Tonis Einkauf suggeriert, dass die CL Sieger Mannschaft nicht mehr existiert. Solange es sie gab, hat sie auf einen sehr gutem Niveau, sicher das beste der jüngsten Vereinsgeschichte, und war doch etwas unkonstant und unkomplett. Nach Khediras Verletzung entsprang nach einiger Zeit "Di Marias Real Madrid", welches uns Ancelottis Flexibilität, Angels erstaunliche individuelle Klasse und Xabis und Lukas überragendes taktisches Verständnis, die el Fideos zahlreiche Dribblings so ausgleichten, dass das Dreieck, das sie bildeten, beinah symmetrisch aussehen ließ, aufzeigte.
Aber Real Madrid, wie ein Kind im Süßwarenladen, sah sich auf dem Markt um, erkannte den größten Mittelfeldspieler dort und schnapppte zu. Das war offensichtlich Kroos und was ihn angeht gibt es drei Hauptpunkte: Der erste und der Grund, warum das alte Real Madrid Geschichte ist, ist dass er den größten Einfluss aller Mittelfeldspieler auf seine Mannschaften ausübt. Der zweite ist, dass seine individuelle Qualität, auch wenn exzellent, nicht auf der Höhe sein könnte, wie es für einen so einflussreichem Spieler sein sollte. Der dritte ist, dass es nicht klar ist, ob Ronaldo so sehr erfreut ist, weil ihre Stile unterschiedlich sind. Der Tausch vom epischem Di Maria zum Omnipräsentem Kroos verändert einiges für alle anderen 10 Mitspieler.
Als Mittelfeldspieler, der eng mit dem Ballbesitzfußball verbunden ist, präsentiert er sich folgendermaßen: Taktisch ist seine Aufgabe, immer frei und verfügbar hinter dem Ball zu sein. Das macht er ohne Pause. Technisch ist seine größte Waffe seine Präzision. Obwohl er mehr als 100 Pässe pro Spiel spielt, ohne an Vielfalt zu verlieren, überschreitet seine Passquote immer die 90%. Seine taktischen und technischen Talente wirken sich auf zwei Weisen aus. Seine Mannschaft gewinnt automatisch an Dominanz. Zum einen wird der Ballbesitzanteil sofort auf 5-10% erhöht und zum anderen fängt sie an 15 bis 20 Meter höher zu agieren. Seine Spielweise wird auf kollektiver Ebene sofort ersichtlich, weil er alle beeinflusst.
Dazu ist sein Passspiel hervorhebenswert. Sie sind nicht nur des Ballbesitzes willen, also quasi eine defensive Maßnahme, sondern sie sind auch in der Lage Angriffe gegen aufgestellte Verteidigungen zu diktieren. Kroos weiß wo seine 10 Kollegen und seine 11 Rivalen stehen und wie weit sie von einander entfernt sind und nutzt dieses Wissen um seiner Offensive zu helfen. Eine sehr wichtige Facette.
Nun kommen wir aber zu seinen Schwächen. Im Fußball gibt es eine Anzahl an Aktionen, die als "unmöglich" tituliert werden, die es aber in Wahrheit nicht sind, die von einigen wenigen Auserwählten erzielt werden können. Und das Real Madrid der letzten Saison war voll gespickt mit solchen Individuen. Modric bekam dem Ball im Zentrum und konnte drei Leute mit seinem Dribbling stehen lassen und war sofort vor dem 16er; Isco konnte einen Abschlag Annehmen und eine 180° Drehung vollziehen, die ein Pressing ins Leere laufen ließ; Di Maria konnte ein Ball an der eigenen Eckfahne erobern und Sekunden später einen tödlichen Pass auf Benzema spielen. Die Mannschaft gewohnte sich daran, diese überragenden Fähigkeiten in sich zu finden und Kroos, in diesem Sinne, besitzt nicht solche Fähigkeiten. Sein Repertoire ist solide, komplett und verlässlich, er beherrscht alle "logischen" Aktionen, aber für die Geniestreiche ist er nicht verantwortlich.
Und dass er trotzdem der Einflussreichste Mittelfeldspieler sein wird, könnte sorgen bereiten. Er ist extrem davon abhängig, was neben ihm passiert. Zu sehen war das in der letzten Saison bei den VF gegen United oder im HF oder im WM Finale. Obwohl Kroos eine beachtliche Konstanz aufweist war er in keiner der besagten Spiele besonders stark. Warum? Weil weder Deutschland noch Bayern so gut funktioniert haben, dass sie große Rivalen schlagen konnten und er ist nicht in der Lage seinem Team dieses kleine Extra zu geben in schwierigen Situationen. Mit dem Einkauf Toni Kroos' hat Madrid sich dazu verpflichtet eine bessere und dominantere Mannschaft zu werden. Kroos ermöglicht das wie kein anderer Mittelfeldspielre und das kann sich in Titel und Legacy widerspiegeln. Aber wenn es nicht klappt, wenn Ancelottis Mannschaft keine Brillanz findet, hat man einige Mittel verloren, wie man den selbst erschafften Chaos trotzdem dominieren konnte.
Erläuternd wie sich das auf dem Feld auswirken würde: Zuerst ein Mal bei einer positiven Entwicklung: Dadurch, dass Kroos ein konstanter Passspieler mit einer hohen Erfolgsrate ist. würde das in Spielern wie Ramos, Pepe und Alonso Vertrauen schaffen, einen Schritt weiter nach vorne zu machen und besser in den Passlinien integriert zu sein. Eine sicherere Athmosphäre wäre geschaffen, dass die Mannschaft kompakter auftreten lassen würde. Bei Ballverlust wäre zunächst mal der Gegner überrascht, da es unerwartet ist, der Mannschaft Toni Kroos' dem Ball abzunehmen, zum anderen hat man mehr Spieler in Ballnähe, wodurch man ein besseres Pressing aufziehen kann. Bei einem starkem Madrid würde das passieren, man würde besser verteidigen und weniger laufen müssen.
Aber was wenn Ancelotti es nicht schafft ein großes Madrid durchzusetzen? In dem Fall wären die Spieler weiter weg von einander, der Gegner hätte mehr Platz zwischen Verteidigung und Tor für Konter und Kroos würde man anmerken, dass er langsam ist, an defensive Qualitäten mangelt und dass seine Hüfte unflexibel ist. Man kann ihm schnell entwischen und dann berichtigt er nicht seine Position. Madrid hat immer noch Coentrao, Arbeloa, Ramos, Varane und Pepe in der Verteidigung, also wird man die ein oder andere kritische Situation beweltigen können, zumal die BBC, Modric und James die Gegner auch nach hinten drückt, also sollte man nicht zu sehr schwarz malen, aber es wird hoffentlich klar, worauf ich hinaus will. Kroos für Di Maria bedeutet mehr Perfektion anstatt Chaos. Das, was zu La Decima beigetragen hat.
Nach der Überlegung was Kroos für das Ganze bedeutet, kann man nochmal analysieren, wie er einzelne beeinflusst und wie idylisch seine Integration verlaufen kann. Zuerst mal sein Zusammentreffen mit Alonso. In dem Zusammenhang gibt es ein kleinen Nachteil im Positionsspiel und viele Vorteile sonst. Das Problem im Positionsspiel kommt daher, dass Alonso ein 6er ist, dem es nach links und Kroos ein linker 8er dem es nach hinten zieht. Sie teilen ihren Lieblingsraum. Hier wird Ancelotti reagieren müssen und ein Kompromiss finden, wie sie nebeneinander zurecht kommen. Die einfachste Lösung wäre natürlich Kroos nach rechts zu ziehen, was aber Fragezeichen mit sich bringt. Toni ist ein Roboter, mit automatisierten Bewegungen, die viel Routine hinter sich haben und im letzten Jahr hat er weitaus öfter auf der linken Seite gespielt. Es ist nicht, dass er irgendwelche technische Mängel für die andere Seite hat, außer dass er kein Dribbler ala Modric
oder Isco ist, aber ich glaube es ist für ihn besser ihn nicht aus seiner "Comfort-Zone" zu entfernen, so wie ich ihn einschätze. Hier vertraue ich aber einfach dem Trainer, dass er die passende Lösung findet und ich bin gespannt, wie sie aussehen wird.
So viel dazu, wie sie sich den Raum teilen. Viel wichtiger ist, wie die beiden zusammenwirken werden. Hier scheint Kroos mir der geeignete Partner, um Alonsos Karriere noch etwas zu verlängern. Der Baske ist ein besonderer Dirigent, weil er nicht nur taktisch einwandfrei ist, er geht noch ein Schritt weiter und gibt nicht selten seinen Mitspieler instrutionen und dominiert den Spielaufbau auch ohne den Ball zu berühren. Nicht selten sieht man ihn gestikulieren, wo es lang gehen soll, ohne dass er danach trachtet, den Ball zu empfangen. Er versteht die Deckungen, die er zieht und versucht dadurch es seinen Mitspieler leichter zu machen. Kroos wird ihm eine fixe Referenz geben, die ihm das Ordnen erleichtern wird. Der deutsche wird den Ball haben und er die Kontrolle. Alonso hat Modric sicher geliebt und Isco verehrt, aber sie stürmen zu weit vor und sein Rücken wird 33. Wenn Kroos da ist, wird er sein Gehstock.
In Bezug auf Isco sieht es ähnlich aus. Beide präferieren auch den LZM Raum, ihre Aufgaben sind aber unterschiedlich. Die Ballsicherheit, die Kroos mit sich bringt macht aus Isco eine bessere offensive Option und seine mögliche Defensivschwäche ein kleineres übel. Die Alonso-Kroos Partnerschaft könnte vielleicht sogar ermöglichen ein Experiment mit James als 8er auszuprobieren.
Dann gibt's noch den Typen, der die letzte CL dominiert hat, Luka Modric. Zu Beginn der letzten Saison hat Ancelotti oft betont, dass Modrics beste Fähigkeit sein Dribbling im Zentrum wäre. Das heißt die Art wie er mit seiner unglaublichen Ballführung an Höhe gewinnt in einer Zone, in der das sonst keinem gelingt. In der letzten Saison konnte man diese Szene aber immer seltener sehen, weil seine Rolle vom offensivem 8er hin zu Alonsos Unterstützer umwandelte. Da der Kroate sich gezwungen sah, beim Spielaufbau mitzuhelfen und hinten abzusichern, gab es weniger Gelegenheiten, in denen er das eins gegen eins suchen konnte. Luka war trotzdem der beste Mittelfeldspieler der Saison, so gut ist er, aber Ancelotti konnte seine beste Waffe nicht nutzen. Dazu ist Modric ein Spieler geworden, mit hoher Partizipationsrate anstatt einer, der seine Chance abwartete, um den Gegner richtig zu schaden, wie man es vorher von ihm oft sehen konnte. Luka hatte eine so überragende Saison, dass es einem komisch vorkommt, ihm die Rolle zu verändern, aber auf dem Papier kommt Kroos, um aus ihm einen noch besseren Fußballer zu machen. Vorausgesetzt er hat seine Essenz nicht verändert, selbstverständlich.
Und jetzt kommt das größte Konflikt, das bevorstehen könnte. Gareth Bale und Cristiano Ronaldo. Wenn Real Madrid Umschalten gegen geordnete Angriffe eintauscht, seinen Ballbesitz weiter nach vorne verlagern wird und einen langsameren Rhythmus implementieren will.. wie wird man das Niveau der zwei besten Individuen oben halten können, die genau in den anderen Situationen glänzen? Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht, aber das freut mich auch. Es existiert eine Diskrepanz zwischen dem idealem Fußball des einflussreichstem Mittelfeldspieler des Kaders und das der zwei großen Sterne. Sei das gesagt, gibt es drei Fakten, die auch aufzuzählen sind:
1. Im letztem Sommer hatte ich die gleichen Bedenken bezüglich Ancelotti und Ronaldo. Madrid hat sich im Vergleich zu der Vorsaison in eine horizontalere Mannschaft gewandelt, aber CR7 zeigte sich von seiner vielleicht besten Seite(bis zur Verletzung). Das heißt, Gegensätze können sich manchmal sogar gegenseitig hochziehen, wenn sie gut verpackt werden.
2. Bale und Ronaldo sind keine reinen Konterspieler. Mit Platz sind sie angsteinflößend, fast eine sichere Sache, aber auch ohne Platz sind sie, neben Messi, die großen Referenzen im aktuellem Fußball. In einem fiktivem Spiel mit einem tief gestapeltem Gegner soll ein Trainer nun einen Spieler von der Bank bringen. Mit allen Spielern auf der Welt zur Wahl würde er keine zwei vor Cristiano und keine fünf vor Gareth aussuchen.
3. Auch wenn der Einfluss Kroos' auf das Kollektive nicht gut mit den zwei Flügel zu passen scheinen, so scheinen ihre Beziehungen mit einander gut zusammen zu passen. Soll heißen, die Aktionen zwischen einander, sollten schon gut klappen.
Cristiano richtet sich nach vorne auf der linken Seite und Kroos lässt sich eher fallen, was einen freien Raum zwischen beide schafft, bei dem es unerwartet käme, wenn sie nicht davon profitieren würden. Auf dem Papier könnte Kroos seine Position weiter vorrücken, weil Ronaldo Leute auf sich zieht und bei dem gegenteiligem Fall könnte Cristiano sich weiter fallen lassen, den Ball entgegen nehmen und sich drehen, er hätte also mehr Zeit. Dazu kommt, dass Kroos toller langer Ball den Konter verbessern wird, wenn die Möglichkeit sich bietet. Die Tore gegen Barcelona und Bayern lassen oftmals vergessen, was sonst ziemlich offensichtlich war: Ohne Mourinho waren die Konter viel schlechter. Die Erfolge gegen die zwei FCBs liefen darauf zurück, dass sie diese Situationen schlichtweg schlecht verteidigten. Zuletzt wird Ronaldo - wie auch Ramos - sich daran erfreuen, dass Kroos indirekte Standards von oberster Qualität sind.
Was Bale angeht, werden vor allem die Spielverlagerungen für ihn von Vorteil sein. In der letzten Saison war Sergio dafür verantwortlich und auch wenn er sehr gut darin war, dadurch dass er als IV sehr tief stand, waren seine Bälle meistens Carvajal zugedacht. Mit Kroos kommen diese Bälle also von 25-30 weiter vorne und zwar in Richtung von Madrids Nummer 11.
Zusammengefasst heißt es, dass Ancelotti Methoden hat, diese drei zu Freunden zu machen, aber ihm muss zunächst bewusst sein, dass es Probleme geben könnte. Dazu kann man die beiden Raketen auch zum laufen bringen, ohne dass man ständig Umschaltmomente hat.
Ich mache hier nochmal einen Themenwechsel und gehe auf eine weitere Situation ein, bei der sich Real Madrid dank dem deutschem verbessern sollte: gegen tiefstehende Gegner. Nicht gegen Gegner, die allgemein den Ballbesitz hergeben, was auf fast alle zutrifft, sondern auf die, die sich hinten einengen und nicht pressen. In diesen Situationen ist Kroos am besten. Das ist er, weil er weiß, wie er sich möglichst hoch stellen kann, wie es der Gegner erlaubt und von da aus dirigiert er das Spiel mit Verlagerungen, super gespielte vertikale Pässe, Bälle im Rücken der Abwehr und einen sehr guten Weitschuss.
Gegen Kroos muss man raufgehen, dann ist es, wo man merkt, dass ihm die technischen Finessen eines Modrics oder Iscos fehlen und sein Fußball leidet. Wenn man das nicht tut, ist es schwer gegen einen Typen zu überleben, der den Ball ständig am Fuß hat und immer wieder die richtige Entscheidung trifft.
Einen Verlierer sehe ich als Folge dessen: Marcelo. Kroos besetzt genau den Raum, den Marcelo gerne nutzt und da der deutsche so ein Positionstreuer Spieler ist, wird er den brasilianischen AV im Weg stehen. Natürlich - und ich sage es immer wieder - zwischen Weltklasse Akteure kann es immer Kompromisse geben, womit sie alle beitragen können, aber auf dem Papier ist Kroos keine gute Nachricht für Marcelo. Für Coentrao schon, der mehr Flügel ist und mehr an der Linie klebt.
Dieser Vorletzte Absatz beschäftigt sich mit Kroos als möglicher 6er. Oder auch, hat man ihn als Alonsos Erbe verpflichtet. Zu aller erst bin ich der Meinung, dass der Spieler zur Zeit nicht geeignet für diese Rolle, stand jetzt, ist. Taktisch lässt sein Raumverständnis in der Defensive zu wünschen übrig und sein Stellungsspiel spiegelt sich in einer Passivität wider. Was aber keine Überraschung ist, denn bis vor einem Jahr war er noch ein 10er. Stand heute wäre Kroos also in einer Doppelsechs viel besser aufgehoben. In Hinblick auf die Zukunft aber, sind Tonis Anlagen gar nicht mal so verkehrt für einen 6er. Seine steife Hüfte wird ihn ewig begleiten, klar, sie wird ihm auch auf dieser Position vor Probleme stellen, aber mit Alonso hat er das perfekte Vorbild wie man auch mit etwas "schwereren" Bewegungen auf der 6 eine Defensive Bank sein kann. Ancelotti wird ihn als 6er ausprobieren, davon gehe ich schon aus. Wenn es klappen sollte, wird man in der Hauptstadt wohl noch glücklicher sein, denn der Markt für die 6 ist noch schlimmer als der für die IV, und das heißt schon was.
Alles im allen hat sich der Champion Europas also für eine ungewohnte Umwandlung einige Monate nach seinem Titelgewinn entschieden. Ich glaube es ist aufgefallen, wie oft ich das Wort "Einfluss" benutzt habe, denn das ist die Essenz eines Toni Kroos' in meinen Augen und wie Ancelotti taktisch darauf reagiert, um auch Bale und Ronaldo glücklich zu stellen, wird das "to watch" der nächsten Saison sein, vermute ich. Der Tausch Di Maria - Kroos deutet an, dass man mehr will als die Nummer 1 zu sein. Man will eine große Mannschaft bauen.