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Kommentar: Auch bei Real Madrid muss Platz für Fußballromantik sein

Die Verträge von Sergio Ramos und Luka Modrić laufen am Saisonende aus. Beide Spieler geben sich diesbezüglich zumindest nach außen hin entspannt, machen aber auch keinen Hehl daraus, gern längerfristig über den Sommer hinaus in Madrid bleiben zu wollen. Warum auch bei Real Madrid Platz für ein wenig Fußballromantik sein sollte und warum eine Vertragsverlängerung der beiden Altstars gar über das Romantische hinaus ein kluger und sinnvoller Schachzug wäre. Ein analysierender Kommentar von REAL TOTAL-Redakteur Max-Friedrich Bading.

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Ramos und Modrić sind reif … zum Verlängern! Foto: imago images / Cordon Press/Miguelez Sports

Der Fußball entwickelt sich weiter

Die Personalpolitik der Blancos sieht vor, Spielern ab einem Alter von 32 Jahren nur noch Ein-Jahres-Verträge anzubieten – wenn überhaupt. Aber mal ehrlich: Ist das nicht ein wenig überholt?

Die medizinische Versorgung sowie die Trainings- und Belastungssteuerung haben sich über die Zeit stetig weiterentwickelt. Der Fußball selbst und somit auch seine Akteure werden Jahr für Jahr immer professioneller, um den hohen Anforderungen des modernen Fußballs gerecht werden zu können. Aufgeblähte Spielkalender sorgen für eine enorme konditionelle Belastung. Wer da nicht auf sich achtet und sein Leben mit der richtigen Einstellung im Sinne des Leistungssports gestaltet, kann schnell ins Abseits geraten.

Die alte Garde dominiert

All diese Entwicklungen sorgen eben auch dafür, dass sich die Leistungsgrenze zeitlich nach hinten verschiebt. Hierfür lohnt sich auch ein Blick zu anderen großen Sportarten:

Ein Lewis Hamilton dominiert in der Formel 1 wie eh und je, hat gerade sämtliche Rekorde eines gewissen Michael Schuhmachers gebrochen. Alter? 35! Novak Đoković, Rafael Nadal und Roger Federer dominieren nach wie vor die Tenniswelt und machen fast sämtliche Titel unter sich aus. Alter? 33, 34, und 39!

Sprach man in den 90er und 00er Jahren noch von einem optimalen Fußballeralter zwischen 26 und 30 Jahren, erreichen diese ihren Zenit heutzutage oftmals erst zwischen 30 und 35. Beispiele gefälligst? Robert Lewandowski befindet sich mit seinen 32 Jahren in der Form seines Lebens und wurde jüngst zu Europas Fußballer des Jahres gewählt, auch ein Lionel Messi (33) und ein Cristiano Ronaldo (35) zeigen kaum Alterserscheinungen. Und: Ein gewisser Luka Modrić wurde 2018 mit 33 Jahren zum ältesten Weltfußballer (gemeinsam mit Fabio Cannavaro; war 2006 ebenfalls 33) aller Zeiten gekürt. Fakten, die zeigen, dass Reals Vorgehensweise bei älteren Spielern mittlerweile überholt ist.

Dudek war der Letzte

Das letzte Karriereende eines Spielers an der Concha Espina datiert aus dem Jahre 2011, also vor fast zehn Jahren, als Jerzy Dudek am letzten Liga-Spieltag gegen UD Almería kurz vor Spielende ausgewechselt wurde. Was waren das für herzerwärmende Bilder, als seine Mitspieler sich an der Seitenlinie versammelten, um dem Torhüter Spalier zu stehen. Ein jeder Madridista würde sich wünschen, so etwas häufiger im heimischen Estadio Santiago Bernabéu zu sehen zu bekommen. Der Fußball lebt eben nicht nur von Titeln und Toren, sondern auch von seinen Emotionen und der Verbundenheit der Fans zu ihren Spielern. Außerdem sollten die teilweise mehr als unwürdigen Abgänge von Vereinsikonen wie Raúl González, Guti oder Iker Casillas mahnende Beispiele dafür sein, wie Fans ihre Spieler nicht den Verein verlassen sehen wollen. Bei allem Leistungsdruck muss auch bei einem enorm erfolgsorientierten Verein wie Real Madrid hin und wieder Platz für ein wenig Fußballromantik sein.

Zweiter Frühling bei Ramos und Modrić

Ohnehin stellt der Leistungsaspekt kein Argument dar, das gegen eine Verlängerung der Verträge von Ramos und Modrić spricht. Beide befinden sich in ihrem zweiten Frühling als Fußballer und bestechen speziell seit dem Restart in der vergangenen Saison auf dem Platz mit guten Auftritten. Beim Kroaten, mittlerweile 35 Jahre alt, lässt sich argumentieren, ob er zu Saisonbeginn nicht sogar der formstärkste Madrilene war. Spritzig, lauffreudig und als passsicherer Antreiber wie zu seinen besten Zeiten präsentierte und präsentiert sich der Vizeweltmeister von 2018 gerade.

Auch Ramos, seines Zeichens schon 34, zeigt sich als unermüdlicher Antreiber und ist unverändert von elementarer Bedeutung für Reals defensive Stabilität. Doch nicht nur das: Auch offensiv glänzt „El Capitán“ mehr denn je, darf sich mittlerweile sogar als der torgefährlichste Verteidiger der LaLiga-Geschichte rühmen. Vor allem nach der Corona-Pause, im Endspurt der vergangenen Saison, zog Ramos den königlichen Karren oft aus dem Dreck, erzielte in seinen zehn Spielen ganze sechs Tore – als Innenverteidiger! Reals LaLiga-Alltag gestaltet sich oft zäh gegen Gegner, die sich tief in der eigenen Hälfte verstecken und gegen die es dann schwer ist, sich Torchancen zu erspielen – so auch oft zu sehen gewesen in besagtem Liga-Endspurt. In solchen engen Spielen bringen nicht selten Elfmeter oder Kopfballtore nach Standards die herbeigesehnte Erlösung. Eigentlich doch ganz beruhigend, wenn man da einen der (oder den?) besten Kopfballspieler und Elfmeterschützen der Welt in seinen eigenen Reihen weiß.

Kaderumbruch und Vertragsverlängerungen können Hand in Hand gehen

Auch im Sinne eines Kaderumbruchs wäre eine Vertragsverlängerung bei Ramos und Modrić, die abseits des Platzes gute Freunde sind und regelmäßig mit ihren Familien den Urlaub gemeinsam verbringen, kein Hindernis. Junge Spieler können von solchen Führungsspielern und deren Erfahrung viel lernen und letztendlich von ihnen profitieren. Ohnehin werden Ramos und Modrić ihre Pausen brauchen und auch bekommen, und somit die nächste Generation ihre Einsatzchancen erhalten. Schon jetzt wird „Lukita“ regelmäßig für Federico Valverde aus der Startelf rausrotiert und nimmt dabei Zidanes Entscheidungen ohne zu murren hin. Ein allmählicher Kaderumbruch ließe sich also auch mit der Anwesenheit der beiden Altstars gut gestalten. An erster Stelle sollte jedoch immer die Leistung auf dem Platz im Mittelpunkt stehen, weshalb man zwei bestens funktionierende Spieler nicht bloß aufgrund ihres Alters ersetzen muss.

Also, lieber Florentino Pérez: Weiche bitte von deinem Dogma des Ein-Jahres-Vertrags ab und gib Luka Modrić und Sergio Ramos ihre letzten längeren Verträge. Zwei gute Jahre haben die beiden mindestens noch im Tank, in denen sie dem Verein zu großen Erfolgen verhelfen können. Verdient hätten sie es sich allemal. 2014, Lissabon, Minute 93, Ecke Modrić, Kopfball Ramos, „la Décima“ – weißt du noch?

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von
Max-Friedrich Bading

Abgeschlossenes Studium der Sportwissenschaft, Anglistik/Amerikanistik und Bildungswissenschaft. Ronaldo brachte mich 2002 als Fan zu Real, verlassen hat er den Verein Jahre später ohne mich. Bin stolz, meine Passion für den Klub bei REAL TOTAL mit anderen Madridistas teilen zu dürfen.

Kommentare
Da man wegen Corona finanziell sehr eingeschnitten ist, werden wohl nicht viele Transfers getätigt werden können, sodass man sowieso weiterhin auf das jetzige Personal setzen muss. Ramos ist extrem wichtig für das Mannschaftsgefüge und hat sich zwei weitere Jahre verdient, bei Modric hingegen bin ich etwas zwiegespalten: er ist älter als Ramos und wer weiß, wie lange er noch so gut performen kann, denn im Mittelfeld werden andere (höhere?) Anforderungen an ihn gestellt. Wie wäre es mit einem Kompromiss: Luka verlängert um ein Jahr mit einer Option auf ein zweites Jahr? Langsam, aber sicher müssen seine Nachfolger Ode/Fede aufgebaut werden und es wäre natürlich schön, wenn ihnen Modric zur Seite stehen würde, aber leider wird er auch nicht ewig spielen können - so wie Ramos, dessen Verlust im Moment gar nicht aufgefangen werden kann. Selbstverständlich wäre ich dafür, dass beide ihre grandiosen Karrieren in Madrid beenden, aber das Leben ist kein romantisches Wunschkonzert und man muss schauen, was das Beste für Real Madrid ist, nicht nur jetzt, sondern auch für die Zukunft.
 
Bei aller "Euphorie" über Modrics Leistungen, aber einen mindestens Zweijahresvertrag zu fordern, halte ich doch für sehr Gegenwartshormongesteuert und ich wäre komplett dagegen. Er scheint sich seine Verlängerung um ein Jahr zu erarbeiten/zu verdienen, dann kann man weiter entscheiden, oder vielleicht sollte man aber auch den Weg des Umbruchs endlich konsequent beschreiten?
Mir gefällt diese Sicht des Vereins bzgl. der 1.Jahres-Vertragspolitik sehr, zudem würde ich mir auch ein finanzielles Entgegenkommen der Spieler wünschen, sprich Gehaltskürzung und mehr Gehalt Leistungs-/Einsatzzeitgebunden. Was passiert zB. bei einer schweren Verletzung, am Anfang der kommenden Saison? Nach einem KB-Riss fiele er für die komplette Saison aus und ob er in seinem Alter, für die übernächste Saison noch eine sportliche Relevanz hätte, erscheint mir sehr ungewiss, anhand seines nicht zu bestreitenden, hohen Sportleralters.
Das Gehalt müssten wir trotzdem für seine gesamte Vertragslaufzeit aufbringen, ob mir das ein Eckball im Jahr 2014 wert wäre...
 
In der Rolle als erfahrene Mentoren, die nicht mehr jedes Spiel machen, können sie gern noch etwas länger bleiben. So könnte man einen fließenden Übergang gewährleisten (vorausgesetzt die designierten Nachfolger erhalten endlich mehr Spielzeit). Sehen die beiden sich aber als Stammspieler, wäre es fahrlässig, länger als 1 Jahr zu verlängern! Denn ein Leistungseinbruch kann schneller kommen, als man denkt (vor der Corona-Pause haben beide katastrophal gespielt) und auch deren Spitzengehalt darf man nicht vergessen. Irgendwann muss für jeden Schluss sein und dann ist doch ein Abschied auf einem Peak schöner und romantischer als ein langsames dahinvegetieren. Wäre für alle Seiten also von Vorteil, wenn man sich zeitnah trennt und in Würde voneinander Abschied nimmt.
 
Bei aller "Euphorie" über Modrics Leistungen, aber einen mindestens Zweijahresvertrag zu fordern, halte ich doch für sehr Gegenwartshormongesteuert und ich wäre komplett dagegen. Er scheint sich seine Verlängerung um ein Jahr zu erarbeiten/zu verdienen, dann kann man weiter entscheiden, oder vielleicht sollte man aber auch den Weg des Umbruchs endlich konsequent beschreiten?
Mir gefällt diese Sicht des Vereins bzgl. der 1.Jahres-Vertragspolitik sehr, zudem würde ich mir auch ein finanzielles Entgegenkommen der Spieler wünschen, sprich Gehaltskürzung und mehr Gehalt Leistungs-/Einsatzzeitgebunden. Was passiert zB. bei einer schweren Verletzung, am Anfang der kommenden Saison? Nach einem KB-Riss fiele er für die komplette Saison aus und ob er in seinem Alter, für die übernächste Saison noch eine sportliche Relevanz hätte, erscheint mir sehr ungewiss, anhand seines nicht zu bestreitenden, hohen Sportleralters.
Das Gehalt müssten wir trotzdem für seine gesamte Vertragslaufzeit aufbringen, ob mir das ein Eckball im Jahr 2014 wert wäre...

"Gegenwartshormongesteuert" Made my Day. Gracias.
 
Furchtbare Meinungen hier. Kein Wunder das unsere Legenden immer vom Hof gescheucht werden...
Verstehe gar nicht was es da zu diskutieren gibt...
Mir fällt nicht ein vernünftiges Argument dagegen ein.
Allein die konstanten absoluten Weltklasse Leistungen der beiden seit zich Jahren(genau wie diese/letzte Saison trotz hohen Alters) rechtfertigt diese Verlängerungen.
Manche Spieler haben sich sowas einfach verdient unabhängig vom finanziellen (Risiko?lach), Umbruch oder sonstiges in dieser Richtung.
 
NEIN und nochmals NEIN.
Lässt RealTotal sich jetzt auch von der aktuellen Euphorie und Wetterlage leiten?
vor paar Wochen war noch Weltuntergang und jetzt fordert RealTotal allen Ernstes eine Zweijahresverlängerung mit zwei 35 jährigen?
Bei aller Liebe; kann man in diesem Forum endlich mal anfangen auch etwas perspektivisch zu denken anstatt sich immer nur an aktuellen Stimmungen zu orientieren?
Echt schwach.
 
Ein sehr guter Artikel!
Bin der gleichen Meinung. Beide haben es verdient, mindestens noch 1-2 Jahre zu bleiben. Solche Spieler brauchen wir, die alles für den Verein geben bzw. gegeben haben. Spieler mit Charakter, Ehrgeiz, Disziplin und jahrelange Konstanz. Hut ab vor beiden, ich wünschte wir hätten mehr von solchen Spielern. Zurzeit haben wir viele andere, die dieses Wappen nicht würdig sind.
Hala Madrid¡
 

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