
Die hypothetisch Frage nach einem Hazard-Abgang
MADRID. Ob er einem Profi denn die Freigabe erteilen würde, sollte dieser in sein Büro kommen und um einen Abgang im Januar, also mitten in der Saison, bitten. Eden Hazard zum Beispiel. Mit dieser hypothetischen Frage wurde Carlo Ancelotti erst vor wenigen Tagen im Rahmen einer Pressekonferenz von einem spanischen Reporter konfrontiert.
Eine Frage, die sich eigentlich nicht stellen dürfte. Zumindest dann nicht, wenn es um einen Akteur wie Hazard geht – einst als großer neuer Star verpflichtet, für mittlerweile über 100 Millionen Euro. Anders formuliert bringt das den Anspruch mit sich: gerade solche Spieler sollen der Mannschaft helfen und sich nicht als Problem entpuppen.
Genau das ist der belgische Angreifer allerdings. Das war er in seiner Premieren-Saison, das war er in seinem zweiten Jahr, das ist er auch jetzt, in seiner dritten Spielzeit. Vielleicht sogar mehr denn je? 2019/20 und 2020/21 hatte Hazard ein beispielloses Verletzungspech geplagt, ständig wurde er zurückgeworfen, ohne zuvor mal richtig in Fahrt zu kommen.
Hazard, der Backup von Vinícius
Erstaunlich: In dieser Saison war der 30-Jährige bis dato nur etwas angeschlagen, offiziell kein einziges Mal richtig verletzt. Die optimale Grundlage dafür, um nun endlich durchzustarten, mag man berechtigterweise meinen. Ancelotti scheint der mannschaftliche Erfolg aber weitaus wichtiger zu sein, als dass er den Eindruck erweckt, irgendein persönliches Interesse daran zu haben, derjenige zu sein, der dem Offensiv-Star zu dessen Leistungsexplosion im Estadio Santiago Bernabéu verhilft.
Nachdem Hazard in den ersten Wochen noch regelmäßig wie selbstverständlich von Anfang an mitgewirkt hatte, hat Vinícius Júnior ihm auf dem linken Flügel mittlerweile den Rang abgelaufen. Mit mehr oder weniger konstant erfrischenden Auftritten, mit Vorlagen, mit Toren. Während die Nummer 7 bei zehn Einsätzen (408 Minuten) auf gerade mal eine Vorlage kommt, steht der trickreiche Brasilianer nach 15 Partien (1185 Minuten) schon bei neun Treffern und sieben Assists. Kurzum: „Carletto“ hat zumindest auf der linken Angriffsseite keinen Grund, irgendetwas zu verändern.
Hazard in zentraler Rolle: nichts Dauerhaftes
Der Italiener gab Hazard – wenn er dann doch mal ran durfte – in den zurückliegenden Wochen daher hin und wieder eine Position, in der er sich zwischen der offensiven Zentrale und dem rechten Flügel aufhielt, einen größeren Bewegungsradius hatte. Eine Rolle, die aber offenbar keine Zukunft hat, was allen voran daran liegt, dass Ancelotti in der Regel zwei gleichwertige Flügelakteure auf dem Platz haben möchte, damit die Außen auch wirklich besetzt sind.
Sein Problem ist, dass er momentan einen Trainer hat, der einen anderen Spieler bevorzugt. Ich bin davon überzeugt, dass er diese Saison seine Top-Form erreichen wird. Er wird mehr spielen als derzeit. Ancelotti am 26. Oktober über Hazard
Gegen Shakhtar reicht‘s nur zum Aufwärmen
Die Champions-League-Partie am Mittwoch gegen Shakhtar Donetsk hat das einmal mehr gezeigt. Hazard sei zwar einsatzbereit, so der Coach nach dem Abpfiff gegenüber den Journalisten, „und ich habe auch überlegt, ihn zu bringen, habe mich mit Lucas (Vázquez) am Ende aber für einen klareren Flügelspieler entschieden. Eden kommt in etwas zentralerer Position besser zu Geltung“ – die im 4-3-3 so allerdings gar nicht wirklich existiert.
Hazard wurde zum Wiederanpfiff zwar zum Aufwärmen geschickt, kam dann aber letztlich nicht einmal als Joker zum Zug. Zum Clásico gegen den FC Barcelona hatte er sich nach einer muskulären Überlastung im Oberschenkel zurückgemeldet, seine Einsatzzeit seitdem: mickrige 26 Minuten. 21 am Mittwoch vergangener Woche gegen CA Osasuna (0:0), fünf am Samstag gegen den FC Elche (2:1).
Ancelottis Vertrauen ist geringer als das von Zidane
Während Zinédine Zidane ihn grundsätzlich noch nach dem Motto „Auf gut Glück“ aufgestellt hatte, genießt Hazard in Madrid nunmehr nicht mal mehr das volle Vertrauen des Trainers. Öffentlich gibt Ancelotti zu Protokoll, daran zu glauben, dass das mit Hazard noch etwas wird. „Er muss da sein, wenn wir ihn brauchen. Natürlich benötigt er Einsätze, um seine Bestform zu erreichen“, meinte er erst am Mittwochabend wieder.
Je mehr Arbeitstage wie am Mittwoch Hazard jedoch noch erlebt, desto weniger verrückt würde die Frage erscheinen, was denn nun sei, wenn einer wie der Belgier intern äußern würde, im Januar das Weite suchen zu wollen. Ancelotti reagierte hatte übrigens so reagiert: „Uns muss klar sein, wie jeder Spieler generell denkt. Als Trainer habe ich nie einen Spieler, der gehen wollte, zum Verbleib gezwungen. Wenn ein Spieler gehen will, muss er gehen. Aus meiner persönlichen Sicht gibt es da keine Zweifel.“
Worte, die die Hoffnung auf Hazards späten Triumph in Spanien nicht gerade aufrechterhalten. Geht es so weiter, dürfte wohl spätestens im Sommer eine Trennung forciert werden – von welcher Seite aus auch immer…
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