelona in der Ära Messi "irgendwie schlägt". "Hauptsache Titel"? Seit wann ist das unser Credo? Mich erschreckt diese Einstellung wirklich sehr, denn ich kann es als Fan dieses Vereins so gar nicht nachvollziehen. Teilweise kommts mir vor, als wäre ich im Forum von Getafe oder Atletico. Früher hätte man den Trainer für so einen Fußball vom Hof gejagd. Warum? Weil die Mittel in Madrid viel mehr zulassen, weil der Anspruch war, nicht nur Titel um jeden Preis zu holen, sondern das Publikum zu unterhalten. Von dem sportlich lächerlichen Supercup fang ich gar nicht erst an. Das ist für mich so viel wert wie die Club-WM.
Klar, der Markt und die Krise lassen wenig zu, wir sind im Umbruch und der CR-Abgang war schwer zu kompensieren. Aber Leute, da stehen immer noch genug potentielle Weltklasse-Kicker am Platz! Teilweise wird im Forum so getan als müssten wir froh sein, mit diesem Kader nicht abzusteigen. Aber wenn immer nur dieselben spielen, andere komplett ignoriert und demoralisiert werden, die Talente auf der Bank versauern und es für Neuzugänge keinen taktischen Plan gibt, wirds natürlich schwierig. Das heißt aber nicht, dass nicht grundsätzlich viel mehr möglich wäre mit diesem Kader! Es kann doch nicht sein, dass wir mit Ach und Krach gegen Clubs wie Granada gewinnen. Wie gesagt, manchmal glaube ich, im falschen Madrid-Forum gelandet zu sein.
Auch den Optimismus bezüglich der Talente kann ich nur bedingt teilen. Viele von ihnen werden scheitern, schlichtweg weil der Kader nicht zulässt, dass man mehr als 2-3 fördert, schon gar nicht, wenn sie dieselbe Position bekleiden und/oder auf schwächere Positionen ausweichen müssen (Rodrygo).Martin, Kubo, Brahim, Reinier sind alle im ZOM am besten und alle in einem ähnlichen Alter. Das allein lässt schon mal nicht zu, dass sich alle durchsetzen. Ödegaard hat eine weitgehend tolle Saison gespielt. Trotzdem lässt man ihn wohl weiter anderswo spielen, was mir schleierhaft ist (man Sociedad würde man sich garantiert über eine "vorzeitige" Rückkehr einigen können). Und selbst wenn er zurückkommt, wie soll er sich unter diesem Trainer durchsetzen, wenn der nicht einmal seinem teuren Wunschtransfer Spielzeit gibt und es nicht einmal schafft, einem Eden Hazard zu erklären, was seine Rolle am Platz ist. Das ist doch ein absolutes Armutszeugnis!
Selbst der Abgang von Hakimi, Madridista und Canterano, wird sich mit dem vergleichsweise lächerlichen Transfersumme schöngeredet. Mehr noch: man gibt dem Spieler die Schuld dafür, dass er bei seinem Herzensclub zurecht keine Perspektive sieht - und das, obwohl er uns auf mindestens zwei Positionen (RV, RM/RA) enorm hätte helfen können. Im Umkehrschluss war man bei James und Bale zu gierig anstatt sie ziehen zu lassen und sich hohes Gehalt zu sparen. Da stimmt doch etwas mit dem Fokus nicht, oder seh nur ich das so?
Früher habe ich verpixelte Live-Streams mit arabischem Kommentar geschaut, nur um Real Madrid zusehen zu können. Heute muss ich mich fast schon überwinden, aufzudrehen, obwohl ich nur auf zwei Knöpfe drücken brauche, um jedes Liga-Spiel mit deutschen Kommentar und Analyse zu sehen. Gehts wirklich nur mir so? Habe ich zu hohe Ansprüche? Was ist mit "meinem" Real Madrid passiert? Wo sind die weißen Tücher, die früher bei so einem grauenhaftem Kick geschwenkt wurden?
Ich bin natürlich nicht naiv. Mit "In Schönheit sterben" wird in Madrid auch keiner alt. Aber es muss doch bitte spielerisch mehr drin sein. Man wird doch vom Trainer einer der reichsten Clubs der Welt mehr Plan verlangen können als ängstliches Ball-hin-und-her-geschiebe, mit dem Ziel die Null zu halten und vorne irgendwie ein Tor zu erzielen. Die Einstellung "Titel sind das Wichtigste" kann ich jedenfalls auch nicht teilen. Und dasss unser Trainer nach dieser spielerisch mieserablen Saison sagt, er sei zu 95% zufrieden, lässt mich nicht gerade optimistisch in die Zukunft schauen.
(Sorry Chris, dass ich dich hier zitiere, dein Post ist nur Anlass für meinen Beitrag und richtet sich eher an die Allgemeinheit.)