Also das, was mir an James an meisten gefällt, ist ehrlich gesagt sein Charakter. Er ist ein Typ, der nicht verlieren will, unter keinen Umständen. Er trägt Tugenden in sich, mit denen unser allseits geliebter Di Stefano unserem Lieblingsverein geprägt hat. James ist ein Fußballer, wenn seine Mannschaft brilliert und ein anderer, wenn sie Schwierigkeiten durchlebt. Und zwar ein besserer. Etwas, was in den zwei wichtigsten Spielen seiner bisherigen Karriere verdeutlicht wurde. Ein mal, beim Kolumbien-Chile als seine Nationalmannschaft sich früh 3-0 in Rückstand befinden musste, hat James, mit feuchten Augen, hat alle Bälle gefordert und hat den gegnerischen 16er so lange bombardiert, bis das Unentschieden gefallen ist. Ein Unentschieden, dass seinem Land nach 16 Jahren wieder eine Qualifikation für die Fußball WM gesichert hat. Das zweite Spiel ist bekannter, das Viertelfinale der letzten Fußball WM gegen Brasilien, wo sein Gesicht die Geschichte des Spiels widergespiegelt hat. Er war die Mannschaft und Brasilien wollte ihn zum Stürzen bringen, doch er kämpfte gegen an, bis ihm die Tränen ausbrachen.
Beim technischen Aspekt, ist sein unglaublicher linker Fuß seine Waffe. Der ist zu vergleichen mit einem Golfbag gefüllt mit allen möglichen Schlägern für alle Distanzen, Böden, Wetterlagen und Bedürfnisse. Er trifft den Ball mit großer Präzision und auf allen Weisen, wie man es sich vorstellen könnte(Spielverlagerungen, Pass zwischen den Linien, Pass mit dem Rücken zum Tor, Doppelpässe, Flanken...) und mit einer Ballannahme, die es ihm erlauben das Tempo der Kugel zu erhöhen, wie auch zu drosseln. Sein Spiel basiert darauf, sich Platz und Zeit zu verschaffen, um sein Repertoire zu nutzen. Oft kann man sehen, wie er sich auf sein Standbein aufstützt und den Pass kalkuliert und vorbereitet. Wieder erinnernd an einem Golfspieler vor seinem Abschlag.
Um sich Platz zu schaffen, tendiert er sich fallen zu lassen. Er weicht nicht auf die Flügel aus, noch löst er sich zwischen den Linien, sein Ritual ist es vor den (Mittelfeld)Verteidiger wegzulaufen, um seine Bewegung pre-Passspiel vorzubereiten. Dazu muss man sagen, dass sein Passspiel sinnvoll ist und die Qualität des Ballbesitzes verbessern. Er neigt auch nicht, trotz seiner Qualität darin, unbedingt den letzten Pass zu forcieren. Seine Defizite liegen woanders.
Wobei es auch nicht große Defizite sind, muss auch gesagt werden. Es heißt bloß, dass wir nun nicht den "Gareth Bale" der 10er verpflichtet haben, seine Niveau liegt darunter, sein Erfolg ist keine Garantie, aber man kann nicht sagen, dass er schwerwiegende Schwächen hat.
Sein Hauptproblem ist wohl, dass sein Spiel etwas langsam ist. Mit Kolumbien, Argentinien, Portugal und Frankreich hat er in Ligen gespielt, wo der Rhythmus vergleichsweise langsam ist, woran er als Südamerikaner sich eingelebt hat. Diese Entspannung merkt man ihm sowohl mit, als auch ohne Ball an. Mit Ball merkt man ihm das an, bei längerem Ballbesitz, wo er seinen Pässen irgendwann nicht genug Geschwindigkeit mitgibt. Als wäre ihm nicht klar, dass neben der Richtung auch die Geschwindigkeit eines Passes wichtig ist. Dass das einem Spieler mit solchen Qualitäten im Passspiel passiert ist keine Frage von technischen Mängel, sondern an einer fehlerhaften Ausbildung, die er ausgleichen muss während seiner Anpassung an Madrid. Das gleiche verhält sich mit seinen Bewegungen ohne Ball, die nicht sehr lebhaft sind. James muss seine Aktionen weniger aufs fallen lassen und mehr weiter oben fokussieren und dafür muss er sich schneller zwischen den Linien bewegen, um sich von der Deckung zu lösen. Am Ende eines Spiels hat James eine Menge km gefressen, er ist ein Spieler, der sich viel bewegt, aber in Madrid wird er mehr power brauchen. Ob er sein Rhythmus erhöhen kann ohne an Qualität zu verlieren, wird sein Erfolg bei Real Madrid abhängen.
Nach seinem Charakter, seine Waffe und seine Schwäche stellt sich die Frage, was er Ancelottis Madrid geben kann. James ist ein klassischer 10er, so wie die, die ausgestorben sind. Deswegen hat er bis zum letztem Winter als Flügel gewirkt, auf beiden Seiten zentrumsorientiert. Bis er Falcao als Hauptakteur bei Monaco ablöste und der Trainer auf ein 4-3-1-2 wechselte. Dieses Szenario ist aber, bis auf einige einzelne Situationen bei denen man auf Konter setzt, wo James ein starker Initiator ist, unwahrscheinlich. Gründe sollten klar sein. Die zweite Möglichkeit, James auf seiner Lieblingsposition spielen zu lassen, wäre ein 4-2-3-1. Von dieser Formation profitieren die zwei Maschinen auf den Flügeln aber nicht gerade. Beide sind keine echte Flügeln, sondern mehr zweite Stürmer, mit einem weitem Aktionsradium, wodurch es ihnen entgegen kommt, von außen aus zu starten, wobei sie vor allem vor dem/um dem 16er ihre größte Schäden verursachen und deshalb freiem Raum im Zentrum brauchen, um ihre gefährlichen Diagonalläufe zu starten. Wenn dieser Raum von einem fixen James besetzt ist, plus Benzema, der sich gerne fallen lässt, könnten sie gebremst werden. Wenn es sich um so gute Fußballer geht, lässt es sich schwer etwas 100% auszuschließen, sicherlich gäbe es eine Möglichkeit, diese vier in so einer Formation effizient unterzubringen. Aber auf dem Papier scheint es nicht die ideale Lösung zu sein. Dazu kommt, dass James' Output zu maximieren, den Output der beiden Außen zu verringern. Auch wenn die Verpflichtung James' ähnliche Reaktionen mit sich brachte, so ist er ihnen auf einem Fußballplatz nicht ebenbürtig.
Wenn man sich die Vorbereitungsspiele ansieht, scheint Ancelotti einem 4-4-2 mindestens so viel Aufmerksamkeit zu schenken, wie dem 4-3-3. Eine Formation die James, als auch z.B. Isco bessere Chancen gibt. Der Vorteil ist, dass James so neben dem BBC spielen könnte, ohne dessen Potenzial zu verringern. Davon ausgehend, dass Benzema und Ronaldo vorne starten, Bale rechts und Kroos, Alonso und Modric sich um die zwei Plätze im Zentrum starten, ist links der freie Platz, von dem James aus starten könnte.
Das erste, was man dazu sagen könnte, ist das James' eine gute Arbeit gegen den Ball verrichtet. Er hat Intensität, benutzt seinen Körper gut und versteht was taktisch von ihm gefordert wird. Gegen offensive AV hat er Probleme, da er ihnen nicht folgt und das kann problematisch werden. Aber wenn seine Mannschaft sich gut aufstellt und der gegnerische Ballbesitz seine Höhe nicht überschreitet, gibt sich James Mühe. Offensiv gesehen bekommt ihm der linke Flügel gar nicht mal schlecht. Er bleibt natürlich nicht auf der Linie kleben, aber auch dort findet er auch Nutzen, weil er tolle Flanken schlägt. Das Duo James-Ronaldo scheint zunächst komplementär wegen ihrer Laufwege - sie würden sich ständig kreuzen.
Und als 8er in einem 4-3-3? Das ist schwierig zu sagen. Ich bin dazu geneigt zu sagen, dass er sich dort nicht heimisch fühlen wird. In einem "normalem" Team wäre das nicht zu denken - er wurde auch nie dort eingesetzt. Seine Mentalität ist offensiv gerichtet, seine besten Aktionen passieren im Verbund mit den Stürmern. Natürlich kann er auch mal dort reinrutschen, im Bernabeu hat Madrid während einer Saison Spiele, bei denen sie sich einiges leisten können. Alles in allem fällt es mir schwer James dort vorzustellen, vorausgesetzt der Spieler durchlebt keine Entwicklung und das System verändert sich nicht. Vor allem hat er dort eine Menge Konkurrenz an echten Mittelfeldspieler, die mehr daran gewohnt sind und die Rolle besser interpretieren sollten und insgesamt auch keine schlechteren Fußballer sind(Kroos, Khedira, Modric und Isco).
So viel zu James neben dem BBC. Die drei werden aber nicht jedes Spiel bestreiten können, also muss man James Rolle auch bedenken. Mit dem voraussichtlichen Verkauf Di Marias(so schade ich es auch finde) wären die Backup Positionen ohne den Kolumbianer ziemlich dünn besetzt. Der Ex-Monaco Spieler bringt den Vorteil, dass er für alle drei einspringen könnte. Cristianos Backup Position ist natürlich die unwichtigste, da der Portugiese sowieso fast durchspielt und wenn nicht auch gerne von Bale ersetzt wird. Dazu habe ich ja schon einige Worte zu James im linken Flügel verloren, also sollte das ausreichen.
Für ihn auf dem rechten Flügel gibt es noch erwähnenswertes. Dort braucht er einiges an Hilfe, was Real Madrid aber auch in der Lage ist, ihm anzubieten. Da der Gegner die Qualität seines Fußes kennt, der von überall jedes System zerstören kann, ist er sehr besorgt darin, dass James keine saubere Bälle kriegt und geht früh rauf. Das nutzt James gerne aus, um diese mit Finten zu täuschen vor seiner Annahme um dann loszusprinten. Das heißt er braucht einen nötigen Winkel für seine Pässe, Spieler die sich anbieten, weswegen es ihn immer in dem Zentrum zieht. Taktisch bedeutet das, dass er von rechts aus keine Tiefe beschert, was Carvajal als RV statt Arbeloa notwendig macht. Dazu verschärft sich nochmal James Tendenz sich fallen zu lassen und da er nicht ala Isco die ganze Mannschaft nach vorne verschiebt, wenn er das tut - er hält an, sieht sich um, spielt und ruht sich aus - braucht er Laufwege vom rechten Mittelfeldspieler, die ihm komplementieren. Khedira, Modric und Isco wären seine Lieblingspartner in der Reihenfolge, soll heißen je vertikaler, desto besser für James. Mit Kroos und Illarra würde er sich nicht sehr gut verstehen. In der Nähe des 16ers bietet er ein gutes Dribbling aus dem Stand, einen ordentlichen Schuss und einen sehr sehr guten letzten Pass. Das ist die Sequenz bei der er die meiste Gefahr ausstrahlt und es hat sich nur so lange hingezogen, bis es explizit erwähnt wird, weil seine Präsenz in dieser Zone nicht so häufig vorkommt, wie in anderen. Sicherlich weil seine Bewegungen zwischen den Linien nicht das notwendige Rhythmus mit sich bringen, die notwendig wären in einer so wichtigen Zone für den gegnerischen Coach. Das ist etwas, was er verbessern muss, und verbessern wird, weil er physisch und technisch dafür geeignet ist.
Bleibt nur noch James als falsche 9 übrig. Im letzten Jahr hat sich Benzema so entwickelt, dass er zum perfekten Nebenmann für seine BBC Kollegen wurde. Sicherlich waren die zwei teuersten Fußballer der Welt immer enttäuscht, wenn Isco neben ihnen auflaufen wurde. James wird als Typ etwas zwischen Isco und Benzema darstellen, also eine bessere Alternative als der Junge aus Malaga. Da er weniger ZM als Isco ist, kommt er besser damit zurecht, den Ball nicht am Fuß zu haben und er akzeptiert taktische Aufforderungen, weiter vorne zu bleibe. Dazu sind seine Fähigkeiten besser geeignet, er sprintet schneller, hat ein besseres Spiel mit Rücken zum Tor zu spielen und hat einen besseren letzten Pass. Es wird Situationen geben, in denen Ancelotti lieber auf Isco als falsche 9 setzen wird, eine Alternative wird er also auch noch bleiben, aber wenn es darum gehen wird, möglichst wenig zu verändern und Karim einfach zu ersetzen, wird James auserkoren werden. Das natürlich wenn das 4-3-3 erhalten bleibt. Möglicherweise wird Real ja wie erwähnt im 4-4-2 starten.
Letztlich hat Europas 1 eine talentierten Burschen mit toller Gegenwart und noch besserer Zukunft verpflichtet, der Ancelotti einige verschiedene Möglichkeiten geben wird, die alle seinem System gerecht werden. Unglücklicherweise für den Kolumbianer, wird er nicht viel auf seiner Lieblingsposition spielen können, doch er passt sich anderen Positionen gut an. Anders als Bale scheint er nicht gewiss zu glänzen, etwas, was aber ohnehin extrem selten ist. Man muss auch sagen, dass er ein Spieler ist, der Spaß beim zuschauen macht und dessen Entwicklung schön mitzuverfolgen sein wird.