
War die Saison jetzt eine gute oder eine schlechte für Real Madrid? Kein Titel bedeutete bisher eigentlich immer das „Todesurteil“ für einen Trainer der Königlichen, aber 2020/21 ist etwas anders, und das nicht nur, weil der Trainer eine der größten Vereinslegenden ist.
Ich sage: Weil Real Madrid noch am letzten Spieltag Chancen auf die Meisterschaft hatte und es überraschend sogar ins Champions-League-Halbfinale geschafft hat, ist die Saison – trotz aller Kritikpunkte – für mich eine gute. Note 2-. Selten mit ansehnlichem Fußball (nur 1,7 Tore pro Partie), davor und währenddessen mit fragwürdigen Entscheidungen, aber trotzdem wurde nahezu das Maximum rausgeholt und auch die Defensive stabilisiert.
Und dafür muss ich demjenigen Respekt zollen, bei dem ich seit Oktober sage „Im Sommer sollte er zurücktreten“: Zinédine Zidane. Kein anderer hätte diesen Rumpfkader in einem derart engen Terminkalender solange über Wasser halten können. Jeder andere wäre „natürlich“ auch im Herbst vorzeitig entlassen worden, aber nicht „Zizou“, der das Team im Frühjahr wieder zusammengeschweißt hat, auch wenn am Ende die Puste etwas ausging.
Über 60 Verletzungen, dazu etliche Corona-Ausfälle, die wenigsten Elfmeter bekommen (drei), Pech bei Entscheidungen in Spielen gegen Getafe, Sevilla und Co., und trotzdem: Wer weiß, wie dieser Kommentar ausgefallen wäre, wenn Sergi Guardiola gegen Atlético nicht den Fehlpass seines Lebens gespielt hätte… Egal: Atléticos Meisterschaft geht in Ordnung, dafür waren sie nicht nur fußballerisch in der Hinrunde das Beste, was LaLiga in dieser Saison zu bieten hatte, und zeigten beim Schlusssprint die größte Überzeugung. Die ging mir bei Real Madrid etwas ab, so wie auch generell Zidanes berühmter Top-Spiel-Modus mehr und mehr verblasst ist.
Trotzdem: Zidane sollte in meinen Augen die Zeichen der Zeit erkennen (Update: hat er), um dadurch Schwung zu bringen in das Projekt Umbruch – Atlético hat gezeigt, wie es geht. Der Franzose hat die Mannschaft zwei Jahre gut geführt, aber eben eher das alte Spielermaterial ausgewrungen, als das neue weiterzuentwickeln. Eigentlich haben sich 2020/21 auch Valverde und Mendy kaum weiterentwickelt und treten wie Vinícius und Rodrygo trotz vieler Einsätze eher auf der Stelle. Ødegaard und Jović wurden vergrault, das blinde Vertrauen in Isco, Marcelo, Asensio und Co. hat einiges gekostet und es ist höchste Zeit für einen neuen Geist im Verein (ganz zu schweigen von neuen Trainingsmethoden angesichts so vieler Verletzungen).
Zidane wird immer die Legende und der zweiterfolgreichste Trainer in Reals Historie (elf Titel) bleiben, aber er kann Miguel Muñoz (14 Titel) gerne in noch ferner Zukunft und dann einer dritten Ära einholen. Vorerst sollte (und wird) aber ein anderer übernehmen, der für Neues steht. Sogesehen waren auch Zidanes Worte bei seiner Rückkehr „Wir werden Sachen ändern“ eher ein leeres Versprechen, denn das Real Madrid 2021 ist fast noch das von 2019 mit noch sehr vielen Elementen von 2018.
„Diese Mannschaft braucht Veränderungen, um weiterhin gewinnen zu können, sie braucht eine andere Ansprache“, sagte er hingegen bei seinem ersten Rücktritt. Das war damals wahr und passt auch zur aktuellen Zeit.
Zidane muss man für vieles dankbar sein, auch wenn er sein Amt zum Wohle der Mannschaft erneut räumen sollte. Denn ihm ist nur eines wichtig: Nicht das eigene Einkommen, sondern das Wohl Real Madrids. Respekt „Zizou“, aber es wird Zeit…
Update: Merci „Zizou“, für diese Einsicht und bis zum nächsten Mal!
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