Kommentar

Kommentar: Real-Verschwörung? Eine unbequeme Wahrheit für Bayern-Fans

Ja, Szymon Marciniak hat mit dem zu frühen Pfiff einen Fehler getan. Aber wer jetzt die große Verschwörung (erneut) vermutet, dem sagt REAL TOTAL-Chefredakteur Nils Kern: Macht ihr es euch nicht zu einfach? Eine unbequeme Wahrheit über eine gute und eine (mal wieder) bessere Mannschaft.

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Nils Kern richtet sich an die Fußball-Verschwörungstheoretiker – Foto: getty images

Liebe Bayern-Fans und auch sonstige im-Europapokal-für-die-Deutschen-Halter,

ja, das Schiedsrichter-Team hat mit dem frühen Abseitspfiff einen Fehler getan. Gar keine Frage. Ich kann sogar in Teilen verstehen, dass bei Bayern-Fans direkt die Erinnerungen an die zwei irregulären Abseits-Tore 2017 von Cristiano Ronaldo aufkamen, als es „leider“ noch keinen VAR gab. Auch das waren Fehler. Aber jetzt kommt’s: Macht ihr es euch nicht ein bisschen einfach?

Erstens: Wer sagt denn, dass Noussair Mazraouis Knie und Matthijs de Ligts Kopf nicht doch haarscharf im Abseits waren? Wer sagt, dass Antonio Rüdiger, Éder Militão und vor allem Andriy Lunin, die mit dem Ertönen des Pfiffs sichtbar an Körperspannung verloren beziehungsweise „aufhörten“ zu spielen, das Gegentor nicht hätten verhindern können?

Das ist alles spekulativ. Der Schiedsrichter hätte die Realität bemühen können, hätte er das Spiel laufen lassen. Egal, ob der Ball dann tatsächlich rein gegangen wäre oder nicht, hätte sich der VAR dann in Ruhe das Abseits ansehen können – aber durch den Pfiff konnte der VAR nicht mehr eingreifen. Wir Madridistas kennen uns da leider aus durch Jude Bellinghams nicht gegebenen Siegtreffer in Valencia, als der dreifache Abpfiff sogar noch unmittelbarer, also genau während Flanke und Abschluss fiel.

In Valencia war der Pfiff ein Fehler, wie im Bernabéu auch. Aber: er war nicht mehr zu korrigieren. So weit zur Regelkunde. Hier bezweifle ich auch gar nicht, dass die meisten Fans die Folgen und Bedeutung des Pfiffs verstehen. Aber sich dann auf eine große Verschwörung nicht nur gegen den FC Bayern, sondern auch gegen den deutschen Fußball zu stürzen? Da machen es sich meiner Meinung nach alle zu einfach!

Es ist einerseits menschlich, nach elf sehr erfolgreichen Jahren die Erkenntnis zu erhalten, dass man nicht immer gewinnen kann. Wer so erfolgsverwöhnt ist und von deutschen Medien und Experten (Lothar Matthäus: „Real Madrid hat Angst vor Bayern“) eingetrichtert bekommt, dass die Super-Bayern der Maßstab sind, jetzt aber in der vierten K.o.-Runde in Folge gegen Real Madrid raus fliegen, der könnte in die Analyse gehen, Gründe suchen, oder sich auf die einfachste Lösung stürzen: wir wurden beschissen, wie es Karl-Heinz Rummenigge 2017 zusammenfasste. Nochmal: Damals handelte es sich um zwei Fehlentscheidungen, doch es gab auch (teils krasse) viele Fehlentscheidungen auf Bayern-Seite, was in dieser Nachbetrachtung gerne mal unterschlagen wird, so hätte es beispielsweise nie zur Verlängerung kommen dürfen. Egal.

Liebe Bayern-Fans und auch alle anderen: die unbequeme Wahrheit ist, dass Real Madrid nicht am Mittwoch etwas besser war, sondern auch schon in den Jahren davor. Was bedeutet besser? Frischer im Kopf, frischer im Körper, frischer auf der Bank, griffiger und effizienter in den einen Momenten, cooler und konzentrierter in den anderen, weniger fehleranfällig. Um nur ein paar Dinge zu nennen. Vielleicht ist die Wahrheit nicht: Die UEFA pfeift für die Blancos, die übrigens als einziger Klub im jahrelangen Clinch mit selbigem Verband stehen, sondern dass mal wieder ein anderes Team besser war als der deutsche Rekordmeister. Das kommt nicht oft vor, aber es kommt vor, vor allem wenn der Gegner mit dem Selbstverständnis von schon 98 Titeln daher kommt.

Warum wird ohnehin nur über die Szene geredet, nicht aber von Thomas Tuchels schwachen beziehungsweise das Spiel eher negativ beeinflussenden Wechseln, oder wie platt – mental und körperlich – manche Bayern-Profis waren, oder Manuel Neuers Fehler vor dem Fehler (dem überhasteten Abwurf in Minute 88) oder wie war das mit der 14- statt neunminütigen Nachspielzeit (obwohl nur die Bayern 20 Minuten Zeit hatten für Zeitspiel, Real ja erst nach der 91. Minute)? Real Madrid mag Glück haben, aber Real Madrid erzwingt auch Fehler, speziell bei Torhütern (Ulreich, Karius, Donnarumma und ja, selbst der große Neuer). So viele späte Tore sind kein Glück, schwarze Magie oder Schiedsrichter-Gunst, sondern die Größe einer Mannschaft, die Frische von Ersatzspielern, das geringere Fehler-Risiko dank höherer Konzentration, die Bereitschaft zu „es auch mal eklig machen“ und leiden, ein seit 2009 erfolgreiches Kader-Management angesichts zwölf von 14 Halbfinals und so vieles mehr.

Aber von so viel Realismus wollen manche nichts hören. Trotzdem Danke für den Versuch, indem ihr auf diesen Artikel geklickt habt. Und wenn ich doch die Augen des einen oder anderen Deutscher-Fußball-Fans öffnen konnte, freut es mich. Die Real-Verschwörung ist eine kleingeistige Lösung, die Realität ist viel komplexer. Oder eigentlich nicht: Real Madrid war im entscheidenden Spiel – dem Rückspiel – mal wieder besser als die Bayern und ist daher verdient weiter gekommen. Jetzt lasset die Hate-Kommentare à la „Du hast eh die Real-Fanbrille auf“ kommen.

Wenn ihr einen neutralen Experten ohne offensichtliche Real-Fanbrille, aber auch ohne Bayern-Agenda hören wollt, empfehle ich euch die kurze Einschätzung von Rasenfunk-Gründer Max-Jacob Ost: „Regt euch nicht auf, Bayern war deutlich unterlegen, hat auf Konter und übel auf Zeit gespielt. Kann man nach so einem Spiel nicht einfach sagen, dass es bitter war, aber dass man sportlich deutlich unterlegen war?“

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REAL TOTAL

Hier schreibt die Redaktion von REAL TOTAL, dem führenden Magazin über Real Madrid im deutschsprachigen Raum.

Kommentare
DANKE! Sollte direkt an SKY_NEWS gehen, der Brief! Vielleicht auch gleich ausgedruckt, damit sie ihre Tränen gleich damit wegwischen können.

Das ist aber mittlerweile ein Problem der Gesellschaft, man selber ist nie Schuld oder macht Fehler, sondern es ist immer die böse Gegenseite....
 
Mal wieder auf den Punkt gebracht. Leider interessiert es die deutsche Medienlandschaft nicht.

International wird es aber ähnlich gesehen wie hier. Klarer Fehler vom Schiri aber keiner hat daraus einen Skandal gemacht.

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Hallo @Nils Kern!
Also mal vorab war das nicht Müllers Knie sondern jenes von Mazraoui aber das ist ja eigentlich egal.
Trotzdem finde ich, dass auch du dir das etwas zu einfach machst. Real Madrid hat auf europäischer Bühne nicht zum ersten Mal von Schiedsrichterfehlentscheidungen profitiert und das sollte man auch offen zugeben. Das mag manchmal am großen Namen liegen, am Ambiente des Bernabeu oder an einem Schiedsrichter der sich einschüchtern lässt...

Die Aktion gestern war jedenfalls nicht sauber und so wie man Vini die rote Karte gegen Leipzig erspart hat, gab es auch schon Schiedsrichter die Körperkontakte wie jenen von Benzema gegen Donnarumma abgepfiffen haben. Ich will damit nicht die Verschwörungsthematik befeuern, aber wir sollten schon fair genug sein zuzugeben, dass wir immer wieder mal profitieren. Ich stelle mir in solchen Momenten immer die Frage wie ich wohl reagiert hätte wenn man diese Aktionen gegen uns gepfiffen hätte. Ich hoffe @Nils Kern, du stellst dir diese Frage auch?
 
Kleine Korrektur, Nils, aus Schönheitsgründen:
Die Real-Verschwörung ist eine kleingeistige Lösung, die REALität ist viel komplexer.
;-)
Ansonsten: Danke dir für dieses sachliche Statement, auch wenn’s in der Bauern-Blase nicht ankommen wird. Und Danke auch an den Rasenfunker, der deutlich benennt, was mich sooo aufgeregt hat: diese unbestrafte Zeitspielerei nach dem Tor! Das war für mich der größte Aufreger gestern.
Und jetzt euch allen einen furiosen Herrentag!
 
Lieber Nils darf ich auch eine Nachricht an die Bayern Fans schreiben, mit deinem Versprechen dass ich nicht gesperrt werde?
 
Eine Unbequeme Wahrheit ! Ja ! Ist so !
Was es so alles für Unbequeme Wahrheiten gibt auf dieser Welt !
 
Grande Nils, trifft den Nagel auf den Kopf. Die deutsche Presse kann es sich einfach nicht eingestehn, dass eine andere Mannschaft als die Bayern einfach besser ist. Wie Ancelotti in der PK sagte wenn Bayern sich wegen dem Pfiff beschweren will, können wir uns auch über das nicht gegebne Tor von Nacho beschweren. Kimmlich ist auf Nacho losgegangen und der wehrt ihn ab und Kimmlich zieht am Boden eine Show ab.
 
Stimmt, Danke für den Hinweis, ist korrigiert.

Hallo @Nils Kern!
Also mal vorab war das nicht Müllers Knie sondern jenes von Mazraoui aber das ist ja eigentlich egal.
Trotzdem finde ich, dass auch du dir das etwas zu einfach machst. Real Madrid hat auf europäischer Bühne nicht zum ersten Mal von Schiedsrichterfehlentscheidungen profitiert und das sollte man auch offen zugeben. Das mag manchmal am großen Namen liegen, am Ambiente des Bernabeu oder an einem Schiedsrichter der sich einschüchtern lässt...

Die Aktion gestern war jedenfalls nicht sauber und so wie man Vini die rote Karte gegen Leipzig erspart hat, gab es auch schon Schiedsrichter die Körperkontakte wie jenen von Benzema gegen Donnarumma abgepfiffen haben. Ich will damit nicht die Verschwörungsthematik befeuern, aber wir sollten schon fair genug sein zuzugeben, dass wir immer wieder mal profitieren. Ich stelle mir in solchen Momenten immer die Frage wie ich wohl reagiert hätte wenn man diese Aktionen gegen uns gepfiffen hätte. Ich hoffe @Nils Kern, du stellst dir diese Frage auch?
 

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