
MADRID. Ob sichtlich genervt oder als tatsächliche Option beantwortete Cheftrainer Zinédine Zidane die Diskussion am letzten Spieltag gegen Villarreal (2:2) mit Isco und Gareth Bale. Gemeinsam in der Startelf aufgeboten, zeigten beide Stars eine durchaus ansprechende Leistung. Der Balltanz um das letzte ungemein begehrte Ticket für das Champions-League-Finale gegen den FC Liverpool in Kiew (Samstag, 20:45 Uhr, im REAL TOTAL-Liveticker und Free-TV) fand dementsprechend keinen eindeutigen Sieger, sodass eine Startformation mit beiden Stars im Endspiel zumindest nicht gänzlich abwegig erscheint.
Doch trotz der starken Verfassung, in der sich beide Akteure momentan präsentieren, ist davon auszugehen, dass Zidane nicht auf Kombinationsspieler Karim Benzema in seiner Wunschelf verzichten möchte. Zumal auch dieser in den letzten Wochen wieder eine klar ansteigende Formkurve nachweisen konnte. Viele Experten rechnen mit der exakt selben Formation wie im Finale 2017 gegen Juventus Turin (4:1). Sprich: Zunächst mit dem Spanier und erneut mit dem Waliser auf der Bank.
Doch bestehen nicht auch genügend Argumente für eine Startelf-Nominierung Bales? REAL TOTAL stellt die Pros und Contras gegenüber und gibt eine Tendenz ab.
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Das spricht für Bale
- Matchwinner-Attitude in Big Games
Ob mit unvergessenen 70-Meter-Sprint im Endspiel der Copa del Rey 2014 gegen Barcelona, dem Führungstreffer im “Décima”-Endspiel oder der starken Performance im Champions-League-Finale 2016: Bale steht für besondere Momente in besonderen Spielen. Die Amerikaner nennen diese Fähigkeit im Basketball gerne “Clutch”. Und Bale hat definitiv und trotz einiger schwieriger Momente definitiv in den vergangenen Jahren seine Clutch-Mentalität im weißen Trikot nachgewiesen. Auch im diesjährigen Finale wird es wieder auf die sogenannten Kleinigkeiten ankommen. Kleinigkeiten, die nur eine Handvoll Spieler auf diesem Planet im Stande sind, in solchen Spielen abzurufen. Der “walisische Express” gehört in jedem Fall dazu.
- Premier-League-Gen
Der Premier League wird seit Jahren nachgesagt, dass sie eine ganz spezielle Liga sei. Nicht nur aufgrund der exorbitant hohen Ablösesummen, sondern insbesondere aufgrund der besonderen Spielweise, die auf der Insel geprägt wird: Physisch, extrem schnell und oft losgelöst von taktischen Zwängen mit ständigem Auf und Ab zwischen beiden Sechzehnmeterräumen. Bale hat für den FC Southampton und Tottenham Hotspur insgesamt 146 Partien in Englands höchster Spielklasse absolviert. 43 Tore und 31 Vorlagen kamen in diesem Zeitraum zu Stande. In seiner letzten Spielzeit in der englischen Eliteliga 2012/13 spielte der Waliser alles und jeden in Grund und Boden und kam in 33 Spielen auf bärenstarke 21 Tore und neun Assists. Zur Belohnung “durfte” Bale im Anschluss für die damalige Rekordablösesumme von 101 Millionen Euro zu den Königlichen wechseln. Seitdem wird nicht selten behauptet, dass die Gangart in der Premier League dem 28-Jährigen aufgrund seiner enormen physischen Fähigkeiten und dem Bedarf nach Raum um seine Schnelligkeit ausspielen zu können, eher liegt.
- Torabschluss-Qualitäten
Wenn man Lehren aus der königlichen Spielzeit 2017/18 zieht, steht ganz oben auf der Agenda: Fällt Cristiano Ronaldo verletzungsbedingt aus oder erwischt er einen eher mäßigen Tag, fehlt es dem weißen Ballett eindeutig an Torgefahr. Dem Mittelfeld mangelt es am Zug zum Tor und Karim Benzema mag immer noch ein wichtiger Bestandteil dieser Mannschaft sein, wird aber in diesem Leben kein eiskalter Vollstrecker mehr. Aufgrund erneut vieler kleiner und größerer Verletzungen verlor Bale im Laufe der LaLiga-Saison an Spielpraxis und vor allem Rhythmus. Was jedoch in der Endbewertung seiner Saison schnell unterschlagen wird: In 26 Einsätzen, davon nur 21 von Beginn an, konnte der Waliser stolze 16 Tore und vier Vorlagen beisteuern. Darunter der 2:2-Ausgleichstreffer im Camp Nou, der zu Punkt eins passt. Nur 113 Minuten benötigte Bale damit im Durchschnitt, um einen Treffer zu erzielen. Und ein Königsklassen-Endspiel kann bekanntermaßen auch mal 120 Minuten andauern.
Das spricht gegen Bale
- Ballsicherheit
Bale ist pfeilschnell, hat einen wuchtigen Torabschluss und den unbändigen Willen. Was dem Waliser jedoch, im Vergleich zu seinen potentiellen Konkurrenten Benzema und Isco abgeht, ist eindeutig die Ballsicherheit in Pressingsituationen und das Festmachen von Bällen als Sturmspitze. Zwei Aspekte, die dem ehemaligen Spielmacher und Fußballästhet Zidane jedoch besonders am Herzen liegen und gegen die klopp’sche Pressingmaschine von großer Bedeutung sein könnten. Isco verleiht dem königlichen Spiel in Zusammenarbeit mit den geschätzten Kollegen Luka Modrić und Toni Kroos eine Pressingresistenz, die europaweit seinesgleichen sucht und für absolute Kontrolle im Mittelfeld sorgen kann. Und Benzema sorgt mit seiner Kombinationssicherheit und seinen ständigen Positionswechseln für die nötigen Räume und Bälle für Tormaschine CR7. Zidanes Real gewann die letzten beiden Champions-League-Finalspiele nicht aufgrund überfallartigem oder spektakulärem Offensivfußball, sondern wegen geduldiger und abwartender Herangehensweise und der totalen Kontrolle im Mittelfeld.
- Chemie
Auch nach vier Jahren in der spanischen Hauptstadt wirkt der Mann von der Insel noch nicht vollkommen integriert und angekommen in Madrid. Ob es nun die fehlenden Sprachkenntnisse oder der unterschwellige Superstar-Komplex gegenüber Ronaldo sind, Bale scheint teilweise isoliert innerhalb des Mannschaftsgefüges. Nicht nur auf, sondern auch neben dem Platz. Selbst bei Torerfolgen dreht er häufig allein ab. Die Nicht-Nominierung in einigen wichtigen Partien in den vergangen Jahren trägt mit Sicherheit auch ihren Teil bei. Seinen Status als Mitglied des unberührbaren “BBC”-Triumvirats hat er längst eingebüßt. Trotz seiner exzellenten Torquote in dieser Saison suchte der Mann aus Cardiff meistens seine Rolle und Funktion auf dem Feld. Mal als linker Außenspieler, mal als Sturmspitze aufgeboten, fand der Waliser in diesem Jahr nie so richtig seine Bestimmung in Zidanes Konzept. Und der königliche Chefcoach hat in diesem Jahr nicht nur einmal nachgewiesen, dass er eine ausgeglichene und harmonische Elf einzelnen, eventuell größeren Namen vorzieht.
- Wechselgerüchte
Bleibt er oder geht er? Vieler Bekenntnisse von “Zizou” und seinem Berater Jonathan Barnett zum Trotz, scheint ein Abschied des 101-Millionen-Mannes nach der Saison im Bereich des Möglichen zu sein. Die vielen Nicht-Berücksichtigungen nagen sichtlich am Selbstverständnis des 28-Jährigen. Ebenso wie die Tatsache, immer noch im übermächtigen Schatten von CR7 stehen zu müssen, der auch mit 33 Jahren nicht den Eindruck erweckt, seine Karriere gemächlich ausklingen lassen zu wollen. Hinzu kommt eine Verletzungshäufigkeit, die sowohl ihn, als auch seinen Arbeitgeber nicht zufrieden stellen können. Potentielle Abnehmer fänden sich, insbesondere in der Premier League, zuhauf. Die ständigen Unruhen rund um seine Person könnte Zidane als störend empfinden und alleine deshalb auf Bale von Beginn an verzichten. Siehe Punkt zwei. Eine weitere Nicht-Nominierung in einem Endspiel könnte dann aber tatsächlich das endgültige Ende der Bale-Ära in Madrid bedeuten.

REAL TOTAL-Ausblick
Welche Elf Zidane nun am Samstag ins Rennen schicken wird, kann nur der Franzose selbst beantworten. Und wird dies aller Dementis zum Trotz für sich auch bereits getan haben. Sein Gegenüber Jürgen Klopp rechnet mit derselben Startelf wie im Endspiel 2017 – und wird wohl Recht behalten. Zu sehr vertraute Zidane in den letzten Wochen in den wichtigen Spielen eben nicht auf Bale und zu oft wurde er trotz dieser kontroversen Entscheidungen in seiner Wahl bestätigt. Die Punkte Ballsicherheit und Teamchemie werden den Ausschlag für Isco und Benzema in der Anfangsformation geben, um zunächst nicht in Rückstand zu geraten und das Spielgeschehen gegen die offensive Wucht der Engländer kontrollieren zu können. Dass bei einem engen Spielstand oder gar Rückstand der Waliser noch mal als ultimative Waffe von der Leine gelassen werden kann, ist als absoluter Luxus für Zidane zu bewerten und dürfte im Gegenzug Klopp einige Bauchschmerzen bereiten. Ob und wie es für Bale nach dieser Spielzeit in Madrid weitergeht, wird enorm viel von dieser Entscheidung in Kiew abhängen.
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