
Gespaltene Hauptstadt: Königliche gegen den Klub des Volkes
MADRID. Fragt man in Madrid auf der Straße nach dem Lieblingsverein, scheint es nur zwei Meinungen zu geben: Madridista oder Colchonero. Während die Anhänger von Real Madrid stolz auf die glorreiche Historie, Vitrinen voller Trophäen und einen weltbekannten Megaklub sind, brüsten sich die Fans von Atlético seit jeher als „Klub des Volkes“ der – so die Sage – ohne riesige Transferausgaben und internationale Topstars mit den „Großen“ konkurriert. Das hat einerseits geografischen Ursprung, stammt „Atleti“ doch aus dem ärmeren Süden und Real aus dem wohlhabenderen Norden Madrids, doch werden durch Geschichten um Franco, die angebliche Bevorzugung durch die spanische Monarchie (dabei ist der amtierende König Felipe VI. bekennender Atlético-Fan), und ausländische Topstars versucht, die ruhmreiche Geschichte von Real zu schmälern und Erfolge klein zu reden. Aber stimmen diese Klischees überhaupt?
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Das moderne Atlético und Simeones Handschrift
In der Saison 2001/02 gelang den „Rojiblancos“ nach zwei Jahren Zweitliga-Fußball der erneute Aufstieg, zwölf Jahre später standen Sie 2013/14 unter Klublegende Diego Simeone im Champions-League-Finale. Ein jahrelanger Kampf wie David gegen Goliath, der Dank „el Cholo“ mehr oder weniger gewonnen scheint – schließlich hatte der Argentinier die „Matratzenmacher“ trotz Konkurrenz wie Real Madrid und Barcelona dank einiger Titel an Europas Spitze geführt – Platz zwei im aktuellen UEFA-Ranking – und nur um Haaresbreite den Henkelpott an den Stadtrivalen verloren. Schaut der findige Fußballkenner allerdings in die Finanzbücher der beiden Hauptstadt-Klubs wird schnell deutlich, dass die Mär vom Arbeiterklub keineswegs der Wahrheit entspricht. Die Transferausgaben in der Ära Simeone.
Atlético Madrid | Real Madrid | |||||
Marktwert | 827,00 Mio € | 977,30 Mio € | ||||
Spielzeit | Einnahmen (in Mio €) |
Ausgaben (in Mio €) |
Saldo | Einnahmen (in Mio €) |
Ausgaben (in Mio €) |
Saldo |
2011/12 | 85,35 | – 85,20 | + 0,15 | 8,00 | – 55,00 | – 47,00 |
2012/13 | 19,35 | – 4,50 | + 14,85 | 33,50 | – 33,50 | – |
2013/14 | 70,06 | – 36,00 | + 34,06 | 113,50 | – 175,50 | – 62,00 |
2014/15 | 89,30 | – 118,95 | – 29,65 | 112,70 | – 126,00 | -13,30 |
2015/16 | 162,00 | – 143,61 | +18,39 | 15,65 | -78,00 | – 62,35 |
2016/17 | 42,00 | – 79,00 | – 37,00 | 37,50 | -30,00 | + 7,50 |
2017/18 | 103,25 | – 102,00 | + 1,25 | 128,50 | – 40,50 | + 88,00 |
2018/19 | 45,00 | – 123,50 | – 78,5 | 132,50 | -124,25 | + 8,25 |
GESAMT | 616,31 | – 692,76 | – 76,45 | 581,85 | -662,75 | -80,9 |
Daten von Transfermarkt.de
Seit 2016 liegen Atlético und Real 218 Millionen auseinander
Gerüchte und Vorurteile scheinen das Verhältnis der beiden Hauptstadt-Klubs zu prägen – dabei zeigt ein Blick in die Bilanzen der Vereine deutlich, dass die beiden Klubs in Sachen Transferausgaben nahezu gleichauf liegen. Während Atlético regelmäßig Top-Stürmer wie Falcao, Diego Forlán, Sergio Agüero oder Fernando Torres für teures Geld verkauft, um die gleichermaßen hohen Transferausgaben zu finanzieren, meint man, bei Real Madrid würden hohe Ausgaben überwiegen. Doch ist der Gegenteil der Fall: Die in den vergangenen Jahren immer häufigeren gewinnbringenden Verkäufe von Stars wie Angél di Maria, Mesut Özil, Álvaro Morata und natürlich der teuerste Verkauf der Vereinsgeschichte Cristiano Ronaldo zeigen eine andere Sichtweise. In der Summe liegt Real seit 2011/12 nur minimal über den Ausgaben des Stadtrivalen und hat in der Summe ein 4,45 Millionen Euro größeres Minus verzeichnet als Atlético. Simeone gab seit 2011 sogar 30 Millionen Euro mehr aus als seine Kollegen in Madrid! Seit 2016/17 haben die Blancos sogar drei Mal grüne Transferzahlen geschrieben, Atlético liegt in den vergangenen Jahren hingegen über 200 Millionen unter Reals Transferbilanz: -114,25 Millionen im Vergleich zu +103,75.
Verkehrte Welt im Finanziellen – Real sportlich unerreichbar
Während die finanzielle Situation in solch detailliertem Ausmaß nicht jedem Fußballfan geläufig sein mag, ist eines zweifelsohne klar: Zwar hat Real nur eines der letzten zehn Liga-Derbys gewonnen, doch kann Atlético aus Titelsicht längst nicht mit dem großen Konkurrenten in Weiß mithalten! Nicht nur die beiden Champions-League-Finals 2014 und 2016 verloren die „Rojiblancos“ an die Königlichen, allein seit Simeones Amtseintritt im Dezember 2011 gewann Real Madrid 15 Titel gegenüber den fünf gewonnenen Trophäen des „kleinen Stadtrivalen“. Kann Real Madrid am Mittwoch den Vorsprung ausbauen oder verkürzt Simeone den Rückstand auf die Mannen um Julen Lopetegiui?
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