Hab mir ein bisschen von ihm angeguckt, aber es ist sehr schwer irgendwelche Prognosen zu machen. Die brasilianische Liga ist schon sehr eigen und der Rhythmus dort ist viel geringer als in Europa. Das macht die Umstellung für Südamerikaner sehr schwer und im Mittelfeld wiegt das noch mehr auf. Wer war der letzte südamerikanischer defensiver Mittelfeldspieler, der sofort bei einem großem Titelaspiranten eingeschlagen hat? In den größeren Ligen vielleicht Gilberto Silva? Vor fast 15 Jahren? Die prägenden Spieler der Jahre seitdem haben denke ich alle einen Zwischenschritt gemacht und sich erstmal akklimatisiert.
Mir fällt es schwer zu erahnen, welche Lösungen der Spieler finden wird, für Probleme, die er sich nie gestellt hat und so kann man die Kompatibilität nicht bemessen.
Der box-to-box Lucas Silva holt den Ball in der Tiefe ab, aber wie sieht das ganze aus, wenn er auch mal unter Druck gesetzt wird? Kurzum, ich bin kein Scout. Aber ich versuch mal ein paar Charakteristiken zusammen zu fassen und einen ersten Eindruck.
Silva war erfolgreich bei Cruzeiro, die Mannschaft, die den europäischsten Stil des Verbandes spielt. Die Ähnlichkeiten sind limitiert, es ist kein höchst modernes System, aber die Linien sind ziemlich weit vorne und auch wenn das Pressing nicht "Rock'n'Roll" ist, so versuchen sie auch mal die Gegner zu Fehler zu zwingen. Das Stellungsspiel der Mannschaft ist also gut, sie schaffen es das Spielfeld der Gegner enger zu machen, ohne dabei zu viel Raum im Rücken ihrer Linien zu lassen und Lucas Silva, als rechter DM war sehr wichtig dafür. Er weißt, wo er zu stehen hat und konnte somit viele leichte Balleroberungen verbuchen. Also ein Spieler, der in der Arbeit gegen den Ball stark ist, dank seinem taktischen Verständnis. Physisch, auch wenn er da viel Potenzial zu haben scheint, ist sein Impact nicht besonders groß. Sucht wenig Körperkontakt, auch wenn es meistens erfolgreich aus geht, wenn er es mal tut. Er scheint sogar etwas passiv. Er ist zwar ständig in Bewegung, aber sprintet praktisch nie. Etwas, was durch seine mangelnde Geschwindigkeit noch mehr betont wird. Doch auch wenn er nicht so schnell ist, könnte er in Brasilien seine Physis viel mehr ausspielen können. Fraglich ist, wie groß der Einfluss des Trainers ist, der eventuell die Ordnung an oberster Stelle gesehen hat, oder ob es einfach der Charakter des Spielers ist.
In Bezug darauf wie gut er zu Real Madrid passt, kommen Lichter und Schatten auf. Vom Stil her passt das. Madrid versucht ohne Ball die Linien eng zu halten und ist, in guter Verfassung, eine Mannschaft die sich nicht leicht umspielen lässt. Silva würde das ganze vielleicht nicht auf ein anderes Niveau bringen, aber würde eine weitere verlässliche Option darstellen. Das größte Problem der Blancos in der Arbeit gegen Ball ist hingegen für mich, dass es an klassischen Ballgewinner fehlt. Man erzwingt Fehler mithilfe von ordentlichem Stellungsspiel, wenn der Gegner den Ball nach vorne tragen will, aber wenn er das nicht will, sondern versucht das Spiel mit Ballbesitz zu killen, gerät Real Madrid oft unter großen Problemen. Mit dem, was Silva bei Cruzeiro gezeigt hat, hat er sich nicht als eine Lösung erwiesen. Auch wenn seine Physis das erlauben könnte. Vielleicht könnte die Überquerung des Atlantiks dafür sorgen, dass er an Intensität gewinnt. Wichtig wäre aber, dass er dabei nicht das verlöre, was er schon besitzt. Seine Stärke ist sein Verständnis, sein Kopf. Seine Kraft könnte ein extra sein und es würde ihm sehr entgegen kommen, aber ohne sein Hirn kann er bei einem Real Madrid nicht bestehen.
Mit Ball ist es das gleiche. Seine Entscheidungsfindung, ist seine große Stärke, zumindest in Brasilien, mit viel Raum und Zeit. Jedes Mal, wenn er an einem Spielzug teilnimmt, verbessert er dessen Qualität. Seine Spielgeschwindigkeit ist auch schnell für die Region, in der er spielt.
Seine Schusstechnik ist sehr gut, aber er ist kein Spieler, der offensiv den großen Unterschied ausmacht. Seine Verlagerung ist ordentlich - die Genauigkeit ist sehr gut, aber die Höhe und Geschwindigkeit nicht optimal - und wenn es mal passiert, dass er angelaufen wird, scheint er den Ball gut behaupten zu können. Aber was ihn ausmacht sind immer wieder kleine Interventionen, aus guten Entscheidungen. Viel mehr braucht Real Madrid aber auch nicht. Mit Isco, Modric, James und Kroos gibt es keine Mannschaft, die kein Problem hat, wenn ein Mittelfeldspieler nicht besonders kreativ ist. Und die Fähigkeit, oft gute Entscheidungen zu treffen ist nicht so weit verbreitet.
Was die Positionen angeht, im 4-3-3 könnte er im rechten Mittelfeld oder auf der 6 spielen. Mittelfristig würde es für ihn Sinn machen, weniger vertikalen Raum abzuspulen und mehr in seiner Position vor der Abwehr zu festigen. Ich schätze, das ist der Plan mit ihm.
Wie gesagt, seine erste sehr große Aufgabe ist der viel höhere Spielrhythmus. Einfach ist das nicht. Die zweite ist an seine Mentalität. Wenn er zweifelt und seine Identität verliert, könnte das seine Chancen in einem Real Madrid schnell verbauen.
Zusammengefasst, Real Madrid möchte einen Illarramendi. Als Fan schwer zu verstehen, aber es scheint wohl, als sehe man, wie "das original" scheitert/am scheitern ist und nun verpflichtet man die brasilianische Version. Es gibt Unterschiede zwischen den Spielern, aber für mich ist die Strategie dahinter die selbe. Und es ist verständlich. Der Spielertyp macht extrem Sinn in diesem Kader. Ein Grund, warum ich ein baldigen Verkauf von Illarra nie erwartet habe. Mal schauen wie sich das entwickelt, wobei ich glaube, dass dieses "Abenteuer" erst nächste Saison wirklich beginnt und die 6 Monate dazwischen erstmal der Eingewöhnung dienen sollen. Was auch Sinn macht, wobei ich persönlich eine Leihe über die Zeit sogar noch besser gefunden hätte.