
DORTMUND. Erst vor wenigen Tagen haben die Königlichen das Leihgeschäft für Takefusa Kubo beim FC Villareal vorzeitig für beendet erklärt: Weil der „japanische Messi” in Villarreal nicht funktionierte, leihte man ihn stattdessen an den FC Getafe aus, wo er nun häufiger sein Können demonstrieren soll. Es war der Zug an der Reißleine, welcher inzwischen für eine weitere königliche Leihgabe nicht mehr ganz abtrünnig klingt: Die Rede ist von Reinier Jesus Carvalho – kurz: Reinier. Momentan in Diensten bei der Borussia aus Dortmund.
Kurzeinsätze und Tribünengast
Bis dato ist der Brasilianer allerdings nur auf dem Papier ein Arbeitnehmer bei den Gelb-Schwarzen, de Facto werden seine Dienste kaum abgerufen. Zwangsläufig keimt Unzufriedenheit auf, sowohl in der spanischen Hauptstadt, als auch beim hochbegabten Offensivkünstler, der in wenigen Tagen seinen 19. Geburtstag feiern darf. Dabei hatte es im September ganz gut für den „Zehner” angefangen in Nordrhein-Westfalen: Erst das Debüt im Pokal, darauf in der Bundesliga durch einen Kurzeinsatz gegen den FC Augsburg und vier Tage später eingewechselt im deutschen Supercup gegen die Bayern. Lucien Favre schmiss den in Brasília geborenen Offensivmann nicht ins ganz kalte Wasser, sondern tauchte ihn durch Kurzeinsätze immer wieder mit den Zehenspitzen ein, um ihn allmählich zu akklimatisieren.

„Es ist nicht Rio und auch nicht Madrid, aber es ist eine Arbeiterstadt, das passt zu mir“, subsummierte der Brasilianer nach einer kurzen Eingewöhnungszeit im Gespräch mit den Ruhr Nachrichten. Nach den ersten eher positiven Wochen minimierten sich allerdings die Kurzeinsätze, schließlich wurde der Spielmacher zudem vom Coronavirus zurückgeworfen, sodass der als Nachfolger von Kaká gehandelte Südamerikaner von Anfang November bis Mitte Dezember vollkommen außen vor war. Erst beim 1:5-Debakel gegen den VfB Stuttgart am 12. Dezember bekam der bei Flamengo zum Profi gewordene Rechtsfuß mit einer guten halben Stunde die längste Verweildauer auf dem Grün zugesichert.
Neuer Trainer, altes Leid
Es war das letzte Spiel, in dem der Schweizer Favre das Kommando beim BVB inne hatte, danach trennten sich die Wege des Übungsleiters und der Borussia. Edin Terzić übernahm das Steuer und für Reinier sollte sich die Gelegenheit auftun, sich bei seinem neuen Trainer in den Fokus zu spielen. Gegen Bremen war der ehemlaige Kapitän der brasilianischen U17-Nationalmannschaft zumindest noch für den Kader berücksichtigt, anschließend fand sich der Brasilianer, zurückgeworfen von muskulären Problemen, nur noch auf der Tribüne wieder.
Doch auch mit auskurierter Blessur kam der Spielmacher nicht mehr zurück in das Aufgebot von Terzić. Großartige technische Fähigkeiten, ein gutes Auge sowie eine ausgeprägte Spielintelligenz werden dem Spieler, welcher in seinem ersten Profi-Jahr direkt die brasilianische Meisterschaft – dabei sechs Tore in 14 Spielen – sowie die Copa Libertadores gewinnen konnte, attestiert. Die Chance, diese Gaben auch der Fußballwelt zu zeigen, bekommt er zum aktuellen Zeitpunkt nicht, wie zum Beispiel beim Spitzenspiel zwischen RB Leipzig und den Borussen, als er aus dem Kader gestrichen wurde.

Kein einziger Startelf-Einsatz, keine Torbeteiligung und nur 136 Spielminuten stehen dem Rechtsfuß bislang zu Buche, weshalb bereits kursierende Gerüchte immer lauter werden, die Königlichen würden über eine vorzeitige Beendigung des Leihgeschäfts nachdenken, was allerdings aus Dortmund dementiert wurde. BVB-Spordirektor Michael Zorc sorgte Anfang Dezember bei einer Pressekonferenz für ein wenig Ruhe, indem er mit Vehemenz bestehende Spekulationen dementierte: „Grundsätzlich haben wir diese Überlegung nicht. Er hatte keinen einfachen Start bei uns und wurde durch die Covid-Infektion nochmals zurückgeworfen”, schildert der Funktionär und bittet um Nachsicht: „Wir haben Geduld, deshalb vereinbaren wir in solchen Fällen auch eine zweijährige Leihe.”
Dass der 18-Jährige bei der Borussia grundsätzlich gut aufgehoben ist, beweisen zahlreiche Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit, welche behutsam für die große Fußballbühne aufgebaut wurden. „Der BVB genießt in Brasilien einen guten Ruf, was die Weiterentwicklung junger Spieler angeht“, sagte Reinier persönlich zu seiner Entscheidung für die Dortmunder. „Der Klub ist in meiner Heimat bekannt dafür, jungen Spielern eine Chance zu bieten, die Menschen in Brasilien verfolgen das sehr genau, wie sich diese Spieler entwickeln.“ Die von Zorc angesprochene Geduld ist dabei sicherlich auch ein wichtiges Stilmittel, welches allerdings keine inflationäre Anwendung finden sollte. Denn: Auch ein hochbegabtes Talent, benötigt Spielpraxis und die vereinbarten zwei Jahre der Leihe sind auch schnell wieder gekürzt.
Geduld – aber nicht ohne Grenzen
Dass Reinier Jesus seine Einsatzzeiten noch im Signal Iduna-Park erhalten wird, bleibt dennoch nicht ausgeschlossen, weshalb tatsächlich noch ein wenig Geduld angebracht ist. Schließlich tanzt der BVB auf drei Hochzeiten und in diesem engen Spielplan kann Terzić früher oder später einen Mann von dieser Qualität sehr gut gebrauchen, zumal der verletzungsanfällige Kapitän Marco Reus sicher die eine oder andere Verschnaufpause bekommen sollte. Denn auch der Brasilianer verfolgt konkrete Ziele, die er nur durch Spielzeit verwirklichen kann: „Ich möchte mit dieser Mannschaft erfolgreich sein, persönlich möchte ich mich auf dem Platz als Spieler und neben dem Platz als Mensch weiterentwickeln.“ Deshalb sollte Reinier möglichst zeitnah wieder auf dem Rasen stehen, denn ändert sich an der Situation bis zum Sommer nichts, wird Real Madrid wieder die Reißleine ziehen müssen und wie bei Kubo auch für Reinier einen neuen Arbeitgeber finden, denn wie französische Medien unlängst vermeldeten, steht mit Real Valladolid und dessen Präsidenten Ronaldo bereits ein interessierter Abnehmer aus LaLiga bereit.
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