(@mods: Ich weiß nicht recht, wohin mit diesem Beitrag, gerne verschieben, wenn es anderswo besser passt
Liebeskummer lohnt sich nicht.
Der Versuch, den geplatzten Mbappe-Deal positiv zu sehen. Weil es offensichtlich sonst keiner tut.
Mittlerweile haben es alle Madridistas realisiert: Wunschspieler Kylian Mbappé wird trotz jahrelanger Avancen auch heuer kein Blanco. Das kam gelinde gesagt überraschend und viele Fans befinden sich im Gefühlschaos zwischen Wut und Enttäuschung.
Die Nachrichten, Tweets und Forenbeiträge lesen sich teilweise so, als hätte man gerade eine herbe Clásico-Klatsche hinnehmen müssen. Da wurde die tatsächliche 0:4-Blamage gegen Barca im März diesen Jahres verhältnismäßig gleichgültig zur Kenntnis genommen. RealTotal-Chefredakteur Nils Kern meinte beispielsweise, diese Abfuhr von Mbappé fühle sich
„ein bisschen wie Liebeskummer“ an. Ich denke, da spricht er vielen Fans aus der Seele.
Aber, muss man wirklich so traurig darüber sein – oder ist man womöglich sogar einer drohenden toxischen Beziehung entkommen?
4 Gründe, warum die Madridistas Mbappé nicht allzu viele Tränen nachweinen sollten:
Le Club c‘est moi. Zu viel Macht für einen Spieler.
Kylian Mbappés Hauptbeweggrund für seinen Verbleib dürfte die vermeintliche Tatsache sein, dass man ihm Mitspracherecht in sportlichen Fragen zugesichert hat. Der umstrittene Sportdirektor Leonardo wird damit aller Voraussicht nach Geschichte sein. Die Sportgazzetten munkeln, dass ihn kein geringerer als Luis Campos ersetzt – ein Mbappé-Förderer und alter Freund aus dessen Zeit beim AS Monaco.
Das erinnert stark an einen gewissen LeBron James, dem seit Jahren vorgeworfen wird, der heimliche General Manager („Le GM“) seiner Vereine zu sein. Nur ist der auf den letzten Metern seines einmaligen Karriereweges und einer der besten Basketballer aller Zeiten. Mbappé hingegen ist erst 23 Jahre jung – wo soll das also noch hinführen?
So viel Macht für einen Spieler, das kann nicht gut sein. Jetzt werden viele zurecht sagen, dass die
Merengues nicht so weit gegangen wären wie PSG es gerade tut. Allerdings gab es auch in Madrid schon öfter Gerüchte darüber, dass eben jener Luis Campos als Sportdirektor kommen soll. Auch wenn sich dies (bisher) nie bewahrheitete: Wer weiß, wie weit man tatsächlich für seinen neuen Liebling gegangen wäre.
Immerhin war Präsident Florentino Perez bereit, 5 Jahre lang für die Mbappé-Verpflichtung zu sparen. Man hätte einen 23-jährigen zum Bestverdiener gemacht und ein Team um ihn herum gebaut. Es ist also davon auszugehen, dass man auch (fast) alles getan hätte, um ihn weiterhin zufriedenzustellen. Das schreit für mich nach vorprogrammierten Problemen.
Astronomische Summen, selbst für einen „Galaktischen“.
„Die teuersten Spieler sind die billigsten.“ hat Vereinsboss Perez einmal gesagt. Das liegt daran, dass Real Madrid es als erster Fußballclub schon um die Jahrtausendwende verstanden hat, Geld mit den Bildrechten seiner Spieler zu scheffeln. Hohe Ablösesummen und Gehälter sah man als Investition, denn bei jedem seiner Stars sicherte man sich einen großen Teil der Bildrechte und verdiente so bei den Werbeauftritten und -deals von Zinedine Zidane, Ronaldo Nazario oder David Beckham kräftig mit. Die teuersten Spieler garantierten also die höchsten Einnahmen. So weit, so gut.
Nun wäre Kylian Mbappé aber der erste „Galactico“ gewesen, der seine Bildrechte zu 100% behalten hätte dürfen. Da fragt man sich als kritischer Fan, wie der Verein das hohe Gehalt plus Handgeld (PSG zahlte kolportierte 300 Mio Euro für seine Unterschrift) wieder reinspielen wollte. Zumal nicht vergessen werden darf, dass der Franzose mit Sicherheit alle paar Jahre eine satte Gehaltserhöhung bekommen hätte. Klar, die Trikotverkäufe wären wohl kurzzeitig in die Decke gegangen, doch für die Erkenntnis, dass sich so ein Deal allein mit T-Shirt nicht rechnen kann, braucht man nicht BWL studiert haben.
Mbappé wäre demnach für Real Madrid, trotz ablösefreiem Wechsel, still und heimlich zum kostspieligsten Spieler aller Zeiten geworden.
Die heikle Systemfrage.
Für die meisten Fans war klar, dass Mbappé der neue Rechtsaußen bei Real Madrid wird. Die wenigsten haben aber die Probleme gesehen, die sich daraus vermutlich ergeben hätten. Carlo Ancelottis Lieblingswort in seiner 1. Amtszeit bei Real Madrid war „Balance“. Er hatte die schwere Aufgabe, neben seinem Sturmtrio „BBC“ (Bale, Benzema und Cristiano Ronaldo) 7 Feldspieler aufzustellen, die einerseits kreativ genug waren, um die Stürmer mit Vorlagen zu bedienen - aber gleichzeitig defensiv rackerten, um ihren drei Kollegen weitgehend den Rücken freizuhalten. Realtechnisch wurde das möglich, in dem Gareth Bale die „Arschkarte“ zog und mitverteidigen musste, zumindest in den Spielen gegen starke Gegner. Durch seine defensivere Positionierung wurde aus dem 4-3-3 ein 4-4-2. Darüber hinaus hatte man im Mittelfeld neben Defensivspezialist Xabi Alonso unter anderem den unermüdlichen Angel di Maria, der für keinen Meter zu müde und sich für keinen Zweikampf zu schade war.
Wie aber hätte man die Balancefrage mit Mbappé gelöst?
Kylian wäre bestimmt nicht derjenige gewesen, der mitverteidigen hätte müssen. Im französischen Nationalteam setzt Trainer Deschamps stets auf 3-er-Kette plus Minimum zwei defensive Mittelfeldspieler (u.a. mit Kante als bester seines Faches), damit Mbappé als RA oder Sturmpartner neben Karim Benzema seine Freiheiten genießen kann. Eine so defensive Aufstellung wäre aber in Madrid schwer vorstellbar gewesen. Vermutlich hätte Shootingstar Vinicius Jr. derjenige sein müssen, der am Flügel jene Arbeit verrichtet, die man Mbappé erspart hätte. Ob das allein gereicht hätte? Ich behaupte: diese Mannschaft hätte größere Balanceprobleme gehabt als Ancelottis Team um „BBC“. Zumal ein Toni Kroos kein Angel Di Maria ist und die Abwehr heuer schon ohne Mbappé nicht immer die sattelfesteste war.
Selbst wenn man eine ausbalancierte Startelf hinbekommen hätte, wäre es sehr schade um Vinicus‘ Potential gewesen, wenn er wegen des französischen Starspielers in eine Rolle schlüpfen hätte müssen, die seinem Spiel nicht entgegenkommt. Darüber hinaus hätte es für ihn auch noch dicker kommen können. Denn es ist ein offenes Geheimnis, dass sich Mbappé auf dessen Position am wohlsten fühlt. Womöglich hätte „Vini“ also sogar auf seine ungeliebte rechte Seite weichen müssen. Es wäre in Madrid nicht das erste Mal gewesen, dass man einen Star anderswo aufstellt, weil dessen Parade-Position von einem noch größeren Namen besetzt wird. Man erinnere sich an Kreativspieler Guti im defensiven Mittelfeld oder Gareth Bale, dessen Paradeposition in Madrid stets von C. Ronaldo besetzt war.
Ein noch größerer Verlierer des Mbappe-Transfers wäre Vinicius Landsmann Rodrygo gewesen. Der Bursche, der in den letzten Wochen bewiesen hat, wie wichtig er fürs Team sein kann, hätte es höchstwahrscheinlich gar nicht erst in die Startelf geschafft, sondern wäre zum Dauergast auf die Bank degradiert worden. Gegen einen Galactico durchsetzen? Ein Ding der Unmöglichkeit, das sah man schon beim damals groß aufspielenden Eigengewächs Jése. Der konnte seinerzeit im positiven Sinne machen, was er wollte, und landete am Ende doch wieder hinter „BBC“ auf der Ersatzbank. Dann kam der Kreuzbandrisse – aber das ist eine andere Geschichte.
Geld ruiniert den Charakter.
Noch nie hat Madrids Präsident Florentino Perez derart geduldig auf seinen Starspieler gewartet. Die Direktive hat jahrelang Geld für ihren auserkorenen Wunschspieler gespart, agierte am Transfermarkt sehr zurückhaltend. Das hatte den positiven Nebeneffekt, dass sich das Team nach der Cristiano Ronaldo-Ära neu finden konnte. Junge Talente erhielten die nötige Spielzeit und konnten sich entwickeln, ein Karim Benzema erfand sich neu und wurde wichtiger denn je. Das ganze Team wurde zu einer eingeschweißten Truppe. Gefühlt standen da keine 11 Starspieler am Platz, sondern ein Team. Etwas, das in Madrid leider nicht die Regel ist.
Jener Teamspirit ist es, der diese Champions League-Saison so unvergesslich macht. Ohne Kampf (für einander) hätte man es nie bis ins Finale nach Paris geschafft. Man hatte heuer nicht die größten Stars aber man war die beste Einheit.
Es mag bloße Theorie sein, aber ich bin der Meinung, der Transfer von Kylian Mbappé hätte das Teamgefüge gehörig durcheinandergebracht. Wirtschaftlich, hierarchisch und sportlich.
Mit dem gescheiterten Mbappè-Deal hat man nun die Chance, das Team homogen zu verstärken, ohne alles auf einen Spieler zu setzen. Mit dem gesparten Geld kann man locker 2-3 andere Spieler holen, die das Prädikat Weltklasse verdienen, würde so gleich mehrere Kaderbaustellen schließen und könnte weiterhin als Team gewinnen.
Das mag jetzt vielleicht naiv-romantisch klingen, aber dieser Traum von 11 Freunden am Rasen des Bernabeu gefällt mir wesentlich besser als jener, der gerade geplatzt ist. Jener vom neuen Galactico, der Madrid über Jahre unglaublich viel Geld gekostet hätte, für den man einiges im Kader hätte umkrempeln müssen und der erst hätte beweisen müssen, dass er überhaupt aus dem Holz geschnitzt ist, das es braucht, um beim größten Verein des Planeten DER Leader und Unterschiedsspieler sein zu können.
Auf einen besseren Traum. ¡Hala Madrid!