
Erneute Probleme sinnbildlich für Real-Karriere?
ELCHE/MADRID. Die Vorzeichen für einen Startelfeinsatz (dem ersten der Saison) hätten für Luka Jović vor dem Auswärtsspiel beim FC Elche (2:1) kaum besser stehen können: Nicht nur, dass die Offensive der Königlichen beim 0:0 gegen CA Osasuna am Mittwochabend stark stotterte – mit Top-Torjäger Karim Benzema fiel am Samstag zudem der Platzhirsch im Sturmzentrum aus, wie bereits dessen Fehlen im Abschlusstraining andeutete.
Doch sinnbildlich für die Real-Madrid-Karriere des 23-Jährigen sollte der Serbe diese große Gelegenheit erneut ungenutzt lassen – mehr oder weniger unverschuldet. Stand sich der Mittelstürmer in der Vergangenheit aufgrund einer eher dürftigen Körpersprache, mitunter unerklärlicher Schwächen im Torabschluss oder einfach einer mangelnden Bindung zum Spiel der Merengues oft selbst im Weg, konnte er am Samstagnachmittag (zumindest wenn man der Außendarstellung des Rekordmeisters Glauben schenken darf) rein gar nichts für die erneute Nicht-Berücksichtigung: Angebliche Knieprobleme waren wohl die Gründe dafür, dass Mariano Díaz im Sturmzentrum den Vorzug bekam. Dass ein offenbar angeschlagener Luka Jović dennoch auf der Bank Platz nahm, wirft bei vielen Beobachtern Fragen auf: Warum wird Profi, dessen (von offizieller Seite nie mitgeteilte) Verletzung nicht auskuriert ist, für den Kader nominiert? Und noch entscheidender: Wird der Serbe jemals bei den Merengues Fuß fassen?
Sinkender Rückhalt im Madridismo
Trainer Carlo Ancelotti stellte sich zwar auf der Pressekonferenz nach dem hart erkämpften 2:1 vor seinen Schützling. Im Gesamtkontext von Jovićs Situation wirken die Aussagen des „Misters“ nichtsdestotrotz irritierend: „Er hatte ein Problem am Knie bis zum letzten Spiel, in dem er zum Einsatz kam. Er hat noch nicht trainiert, fühlt sich daher nicht wohl. Deshalb hat er nicht gespielt, er ging auf die Bank. Sein Knie ist noch nicht vollständig erholt. Er hatte eine Verstauchung und hat sich noch nicht erholt. Deswegen hat Mariano gespielt“, meinte der Chefcoach gegenüber den Medienvertretern.

Ein Blick auf die nackten Zahlen der bisherigen Saison dürfte nicht nur den Mittelstürmer selbst stark an einer (erfolgreichen) Zukunft an der Concha Espina zweifeln lassen, sondern zudem sein Standing innerhalb des Teams weiter verschlechtern sowie den Rückhalt des Madridismo vermindern: So kam der ehemalige Frankfurter in der Spielzeit 2021/22 wettbewerbsübergreifend gerade einmal auf 84 Einsatzminuten in sechs Partien (durchschnittlich 14 Minuten pro Partie), steuerte dabei durch seinen Assist gegen Espanyol Barcelona aber immerhin einen Scorerpunkt bei. Für einen Spieler, der in 93 Spielen für die Frankfurter Eintracht 40 Tore erzielte und zehn weitere Treffer auflegte (0,54 Scorerpunkte respektive 0,43 Tore pro Spiel), sind das jedoch enttäuschende Zahlen.
220 Minuten pro Scorerpunkt: Schwächer als Benzema und Mariano
Dreht man die Zeit gedanklich etwa zweieinhalb Jahre zurück, erscheint Jovićs heutige Situation nicht nur enorm bitter, sondern ist für viele Experten kaum zu erklären: So wechselte der damalige Frankfurter mit der Empfehlung von 17 Bundesligatoren in 32 Partien sowie zehn weiteren Treffern in der Europa League (14 Einsätze) in die spanische Hauptstadt und verkörperte auch aufgrund seines Auftretens eines der größten Versprechen auf der Mittelstürmerposition, die der europäische Fußball zu bieten hatte. Kostenpunkt im Sommer 2019: 63 Millionen Euro.
Während einige Beobachter der Blancos die schwachen Perfomances des Serben während seiner ersten eineinhalb Saisons an der Concha Espina nicht selten auf ein gestörtes Verhältnis und mangelndes Vertrauen zwischen Ex-Trainer Zinédine Zidane und Jović zurückführten, hat der 1,82 Meter große Angreifer seinen Platz im Team der Königlichen offensichtlich auch unter Ancelotti noch nicht gefunden. So wird der Mittelstürmer, der im Wintertransferfenster der Vorsaison leihweise zurück nach Eintracht „floh“, dort aber auch nicht an seine Hochzeit anknüpfen konnte, seit seiner Rückkehr nach Madrid weiterhin weder den eigenen Erwartungen noch den hohen Ansprüchen des Madridismo und der Real-Verantwortlichen gerecht. Neben ausbleibender Torerfolge dürfte vor allem die eher lethargisch und energielos wirkende Körpersprache vielen Fans der Merengues sauer aufstoßen. Zur vollständigen Wahrheit im Fall Jović gehört allerdings auch, dass es für jeden Spieler schwierig ist, vollends zu überzeugen, wenn er nur wenige Einsatzminuten erhält und kaum Vertrauen spürt. Und wenn man hinter diesem Benzema steht.
Interessant bei der Bewertung von Jovićs Leistungen im Real-Trikot ist zudem ein Vergleich mit den Zahlen, die seine Konkurrenten Karim Benzema und Mariano Díaz während ihrer Zeit in Madrid ablieferten: Während Benzema sowohl in Sachen Tore (0,51) und Scorerpunkte pro Spiel (0,77) als auch hinsichtlich der benötigten Einsatzzeit pro Scorerpunkt (knapp 93 Minuten) einsame Spitze ist, weist Mariano (0,17 Tore/Spiel, 0,22 Scorerpunkte/Spiel und 126 Minuten/Scorerpunkt) statistisch bessere Werte als der 23-Jährige (0,05 Tore/Spiel, 0,13 Scorerpunkte/Spiel und 220 Minuten/Scorerpunkt) auf. Insofern scheint unabhängig von Jovićs Verletzung sogar folgerichtig, dass der effektivere Mariano den angeschlagenen Benzema in der Startelf vertreten durfte.
Winter-Abgang wird immer wahrscheinlicher
Während sich der Serbe vor der Saison noch kämpferisch gab und im Interview mit der Zeitung INFORMER ankündigte, „alles zu versuchen, um einen positiven Eindruck zu machen”, scheint eine langfristige Zukunft bei Real Madrid mit zunehmendem Saisonverlauf von Woche zu Woche unwahrscheinlicher zu werden. Da der Torjäger eine Leihe schon zu Saisonbeginn nicht ausschloss, dürfte dieses Thema in der Winterpause angesichts der für alle Beteiligten wenig zufriedenstellenden Situation wieder auf den Tisch kommen. Abnehmer gibt es sicherlich genügend, auch wenn Jovićs Marktwert im Zuge dessen sportliche Dürreperiode von 60 Millionen auf überschaubare 20 Millionen Euro sank. Neben Ex-Klub Eintracht Frankfurt dürften die Premier League oder auch die Serie A ernsthafte Alternativen für den Serben darstellen.
“Nicht vollständig erholt” von einer nie mitgeteilten Verletzung? Dem schenke ich wenig Glauben, auch dank Jovics Mimik. Ich schätze: nächste Leihe coming. Und Hazard? Abgang noch unwahrscheinlich.
Begründungen und mehr ???? https://t.co/davsn8GZ7t— Nils Kern (@nilskern17) October 30, 2021
Eines scheint in diesem Zusammenhang klar: Sollte Jović die Blancos im Winter (oder spätestens im Sommer) ein zweites Mal verlassen, ist eine erneute Rückkehr nahezu ausgeschlossen. Für den Serben heißt es daher in den kommenden Wochen mehr als je zuvor: Abliefern oder sich innerlich mit einer sportlichen Neuorientierung zu befassen. Eine Neuorientierung, die eventuell für beide Seiten die beste Lösung sein könnte.
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