Interview

Jesé gesteht: „Ich hatte bei Real keine Freunde, fühlte mich einsam“

Jesé Rodríguez liegt am Boden. Das einst gefeierte Offensiv-Juwel plant aber, das Schlechte hinter sich zu lassen. Über seine Zeit bei Real Madrid spricht Jesé reuevoll, auch wenn er dort keine Freunde gehabt habe. Jetzt hofft Paris Saint-Germains Angreifer außer Dienst sehnsüchtig auf einen Neuanfang.

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Jesé Rodríguez Real Madrid
Jesé erlebt eine komplizierte Karriere als Fußballer – Foto: Denis Doyle/Getty Images

„Ich vermisse es sehr, Fußball zu spielen“

PARIS. „Ich vermisse es sehr, Fußball zu spielen. Ich will so schnell wie möglich wieder spielen.“ Worte wie diese hört man in der Regel eigentlich nur von Spielern, die aufgrund einer schweren Verletzung zu einer Zwangspause verdammt sind. In diesem Fall stammen sie von Jesé Rodríguez, einem Profi, der zwar kerngesund ist, sich aber so ausdrückt, weil er in seiner Karriere tief gefallen ist. Hinter ihm liegen inzwischen zwei Jahre zum Vergessen.

Paris Saint-Germain war für ihn nach seinem Abschied von Real Madrid im August 2016 eine Nummer zu groß – wobei er sich als Leihspieler dann selbst bei UD Las Palmas und Stoke City nicht für einen längerfristigen Vertrag empfehlen konnte. All das resultierte auch aus Problemen abseits des Platzes. Die Krankheit seines Sohnes Nyan, öffentliche Streitigkeiten mit seiner Ex-Model-Freundin Aurah Ruiz, falsche Freunde.

Bislang letztes Pflichtspiel: Jesé erinnert sich nicht

Vielmehr als an seiner Laufbahn als Fußballer arbeitete Jesé in den zurückliegenden Monaten daran, sein Privatleben in den Griff zu bekommen. Wenn man ihn fragt, wann er seinem eigentlichen Beruf letztmals in einem Pflichtspiel nachgegangen ist, dann kann er bloß schwammig antworten. „Ich glaube, es ist bald ein Jahr her. Genau erinnere ich mich nicht. Auf jeden Fall ist es lange her“, antwortet der 25-Jährige der Sportzeitung AS.

Um Jesé auf die Sprünge zu helfen: Es war der 17. März, als er bei einer 1:2-Niederlage von Stoke gegen den FC Everton in der Schlussphase elf Minuten lang mitwirkte. Von da an verschwand der Spanier von der Bildfläche. Im Sommer kehrte er nach Frankreich zu PSG zurück, wo man ihn erneut als unbrauchbar abstempelte. Er trainiert dort bis heute lediglich, weil nicht nur die Pariser ihn nicht haben wollen.

Hoffen auf Wechsel: Ein Interview wie eine Bewerbung

„Ich warte täglich darauf, dass sich der Wintertransfermarkt öffnet“, sagt Jesé. Seine Sehnsucht, einen Klub zu finden, bei dem es für ihn wieder bergauf gehen kann, muss mittlerweile riesengroß sein. Dass sie angesichts der fehlenden Spielpraxis jedoch auch gestillt werden kann, ist fraglich. Jesé nutzt aber selbst das Interview mit der AS, um darum zu kämpfen. Es wirkt wie eine Bewerbung. Er will unmissverständlich verdeutlichen, dass er sich verändert hat, jetzt jemand sei, der hart an sich arbeite.

Jesé hadert: „Ich habe mich in Madrid zurückgelehnt“

„Ich habe sieben Kilogramm abgenommen. Jetzt wiege ich so viel wir vor meiner schweren Knieverletzung. So viel wie jetzt wog ich seitdem zu keinem Zeitpunkt. Es ist mein Idealgewicht“, erzählt der Angreifer zum Beispiel. Oder: „Ich habe Freundschaften gekündigt. Ich glaube, ich hatte einige, die nicht gut waren. Sie sind nun weg aus meinem Leben.“

Klar ist: Für Real kommt er nicht infrage. Dass Jesé sein Potential im Estadio Santiago Bernabéu am Ende nicht ausgeschöpft hat, enttäuscht ihn rückblickend selbst: „Ich bereue es, die Chancen, die ich nach meiner Verletzung in Madrid erhielt, nicht genutzt zu haben. Heute denke ich mir: Wenn ich damals doch nur so gearbeitet hätte wie in den letzten drei Monaten… Problematisch wird es, wenn du dich zurücklehnst. Das ist mir passiert. Ich lehnte mich zurück. Auf diesem Level darfst du das aber nie tun. Ich kam nach Madrid, man gab mir einen langfristigen Vertrag und bis zur Verletzung hatte ich ja alles gut gemacht. Du musst aber immer kämpfen und mehr wollen.“

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„Ich dachte, ich hätte bei Real Freunde“

Möglicherweise ließ Jesé sich auch wegen der aus seiner Sicht fehlenden Zuneigung innerhalb des Teams gehen. Nach eigener Aussage sei der damals gefeierte Shootingstar zu einem Einzelgänger verkommen. „Ich dachte, ich hätte in der Mannschaft von Real Madrid Freunde. Aber ich habe realisiert, dass sie keine sind, weil sie sich nicht um mich geschert oder auf meine Nachrichten geantwortet haben. Ich war in Madrid von Leuten umgeben, fühlte mich aber einsam“, bedauert Jesé, der Mann, dem man bei Real einst die Nachfolge von Cristiano Ronaldo zugetraut hatte. Ihm selbst würde es inzwischen reichen, wenn er einfach nur in die Stadien Europas einlaufen kann. Das, was er so sehr vermisst.

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von
Filip Knopp

Begleitet den Mythos Real Madrid als Fan seit der Ära der „Galácticos“ und journalistisch bei REAL TOTAL seit Mitte 2011. Erfahrungen auch bei SPORT1 und SPOX, zudem Autor von »111 GRÜNDE, REAL MADRID ZU LIEBEN«.

Kommentare
Unglückliche Karriere für Jesé bisher.

Wenn er jetzt noch etwas erreichen will, muss er klein anfangen. Mit etwas Glück (und vor allem Gehaltseinbussen) kann er bei einem Top 5 Liga Team im unteren Tabellendritten wieder anfangen.

Und wenn er seine Einstellung wirklich geändert hat, und diese auch behalten kann, sehe ich ihn in 3 Jahren bei einem Mittelklasse-Oberklasse Club. Das Potenzial hätte er. Aber Potenzial ist das eine, die Arbeitseinstellung das andere.

Edit: Valladolid soll interessiert sein. Das wäre ein guter Anfang und die Konkurrenz auf den Flügeln ist nicht zu stark. Soll sich um eine Leihe handeln. Hoffentlich stellt sich PSG nicht quer. Schon hart genug, wenn dich dein Club nicht einmal fur irgendeinen Kader nominiert. Aber dafür verdient er ja für das Nichtstun :)
 
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Er hätte bei uns eine Legende werden können. Jesé hat für mich mehr Talent als Asensio oder andere Spieler. Es hat leider nicht sein sollen. Ich wünsche ihm alles Gute für die Zukunft. Vielleicht kann aus ihm ja doch noch ein Top-Spieler werden, wenn er die nötige Disziplin an den Tag legt, wer weiß.
 
Einer der traurigsten Fälle in Reals Geschichte. Bis zu seiner Verletzung war er so gut. Danach ging es leider nur noch bergab. Wir hatten viele große Talente bei Real wie Portillo, Gago oder Canales. 3 gab es aber denen ich außergewöhnliches zutraute. De la Red, Jesé und Morata. Sie alle hätten bei uns absolute Legenden werden können. Bei de la Red spielte der Körper leider nicht mit. Bei Jesé waren es Körper, Geist und Professionalität. Bei Morata der Geist/Wille für Madrid zu spielen. Hoffe Asensio nutzt seine Chance.
 
Von Jesé hätte ich mir gewünscht, dass er eines Tages die Nachfolge Raúls antreten würde. Er war damals schnell, torgefährlich, hatte eine gute Übersicht und ging die Spiele mit viel Lust und Willen an. Trotz seines Alters und dem Hintergrund aus der eigenen Jugend zu stammen legte er reichlich Selbstvertrauen an den Tag. Dieser Junge war einer der Gründe, wieso ich mich über Mourinhos Abgang gefreut habe. In diesen zwei Videos sieht man finde ich sein immenses Potential sehr gut. Als er sich dann verletzte war ich echt traurig, da es ja eine schwere war. Was bloß aus ihm geworden wäre wenn er von der Verletzung verschont geblieben wäre ...


 

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