Kommentar

Real muss seinen Plan mit Vinícius überdenken

Vinícius Júnior soll mit den Profis von Real Madrid trainieren, aber für die zweite Mannschaft spielen. In der dritten Liga. Genauso wie einst Martin Ødegaard. Was es dem Spieler brachte? Nichts. Die sportliche Führung muss ihren Plan mit dem 18-Jährigen überdenken. Ein Kommentar von REAL TOTAL-Redakteur Kerry Hau.

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Vinícius Júnior kam für 45 Millionen Euro von Flamengo und unterschrieb einen Vertrag bis 2025 – Foto: Javier Soriano/AFP/Getty Images

Es wäre maßlos übertrieben, einen 18-Jährigen als Heilsbringer zu bezeichnen. Als jemanden, der sozusagen auf Knopfdruck in die Fußstapfen eines fünfmaligen Weltfußballers wie Cristiano Ronaldo treten könnte. Ich würde aber lügen, wenn ich behaupten würde, Vinícius Júnior habe mich während der Saisonvorbereitung nicht verzückt. Der 45 Millionen Euro schwere Neuzugang von Flamengo Rio de Janeiro verlieh dem Spiel der Königlichen einen Hauch von neuer Frische und neuer Kreativität. Mit seinen fintenreichen Dribblings sorgte er für Überraschungsmomente, außerdem erwies er sich als uneigennütziger Vorlagengeber. Von brotloser Kunst konnte in den Testspielen gegen Manchester United, Juventus Turin, AS Rom und AC Mailand jedenfalls keine Rede sein.

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Allerdings bin ich auch nicht Julen Lopetegui. Und sehe Vinícius nicht jeden Tag trainieren. Ich sehe vor allem nicht, wie gut er defensiv arbeitet. Es ist daher vollkommen legitim, noch nicht fest mit ihm zu planen. Vinícius kommt von einem anderen Kontinent und braucht unabhängig von seiner sündhaft hohen Ablösesumme einfach Zeit, um als Fußballer und als Mensch zu reifen. Aber bitte nicht in der zweiten Mannschaft! Real-Direktor Emilio Butragueño erklärte nach dem 4:1-Sieg gegen den FC Girona am Sonntag: „Vinícius trainiert bei unseren Profis und spielt vornehmlich bei unserer Castilla. Julen entscheidet, ob er ihn ab und zu für Profispiele nominiert. Wir mischen uns da nicht ein.“

Ein riskanter Plan. Ein Plan, der aus meiner Sicht zum Scheitern verurteilt ist. Wie soll Vinícius denn in einem Team glänzen, mit dem er überhaupt nicht trainiert? Er kann weder Kombinationen mit seinen Castilla-Kollegen einstudieren noch deren Laufwege kennen lernen, indem er mit Karim Benzema, Gareth Bale und Luka Modrić arbeitet. Hinzu kommt: Zwischen den Profis und der Castilla liegen aus sportlicher Sicht mittlerweile Welten. Vor fünf Jahren, als die B-Mannschaft noch in der Segunda División spielte und sich Talente wie Dani Carvajal, Álvaro Morata oder Jesé Rodríguez weiterentwickeln konnten, wäre ein solches Experiment angebracht gewesen. Jetzt aber ist die Zweitvertretung in der dritten Liga beheimatet. Das Niveau der Segunda B wird das der ersten brasilianischen Liga kaum übertreffen, in der Vinícius bis zuletzt noch spielte. Der Youngster macht keinen Fortschritt. Eher im Gegenteil. Er droht zu stagnieren, weil er zwischen zwei Stühlen steht. Martin Ødegaard kann ein Lied davon singen. Der Norweger avancierte in Madrid vom Hoffnungsträger zum Außenstehenden. Heute spielt er bei Vitesse Arnheim in der niederländischen Eredivisie.

Reals Bosse müssen ihren Plan mit Vinícius überdenken. Warum “parken” sie ihn nicht innerhalb Spaniens bei einem ambitionierten Zweitligisten oder einen kleineren Erstligisten? Marco Asensio zum Beispiel entwickelte sich bei RCD Mallorca und Espanyol Barcelona prächtig, ehe er nach Madrid kam. Eine weitere Alternative wäre, Vinícius an einen bekannten portugiesischen Ausbildungsverein wie den FC Porto oder Benfica Lissabon zu verleihen. Dort müsste er nicht einmal sofort eine neue Sprache erlernen, zumal die Primeira Liga gerade für südamerikanische Talente als ideales Sprungbrett gilt. Auch Vinícius’ Landsmann Casemiro ging diesen Weg. Das sollte Lopetegui bewusst sein. Er formte Casemiro schließlich einst in Porto zu einem Spitzenprofi.

Der Real-Coach will sich mit Vinícius’ Verbleib offensichtlich eine Hintertür für “schlechte Zeiten” offen lassen. Er weiß, dass seine Offensive nach dem Ronaldo-Abgang dünn bestückt ist. Benzema, Bale und Asensio sind gesetzt, doch als Alternativen stehen lediglich Borja Mayoral und Lucas Vázquez bereit. Der Verein will noch keinen neuen Superstar verpflichten – wohl auch, weil Florentino Pérez’ teurer Wunschkandidat Neymar zumindest in diesem Sommer abgesagt hat. Soll heißen: Vinícius könnte als Notnagel in den Profikader rutschen, wenn sich ein Real-Angreifer mal verletzt oder gesperrt wird. Das ist schade. Schade um die 45 Millionen Euro. Vor allem aber schade um sein großes Talent. 

Ist Reals Plan mit Vinícius richtig?

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Kommentare
Vielen Dank für diesen Artikel. Ich hatte es bereits zuvor erwähnt, das man solch in Talent nicht in der Castilla parken sollte/darf. Wie bei Ödegaard passt man sich dem Niveau der Castilla an und lernt nichts neues. Das einzige positive an diesen Beispielen ist nur, das man Einsatzminuten sammelt, aber auf einem sehr niedrigen Fussballniveau.
 
Genau auf den Punkt gebracht !
 
Vinicius in die Castilla abschieben und Odegaard verleihen, der schon längst bereit dazu gewesen wäre, hier eine mehr oder weniger tragende Rolle zu spielen ... :headbang:
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich empfehle, Asensio auch noch in die Castilla rücken zu lassen, der Junge muss erstmal ein bisschen Erfahrung sammeln! Nein, im Ernst, ich bringe ja viel Verständnis für die aktuelle Kaderpolitik auf, aber da kann ich auch nicht mitgehen. Für mich war Vinicius ein klarer Konkurrent zu Asensio und ich habe fest damit gerechnet, dass er es noch diese Saison bis in die Startelf schafft. Die Entscheidung steht für mich einfach in keinem Verhältnis und ich kann nicht verstehen, warum man dieses Talent so verschenkt. Der Schlüssel zu Neymars Erfolg war, dass man ihm von Anfang an das Vertrauen gegeben hat, welches er brauchte und da war man bei Barcelona einfach effizienter. Nächste Saison kommt Rodrygo nach, gleiche Transfersumme und was soll aus dem werden? Wenn man Vinicius schon anscheinend nicht braucht, warum wird dann noch ein weiteres Toptalent nachgeholt? Angeblich handelt es sich dabei ja nur um eine Eingewöhnungs-, eine Übergangsphase, aber sollte Vinicius diese Saison nicht reichlich Profiminuten bekommen, geht man wirklich grob fahrlässig und absolut gegen das Wohl des Spielers vor. Ødegaard ist für mich dabei noch nichtmal ein Vergleich, denn der Transfer hatte nicht mit Abstand die Dimensionen von Vinicius. Da wäre es für ihn wahrscheinlich sogar besser gewesen, wenn er in Brasilien geblieben wäre, so wie es eigentlich vorgesehen war. Vinicius, Rodrygo umd Rodrigo, die Zukunft von Real, brauch jetzt vollstes Vertrauen, denn über die spielerische Qualität müssen wir wohl nicht reden. Notfalls verleiht man ihn, nur sollte man diese Talente bloß von der Castilla weglassen. Man muss sich seinen Weg mur vorstellen: Für 45 Millionen wechselt er unter großer Medienaufmerksamkeit zum besten Klub der Welt, entwickelt eine wahnsinnige Euphorie und landet dann in der dritten(!) spanischen Liga, als hätte man ihn zu Sportfreunde Lotte verliehen. Ich hoffe das legt sich noch, ansonsten gilt "keep on fighting" und wir hoffen, dass er sich dadurch zumindest nicht zum Nachteil entwickelt. Mein Fazit: Die Situation muss sich sofort(!) ändern!
 
sehe ich genauso. Mit 18 kann man sich durchaus schon an die erste Mannschaft rantasten und explodieren,siehe mbappe. wenn überhaupt verleihen, aber in der dritten spaniscjen Liga völlig Fehl am Platz
 
Sehr guter Artikel!
Spricht mir aus der Seele. Man darf den Jungen nicht genau so verbraten wie Ödegaard, der auch an den viel zu hohen Erwartungen gescheitert ist. Und diese halbwarme Aktion ihn zur Hälfte zur Castilla zu stecken ist mal wieder grenzdebil...

Warum nicht das Modell Asensio/Casemiro?
 
Wir hatten bisher 2 Saisonspiele Leute, mit 7 Tagen Abstand, kaum verletzte. Vinicius wird seine Chance bekommen. Hat von euch jemand in den letzten Jahren Benzema und Bale ne Saison durchspielen sehen? Also bitte... Deswegen auch nicht verleihen. Oktober, November englische Wochen. Da werden wir ihn sicher auch in der ersten Mannschaft sehen.
 

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