Frag’ den Redakteur

Frag’ den Redakteur: Taktik, Investoren, Konflikte und Rechtsverteidiger

Ihr habt gefragt, wir haben geantwortet: In der neuen Ausgabe von Frag' den Redakteur äußert sich Daniel Garcia ausführlich zum neuen Real Madrid unter Xabi Alonso, der Rechtsverteidiger-Position, Investoren, aber auch zu möglichen Konflikten in der königlichen Offensive und entwirft zudem seine persönliche Startelf.

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Von ALonso über Pérez bis zu Reals Offensiv-Stars gab es viel zu beantworten – Fotos: getty images

Frage von HalaAhmedY: Wann glaubt ihr, sieht man das Real Madrid von Alonso. Wie viel Zeit braucht er und wie weit denkt ihr, kommt Madrid diese Saison in den Wettbewerben?

Antwort Daniel: Vor Beginn der Saison habe ich den Titel in LaLiga sowie in der Supercopa als realistisch eingestuft und dabei bleibe ich in Anbetracht der bisherigen Leistungen. Sollte die Rotation unter Xabi Alonso konsequent weiterverfolgt werden, kann man in der Meisterschaft die Konzentration hoffentlich aufrecht erhalten und die Pflichtaufgaben erfüllen, sodass man trotz Defiziten in den Top-Spielen am Ende an der Spitze steht.

Für den ganz großen Wurf in der Champions League könnte es noch zu früh sein – nicht zuletzt, weil ich glaube, dass es noch etwas Zeit bedarf, ehe man Alonsos Ideen vollständig verinnerlicht hat. Bei der Klub-WM war davon wesentlich mehr zu erkennen als in der laufenden Spielzeit, was unter anderem an der Zusammenstellung des Kaders und den Verletzungen liegen kann. Man muss bedenken, dass Real Madrid eine extrem kurze Vorbereitungszeit hatte und beinahe ein Jahrzehnt taktisch eher statisch und kontrollierend statt riskierend eingestellt war. In der Folge konnte man viel von individueller Klasse profitieren. Der Umbruch von Carlo Ancelotti, als Vaterfigur und Mentor, hin zu Alonso, der sich als Taktik-Fuchs identifiziert, könnte außerdem wohl kaum größer sein. Deshalb wird es meiner Meinung nach vielleicht sogar bis zur nächsten Saison dauern, bis man die Handschrift bis ins letzte Detail auf dem Rasen erkennen kann. Darüber hinaus muss der Spanier in den großen Spielen noch Erfahrungen sammeln: Neben den Pleiten gegen PSG und Atlético haben das auch seine Niederlagen gegen Bayern (im CL-Achtelfinale) und Bergamo (im EL-Finale) an der Seitenlinie von Leverkusen gezeigt.

Frage von my boy Benzi: Was wär eure momentane Stammelf und wieso?

Antwort Daniel: Eine in Stein gemeißelte Startelf sehe ich derzeit nicht wirklich. Dass unter Xabi Alonso niemand unantastbar ist und angesichts des vollen Kalenders viel rotiert wird, finde ich persönlich sehr gut. Das sorgt vor Anpfiff tatsächlich für Überraschungen, die man in dieser Form gar nicht mehr gewohnt war. Für gegnerische Mannschaften sind die Blancos dadurch weniger durchschaubar und wie heißt es so schön: Konkurrenz belebt das Geschäft.

Wenn ich meine aktuelle Elf, unabhängig vom Gegner, wählen müsste, würde sie wie folgt aussehen: Im Tor Courtois und davor eine Dreier- beziehungsweise Fünferkette mit Tchouaméni, der sich nach Bedarf zwischen dem defensiven Mittelfeld und der Innenverteidigung bewegt. Links von ihm Huijsen, der im Spielaufbau hilft und rechts Militão als defensive Absicherung. Auf den Außenverteidiger-Positionen sehe ich die Eigengewächse Carreras und Carvajal. Auch wenn der Kapitän bald 34 Jahre alt wird, halte ich ihn aufgrund seiner Erfahrung als letzter verbliebener Spieler der goldenen Ära für unverzichtbar. Im Mittelfeld wird es etwas komplizierter: Bellingham ordnet sich, in Anbetracht des offensiven Carreras, im zentralen Mittelfeld leicht links ein, während Valverde weiter auf die rechte Seite rücken kann. Mit den drei robusten Säulen im Rücken, entfaltet sich Arda auf der klassischen 10 als Spielgestalter und füttert die offensiven Akteure Vinícius und Mbappé mit Bällen, wobei der Brasilianer sich auf der linken Außenbahn ansiedelt, um in die Mitte zu ziehen. Je nach Spielsituation bleibt diese Formation variabel und kann in eine Raute angepasst werden. Also: Courtois – Carreras – Huijsen – Militão – Carvajal – Tchouaméni – Bellingham – Valverde – Güler – Vinícius – Mbappé.

Frage von realmadrid7r: Sollte man auf der Rechtsverteidiger-Position nächsten Sommer nochmals jemanden verpflichten (Backup oder Konkurrenz für Trent)? Trent und Carvajal finde ich ein gutes Duo, aber die Verletzungen werden wohl nicht weniger, besonders bei Carvajal.

Antwort Daniel: Auch wenn mich Trent, unabhängig von seiner Verletzung, bislang wenig überzeugt hat, halte ich es für zu früh, schon ein finales Urteil zu fällen. Man muss außerdem bedenken, dass er im Vergleich zu den anderen Neuzugängen, kein Spanisch spricht und sich daher besonders akklimatisieren muss. Sein Wechsel zu den Königlichen basiert meines Erachtens aus der Tansferpolitik der vergangenen Jahre. In dieser Zeit ließ man sich gewisse Gelegenheiten ebenfalls nicht entgehen und bediente sich an ablösefreien, gestandenen Spielern wie beispielsweise Alaba oder Rüdiger.

Mein Bauchgefühl sagt mir, dass man sich in weiser Voraussicht allmählich nach einem Rechtsverteidiger für die Zukunft umzusehen sollte. Zwar ist Carvajals Erfahrung unverzichtbar, dennoch basierte sein Spiel über ein Jahrzehnt auf seiner Spielintelligenz und den physischen Stärken, die sich im Laufe der Zeit bemerkbar machen. Auch wenn er ein Arbeitstier ist, stellt sich die Frage, wie konstant er das erforderliche Level auf einer der körperlich anspruchsvollsten Positionen noch aufrecht erhalten kann. Zeitgleich kursieren immer wieder Gerüchte um eine Rückkehr von Achraf Hakimi an die Concha Espina, wobei ich aus folgenden Gründen nicht an einen Wechsel glaube: Dass PSG-Boss Al-Khelaifi kein Fan der Königlichen ist, ist kein Geheimnis. Folglich werden sich beide Vereine hinsichtlich einer angemessenen Ablöse nicht einigen können. Darüber hinaus hat Hakimi seinen Vertrag in der französischen Hauptstadt vor nicht allzu langer Zeit bis 2029 verlängert. Abschließend wäre zu klären, inwieweit der Marokkaner mit überwiegend offensiven Stärken, ins System von Xabi Alonso passen würde. Unter dem Spanier halte ich es nicht für ausgeschlossen, dass man sogar in der eigenen Nachwuchsabteilung eine langfristige Lösung findet – wer weiß, vielleicht werden Jiménez und Fortea unter ihm erste Profi-Minuten sammeln können oder Valverde findet doch noch Gefallen an der Position.

Frage von Florentina: Wie weit sind nach deinen/euren Informationen, die Pläne von Pérez gediehen, Anteile des Vereins an Investoren/Firmen zu veräußern? Es gibt seit dem vergangenen Jahr immer wieder Spekulationen diesbezüglich. Ich hoffe, dass die Socios diese Bestrebungen auf jeden Fall verhindern können.

Antwort Daniel: Das ist eine ziemlich spannende und kontroverse Frage. In der spanischen Hauptstadt kommen diesbezüglich immer wieder Spekulationen und Halbwahrheiten zum Vorschein. Würde ich Florentino diese Umstrukturierung in eine (halbe) SAD zutrauen? Definitiv. Ich glaube, dass der Fußball leider im Hinblick auf seine Kommerzialisierung noch lange nicht das Ende der Fahnenstange erreicht hat. Vor allem die Privatisierung der Vereine verzerrt den Sport fortlaufend und so fällt es mittlerweile selbst Klubs wie Real Madrid immer schwerer Schritt zu halten mit City, PSG und Co. Zwar können die Blancos, nicht zuletzt Dank ihrer globalen Strahlkraft, jährlich Rekordumsätze vermelden, allerdings gehen diese mit Verbindlichkeiten wie dem gigantischen Stadion-Umbau einher, während die Konkurrenz aus der Premier League scheinbar ohne Konsequenzen mit Geld um sich werfen kann.

Wird Florentino nun also einfach so Vereinsanteile veräußern können? Nein. Zumindest nicht zeitnah in der Form, wie es andere Klubs tun. Auch wenn sich hinter den Kulissen einige Strukturen recht autoritär entwickelt haben, müsste sich in dieser Causa laut Vereinssatzung eine deutliche Mehrheit für einen solchen Plan aussprechen, was ich eigentlich für unwahrscheinlich halte – allerdings wurde das Wahlsystem mit den Socios Compromisarios bereits aufgeweicht… Die „letzten demokratischen Wahlen“ könnten längst gelaufen sein. Selbst ohne diese Hürde würde ein solcher Schritt eine unvorstellbare Welle im Madridismo lostreten. Natürlich hat die Vergangenheit gezeigt, dass gewisse Hindernisse im eigenen Interesse gut und gerne mal heruntergeschraubt werden können, dennoch bin ich sicher, dass der Verein auf lange Sicht zumindest mehrheitlich in Mitgliederhand bleiben wird, auch wenn leider nichts unmöglich scheint, solange der Kapitalismus-Zug in seiner heutigen Geschwindigkeit weiterrollt und so theoretisch 49 Prozent veräußert werden könnten… Vor der Umsetzung eines solch fundamentalen Schrittes wird man in der Vereinsführung sicherlich noch einmal kreativ werden und alle weiteren Einnahmequellen ausschöpfen.

Frage von MrMarkus: Wie lange glaubt ihr oder warum glaubt ihr überhaupt, dass es zusammen mit Mbappé im Zentrum und Vinícius auf Linksaußen gut geht? Die sind sich viel zu ähnlich, wollen beide am liebsten Linksaußen spielen und können beide nichts mit Kopfbällen anfangen. Und beide erwarten, dass das Angriffsspiel auf sie ausgerichtet ist. Gerade gegen Top-Mannschaften wird das meiner Meinung nach nicht funktionieren, um Titel zu gewinnen. Es muss entweder ein echter Mittelstürmer zwischen den beiden sein und Vinícius müsste dann RA spielen, was er aufgrund seines Außenrists à la Modrić auch sehr gut hinbekommen sollte oder Vini muss verkauft werden. Wie soll Alonso das sonst gegen die Top-Mannschaften hinbekommen, wenn es vorne, außer Bellingham, keinen Abnehmer für Flanken gibt und das Offensivspiel viel zu linkslastig ist? 

Antwort Daniel: Grundlegend kann ich dem zustimmen, denn mit Rodrygo, Vinícius und Mbappé hat Real Madrid sogar drei Linksaußen von Weltklasse-Format im Kader. Einen davon einfach auf eine fremde Position zu stellen wird auf Dauer nicht funktionieren, das zeigte sich bereits unter Ancelotti im Fall Rodrygo. Bleibt also noch Konfliktpotential zwischen Vinícius und Mbappé, wobei der Franzose unter Xabi Alonso aktuell unter Beweis stellt, dass in ihm durchaus ein anpassungsfähiger und variabler Offensiv-Allrounder steckt. Umgekehrt sehe ich in Vinícius ausschließlich einen spektakulären Flügelspieler respektive Vorlagengeber und keinen eiskalten Vollstrecker.

In der Saison 2023/24 liefen die Blancos nach dem Abgang von Benzema sogar meistens mit Vinícius und Rodrygo als Doppelspitze auf und gewannen am Ende die Meisterschaft und die Champions League. Ich verstehe, dass vor allem Bellingham und Joselu (als Joker) mit ihrer Strafraumpräsenz einen erheblichen Anteil an den Erfolgen hatten, aber im Prinzip kam man, Dank eines überragenden Mittelfelds, ohne klassischen Neuner in der Startelf aus. Zum aktuellen Zeitpunkt bleibt auch noch abzuwarten, wie Alonso Bellingham in seinem System einplant. Vielleicht gewährt er dem Engländer wieder mehr offensive Freiheiten, sodass er die angesprochene physische Lücke füllen kann. Die Frage ist, ob das der Schlüssel für die Top-Spiele sein kann. Ich persönlich bin die ideenlosen Halbfeld-Flanken leid und würde mir eine spielerische Lösung wünschen. Mit Arda in der Rolle des offensiven Gestalters sehe ich zumindest die Chance, dass sich das Kombinationsspiel bei den Königlichen wieder etablieren könnte. Das damalige Tiki-Taka-Barça war den gegnerischen Mannschaften physisch oft unterlagen, aber am Ball extrem stark. Auch wenn der Fußball sich weiterentwickelt hat und kein Wunschkonzert ist, sehne ich mich nach einem spielstarken und dominanten Real Madrid.

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