Die Mehrheit der Barça Fans scheinen aber nicht die Hellsten zu sein.
Das liegt in der Natur der Mehrheiten, leider. Wie rational wählen denn die meisten eine politische Partei?
Ein Klub in der Größenordnung ist eher doch ein Sammelsurium von in dem Fall an die 150.000 Leuten, die außer dem Klub wenig gemeinsam haben.
Ich denke, die Schwierigkeit, eine komptetente Führung zu wählen, ist leider ein intrinsisches Problem der Vereinsstruktur. Ein Unternehmen dieser Größe würde eine/n CEO nach Qualifikationen, Erfahrung etc. und erfolgreichem Hearing auswählen. Hier haben wir aber einen Wahlkampf, in dem es darum geht, möglichst vielen Mitgliedern zu gefallen, d.h., möglichst das von ihnen Gewünschte zu versprechen, auch wenn das das Blaue vom Himmel sein kann. Wenn wir aber weiterhin ein Zusammenschluss natürlicher Personen sein wollen, müssen wir damit leben, dass wir nie effizient und meritokratisch wie ein Unternehmen sein können. Sehe daher keine Lösung dafür.
Schon damals 2015 hat man Bartomeu wiedergewählt, weil man sportlich das Triple geholt hat. Während Bartomeu im Hintergrund den Verein weiter in die Tiefe zog. Dann als man diesen Bartomeu endlich losgeworden ist, hatte man mit Victor Font einen ziemlich vielversprechenden Kandidaten, der einen klaren Plan für Alles und auch eine Präsentation vorliegen hatte. Dann kommt Laporta an und präsentiert den Fans vergangene Erfolge, also reine Nostalgie. Und was macht man? Man wählt genau diesen Laporta, weil unter seiner Leitung vor einigen Jahren, wo eine ganz andere Zeit herrschte und Barça das wohl mit Abstand beste Team hatte, viele Erfolge erzielt wurden.
Ja, so ist es. Die Probleme dabei allerdings: Font hat halt noch nichts Praktisches gezeigt. Und er will diesen Führungsposten um jeden Preis, wenn er wirklich 10 Jahre auf seine Präsidentschaft hingearbeitet hat und das jetzt weiter tut. Andererseits bemüht er sich anscheinend extrem. Er hat, wenn ich das recht in Erinnerung habe, der Vereinsführung z.B. mehr als 600 konkrete Vorschläge für Statutenänderungen unterbreitet. Und ich glaube, er ist ernstlich gewillt, persönliche Anfragen von Mitgliedern und Fans im Detail zu beantworten, die man ihm über seine Website stellen kann. Eventuell auch live per Videokonferenz oder so. Kann dazu nichts sagen, für mich bestand zum damaligen Zeitpunkt sowieso keine Möglichkeit, an der Wahl teilzunehmen. Nächstes Mal natürlich schon, kein Covid-Winter, wahrscheinlich ist dann außerdem die Online-Präsidentenwahl eingeführt, nach dem Online-Referendum. Briefwahl gab es übrigens, allerdings nur in Spanien und Andorra, die Teilnahme aus dem Rest der Welt wird während Covid gegen Null gegangen sein. Scheint mir wahrscheinlich, dass ich Font eine Chance gebe, wenn ich mich durch sein Programm durchgearbeitet, eventuell persönliche Antworten erhalten habe etc.
Was man bei Laporta sagen muss ist aber, dass ihm der Klub sicherlich nicht egal ist. Das hat allein die Tatsache gezeigt, dass er den CVC Deal abgelehnt und Messi gehen lassen hat. Er wird also als der Präsident in die Geschichte eingehen, der Messi vor die Tür gesetzt hat. Das hat er aber trotzdem an sich genommen, damit Barça in Zukunft nicht noch weiter in ein Loch fällt.
Sicherlich ist ihm der Klub nicht egal. Das Vertrauen kommt mir halt ein wenig abhanden, wenn jemand eine Sache verspricht und eine andere tut, und wenn er binnen Stunden in einer so grundliegenden Sache im Alleingang eine Kehrtwendung vollzieht, wie das der Fall gewesen sein soll mit dem Messi-Vertrag. Laut dem autorisierten Messi-Biographen meines Wissens, und dementiert hat das Laporta wohl auch nicht, soweit mir bekannt.
Nur kurz am Rande: 2015 waren laut Klubangaben 109637 Vereinsmitglieder wahlberechtigt. Bartomeu hat 2015 laut Klubangaben mit 25823 Stimmen gewonnen, was 54 % der abgegebenen Stimmen ausmachte. Heißt im Umkehrschluss: von allen Wahlberechtigten sind nur 47820 (43 %) zur Wahl angetreten. Von einer Mehrheit kann also gar nicht die Rede sein, wobei Nichtwählen manchmal auch etwas Dummes an sich hat...
Damit sprichst du ein sehr ernstes Problem an, das dem FC Barcelona nunmehr sehr bewusst ist. Die Teilnahmequoten an Wahlen und Referenden und vor allem auch Jahreshauptversammlungen sind katastrophal. Auch jetzt, wo all das erstmals online möglich wurde. Mehrheiten sind das allesamt nicht gewesen, etwa auch zum Stadionumbau oder zum Spotify-Sponsor. Es soll mit der nächsten Statutenversion eine Lösung für dieses Problem gefunden werden bzw. wohl auch mehr Mitspracherecht für die nicht desinteressierten Mitglieder (bei der Jahreshauptversammlung darf ja nur ein winziger Teil der Socis und Sòcies abstimmen, das tut aber dann nur ein Bruchteil der dazu Eingeladenen! Wie das rechtlich ausschaut, wenn der Prozentsatz ja vom Gesetz vorgegeben ist, weiß ich, ehrlich gesagt nicht).
Ich habe leider keinen so positiven Eindruck, was das Interesse der meisten Mitglieder an den Vereinsbelangen betrifft. Die Anfragen, die bei Jahreshauptversammlungen oder Informationsveranstaltungen gestellt werden, haben mich schon öfter ziemlich befremdet. Ich meine, zum Beispiel zum Stadionumbau haben sich nur wenige Fragensteller/innen um die finanzielle Zukunft des Vereins und/oder z.B. dessen nicht vom Camp Nou profitierenden Sektionen gesorgt, sondern da fragten die meisten, ob sie (als ohnehin privilegierte Dauerkarteninhaber) im neuen Stadion eh gute Plätze haben würden, also recht ichbezogen das Ganze. Oder für den Sponsor war nicht gefragt, was der nun finanziell genau bietet und welche Zugeständnisse der Verein dafür machen muss, sondern mehr, wie er nun die katalanische Sprache fördern wird. Ja, ist zwar lächerlich, wenn eine Internetplattform bereits in 60 oder 70 oder so Sprachen verfügbar ist und Katalanisch trotz der großen Sprachenanzahl immer noch fehlt, trotzdem ist Sprachenförderung doch nicht die Aufgabe eines Stadionsponsors. Und es war ja nicht so, dass es auf Spotify keine katalanische Literatur etc. gegeben hätte, sondern es ging hierbei um die Nutzeroberfläche für Leute, die sowieso zweisprachig sind. Also wieder ein Alibithema, über das sich auch Madridistas lustig gemacht haben, während es um das finanzielle Überleben des Vereins ging. Diese Dinge stören mich. Bei einem Verein dieser Art ist die Mitgliedschaft ja eben nicht ein Abonnement für das Sehen von Spielen etc., sondern umfasst neben den Rechten für mich definitiv auch Pflichten, nämlich sich über die Belange des Vereins Gedanken zu machen und zu informieren, sein Stimmrecht in Anspruch zu nehmen und so weiter.
Wie ist das alles denn bei Real Madrid? Man hört immer nur von Pérez-Aussagen, nie von Wahlkämpfen, Abstimmungen oder Referenden, verfolge das aber natürlich auch nicht wirklich.